Von MOTOR-TALK Reporter Michael Specht
Miramas - Wären da nicht die aufgeklebten Tarnfolien und der zweite Tankdeckel am linken Vorderkotflügel, niemand würde vermuten, dass unter dem Blech des schwarzen X5 der Antrieb von Morgen steckt. Sechs- und Achtzylinder-Aggregate haben hier nichts mehr verloren.
Hinter der Niere sitzt lediglich ein Zweiliter-Vierzylinder. Richtig gelesen. Vier Zylinder. Das ist in dieser Klasse eigentlich ein Tabu. Doch der 245 PS starke Turbobenziner (BMW-intern schlicht N20 genannt) muss den dicken Bayern nicht alleine bewegen. Hilfe liefert ein 95-PS-Elektromotor. Und beide – soweit kann man nach den ersten Runden im Prototyp sagen – machen ihre Arbeit verdammt gut.
Der zweite Plug-in-Hybrid von BMW
Für die Ingenieure bleibt dennoch viel zu tun. Erst im Sommer 2015 soll der X5 eDrive, so vermutlich sein Michael Specht am Steuer des Prototypen Quelle: BMW
offizieller Verkaufsname, in den Handel gehen. Nach dem Sportwagen i8 ist er der zweite Plug-in-Hybrid von BMW und zunächst einmal ohne Konkurrenten. Porsche wird in der jetzigen Cayenne-Generation keinen Plug-in-Hybrid mehr bringen. Das Gleiche gilt für den VW Touareg und den Audi Q7.
Dass BMW ein SUV für den Öko-Betrieb gewählt hat, liegt daran, dass diese Autos vorwiegend für kurze Distanzen genutzt werden. Kita, Schule, Sport, Bäcker, Einkaufen, Büro. „80 Prozent der Autofahrer sind täglich weniger als 30 Kilometer unterwegs“, sagt X5-Projektleiter Gerhard Thiel. Limousinen vom Schlage 5er und 7er werden dagegen eher auf langen Strecken eingesetzt.
„Gerade im urbanen Umfeld, wo zwangsläufig viel beschleunigt und gebremst wird, kann der Plug-in-Hybrid seine Fähigkeiten voll ausspielen“, erklärt Thiel. Erst recht, falls sich künftig die Umweltvorschriften der Innenstädte verschärfen und nur noch elektrisch angetriebene Autos zulassen. Auch Dr. Marcus Bollig, Leiter EfficientDynamics, ist sich sicher: „Wir werden in Zukunft in den Großstädten elektrisch fahren.“
Mit der Kraft von zwei Motoren
Im X5 reicht dazu ein kleiner Schalter auf der Mittelkonsole. Sanft aber nachdrücklich setzt sich das über zwei Tonnen schwere SUV in Bewegung, angetrieben nur durch die E-Maschine. Sie wurde vorn ins ZF-Achtgang-Automatikgetriebe integriert, dort, wo zuvor der Drehmomentwandler saß.
So tankt der neue X5 eDrive
Durch diese Platzierung brauchten die Ingenieure am permanenten Allradantrieb keine Änderung vorzunehmen. Bis zu 120 km/h und bis zu 30 Kilometer kann der X5 rein elektrisch fahren. Allerdings nur mit seichtem Gasfuß. Wird mehr Leistung benötigt oder ist der 9-kWh-Akku (Lithium-Ionen) leer, schaltet sich hörbar der Vierzylinder-Turbo ein. Der Klang des Zweiliter-Aggregats reicht natürlich nicht an den eines Sechs- oder gar Achtzylinders heran. Dafür spricht der X5 zumindest im Sport-Modus sehr spontan an, weil Verbrennungs- und Elektromotor ihre Kraft gemeinsam beisteuern.
Verbraucht halb so viel wie ein Sechszylinder
Bärenstarker Antritt und trotzdem knauserig wie ein Kleinwagen. Der Nachbar dürfte überrascht sein, wenn er vom Verbrauch des X5 eDrive hört. BMW gibt einen Normwert von 3,8 Liter pro 100 Kilometern an. „Das sind 4,7 Liter oder 55 Prozent weniger als bei einem vergleichbaren X5 mit Dreiliter-Benzinmotor“, sagt Thiel.
Wie jeder weiß, basiert der Brüsseler EU-Wert für Plug-in-Fahrzeuge auf einer komplizierten Formel und lässt die Fahrzeuge besonders gut abschneiden. Doch auch wenn es im realen Alltag zwei oder drei Liter mehr sein sollten, geht das Antriebskonzept in die richtige Richtung.
Ohne Hülle: So sieht der Antriebsstrang des X5 eDrive aus
Trotz der etwa koffergroßen Batterie im Heck büßt der X5-Fahrer so gut wie kein Ladevolumen ein. Das SUV bleibt ein vollwertiger Fünfsitzer, mit dem die Familie bequem in den Urlaub fahren kann. „Das Fahrzeug behält seine volle Alltagstauglichkeit“, sagt Thiel. Auch die rund 250 Kilogramm Mehrgewicht, die Batterie, Leistungselektronik und E-Motor auf die Waage bringen, sind weder im Handling noch beim Bremsen oder Beschleunigen zu spüren.
Plug-in fast in allen Baureihen
Es braucht nicht viel Fantasie, sich zu überlegen, dass der Münchener Autobauer mit dieser modular aufgebauten Hybrid-Architektur nach und nach seine gesamte Modellpalette vom Dreier aufwärts ausrüsten wird. Ähnliches passiert bei der Konkurrenz von Mercedes, Audi und Porsche. Schließlich müssen alle bis 2020 den von der EU vorgegebenen CO2-Flottenausstoß von 95 g/km erreichen. Auch Amerika und China verschärfen ihre Zielwerte. Und diese sind ohne Elektrifizierung definitiv nicht zu schaffen.