Der neue Lexus NX ist verdammt spät dran. Aus diesem Grund gibt Toyota dem Kompakt-SUV eine verdammt auffällige Karosserie und einen Hybridantrieb mit auf den Weg.
Seattle/USA - Nein, das ist keine Studie. Was da mit fieser Diablo-Fratze und einer messerscharf gezeichneten Karosserie durch die Straßen von Seattle rollt, ist die Serienversion des Lexus NX. Nicht einmal ein Jahr nach der Premiere des Showcars auf der IAA in Frankfurt bereitet die Toyota-Tochter den Verkauf des kompakten SUV vor, das bei uns im Oktober ab knapp 40.000 Euro in den Handel kommen soll. Ein bisschen ProvokationDass Lexus den NX so scharf gezeichnet hat, hat einen guten Grund: Das Segment der kompakten SUV ist dicht besetzt und Lexus ist mit seinem Modell äußerst spät dran. Audi, BMW, Mercedes, Land Quelle: Lexus Rover, Volvo, ja sogar Infiniti, haben längst ihr Stück vom noch immer wachsenden Kuchen abgeschnitten. Deshalb müssen die Japaner sich etwas trauen, um überhaupt noch aufzufallen. „Ein bisschen provozieren und es nicht jedem recht machen“, nennt Europachef Alain Uyttenhoeven diese Strategie, die so gut funktioniert, dass selbst Hingucker wie der neue BMW X4 oder der Range Rover Evoque plötzlich langweilig aussehen. Erstes Kompakt-SUV mit Hybrid von ToyotaDoch so mutig und martialisch der NX auch aussieht, hinter dem bösen Design verbirgt sich gute Technik. Denn als erster und bislang einziger in diesem Segment rollt der NX – typisch für Lexus – als Hybrid an den Start, vor dem Toyota RAV4. An der Vorderachse teilen sich ein 2,5 Liter großer Vierzylinder mit 155 PS und 210 Newtonmetern sowie eine E-Maschine mit 143 PS die Arbeit. Wer für etwa 2.000 Euro die Version mit Allradantrieb bestellt, Quelle: Lexus bekommt noch einen zweiten Elektromotor mit 68 PS im Heck. Der hilft beim Anfahren unter Last oder auf nassen Straßen und sorgt für Sicherheit bei Eis und Schnee – zumindest bis Tempo 60. Danach klemmt die Elektronik die elektrische Hinterachse ab. Bei 180 km/h ist beim NX SchlussDer Hybridantrieb ist gut, weil man mit sanftem Gasfuß zumindest ein paar Hundert Meter elektrisch fahren kann, weil beim Ampelspurt tatsächlich was voran geht und weil der NX damit als Fronttriebler laut Norm nur 5,0 und mit Allrad 5,1 Liter verbraucht. Weniger gut ist die Leistung des NX auf der deutschen Autobahn. Denn wo bei der Konkurrenz die 200er-Marke meist nur eine Formalität ist und manche Modelle bis 250 km/h beschleunigen, ist für den Lexus schon bei 180 Sachen Schluss. Dabei hätte das SUV durchaus das Zeug zu mehr: Die Karosserie ist so bocksteif und stabil, dass sie sich auch von besonders schlechten US-Pisten nicht aus der Ruhe bringen lässt. Die Sitzposition ist betont sportlich. Es gibt verschiedene Fahrmodi, die mit einem Knopfdruck den Charakter von Fahrwerk und Lenkung, Motorsteuerung und der stufenlosen Automatik sowie das Layout im Cockpit ändern. Aber was nutzt der plötzlich prominent eingeblendete Drehzahlmesser, wenn Lust und Leidenschaft im Räderwerk zwischen den beiden Motoren aufgerieben werden? Neuer Turbo-Benziner mit 238 PSDeshalb sollte man entweder auf den neuen Zweiliter-Benziner hoffen, den Lexus als ersten Turbo in der Firmengeschichte im Frühjahr mit 238 PS und 350 Newtonmetern nachreichen will. Oder man lehnt sich zurück, schnauft zweimal durch und genießt ganz entspannt das luxuriöse Hightech-Ambiente des 4,63 Meter langen X3-Konkurrenten. Quelle: Lexus Bei der Materialauswahl haben es die Japaner gut gemeint, vielleicht sogar zu gut. Denn ein paar Knöpfe weniger im Cockpit wären auch kein Schaden gewesen. Das Ambiente ist jedoch vornehm-modern und die Ausstattung auf der Höhe der Zeit. Elektrische Heckklappe und doppelter BodenAuch die Hinterbänkler haben keinen Grund zur Klage: Bei 2,66 Metern Radstand und dem größten Abstand zum Vordermann in diesem Segment muss man nur beim Einstiegen geschickt unter dem coupéhaft eingezogenen Dach durchtauchen. Dann können selbst Erwachsene die Fahrt im Fond genießen. Der NX verfügt außerdem über eine elektrische Heckklappe und elektrisch umlegbare Rücklehnen und einen doppelten Boden: Weil Lexus die Hybrid-Batterien halbiert und unter die Sitzpolster gepackt hat, kann man jetzt auch unter dem Kofferraum noch was verstauen. Ob so viel Familiensinn und Alltagstauglichkeit zum bösen Design und zum fiesen Auftritt passen? Natürlich: Wer so vorlaut vorfährt, der muss ja förmlich eine große Klappe riskieren. |