Anders, aber nicht kauzig: Der Jaguar XF ist in der Business-Klasse eine der wenigen ernsthaften Alternativen zu den üblichen Verdächtigen von Audi, BMW und Mercedes.
Berlin – A, B oder M? Darauf läuft es doch hinaus in der oberen Mittelklasse. A, wie Audi A6, B wie BMW 5er oder M wie Mercedes E-Klasse - wenn man überhaupt nachdenkt. Viele Außendienstler bleiben ihren Marken treu. Was soll eine kleine Marke wie Jaguar da schon ausrichten? Nun ja, der XF kommt im Segment immerhin auf Platz fünf bei den Neuzulassungen - mit Marktanteilen von bis zu zwei Prozent. Kleinkram, aber schöner Kleinkram. Weil er ein bisschen mehr Vielfalt bedeutet. 1. Gang: Die Basis Trotzdem steigt man gerne ein, wenn die bläuliche Innenbeleuchtung lockt. Die edlen, hellen Ledersitze waren auf langen Strecken bequem, vorne wie hinten. Es gibt reichlich Platz für lange Beine, und Dank der Ausformung im Dach auch für große Köpfe. Der tiefe Kofferraum packt 540 Liter Gepäck, irritiert aber mit einer leichten Welle im Boden, etwa auf Höhe der Hinterachse. Einen Überseekoffer bekommt man so nicht ins Heck. Ein Kombi wäre schön, aber für die Baureihe X260 ist kein Sportbrake geplant. Das ist schade für deutsche Handlungsreisende, aber sie sind selber schuld. Die Business-Kundschaft auf dem Kombimarkt Deutschland kauft zu selten vom Briten. Ein Sportbrake lohnt sich für Jaguar nicht. Satte 95 Prozent der Neuzulassungen im Segment entfielen 2015 auf Audi, BMW und Mercedes. 2. Gang: Das BesteVon den dreien hat Jaguar es vor allem auf BMW abgesehen. Ein echtes "Fahrerauto" soll der XF sein, sagt Jaguar. Stimmt, zeigt der Alltag im XF. Da war zum Beispiel dieser Ritt durchs einsame Mecklenburg-Vorpommern. Holprige Landstraße, nass, schmal und kurvenreich (für norddeutsche Verhältnisse). Man dreht den Automatik-Wählhebel in „S“ wie Sport, tippt auf dem Mitteltunnel den kleinen Schalter in Richtung Zielflaggensymbol – und hat Spaß. 3. Gang: Das SchwächsteVor der Spritzwand brummelt aber nur der 2,0-Liter-Diesel. Mit ihm kann der XF ein Griesgram sein. Gar nicht so sehr auf den Spaßetappen, aber auf dem täglichen Arbeitsweg. Da lässt ihn seine Abstimmung in niedrigen Gängen hoch drehen. Beim Beschleunigen erinnert er mit seinem lauten und rauen Lauf immer wieder daran, dass er nicht für den Spaß gemacht ist. Er ist der Motor der Vernunft im XF. Dabei ist er der erste Vertreter einer neuen Motorengeneration namens Ingenium, die Jaguar Land Rover selbst entwickelt hat und selbst produziert. Dafür ist der Verbrauch akzeptabel. Mit weniger als neun Litern waren wir im dichten Stadtverkehr zufrieden. Schließlich war Winter, und die vielen Ampeln viel zu oft rot. Inklusive einiger zügiger Autobahnetappen kam der Test-XF am Ende auf akzeptable 7,5 Liter (Norm: 4,3 Liter). Wobei die Achtgang-Automatik die Drehmomentkurve dort trifft, wo sie ihr Maximum von 430 Newtonmetern hat. Dass der Bereich schmal ist, merkt man nur, wenn man selbst schaltet. 4. Gang: Das Unnötigste An die Bedienung mit einigen Tasten links und rechts vom Touchscreen hat man sich schnell gewöhnt. Leider kam aber jemand auf die Idee, einen Knopf für die Regelung der Sitzheizung einzusparen. Will heißen: Ein Schalter in der Mittelkonsole ruft ein Menü auf dem Touchscreen auf, in dem man dann die Heizung in drei Stufen regelt. Man verbrennt sich vor lauter Menüs nicht den Hintern. Aber es war kalt während unserer Zeit mit dem XF, die Sitzheizung war oft an, schnell zu heiß und musste wieder runter. So tippelt man mit dem Finger viel zu oft zwischen Mittelkonsole und Touchscreen hin und her. 5. Gang: Das WissenswerteMan vergisst das gerne: Jaguar ist sowas wie ein Pionier für Aluminium im Autobau. Der XJ von 2003 sah zwar alt aus (damals hieß das retro), hatte aber eine moderne Alu-Karosserie. Bei der 2. Generation des XF ist auch ganz viel Alu in der Außenhaut. Einen Baukasten hat Jaguar entwickelt, der beim kleineren XE, beim XJ und auch beim SUV F-Pace zum Einsatz kommt. Für den XF heißt das laut Jaguar konkret: bis zu 190 Kilo weniger Gewicht als beim Vorgänger. Beim XF 20d mit Automatik sind es laut Datenblatt 110 Kilo weniger als beim BMW 520d mit Automatik. Wir haben nicht nachgemessen, aber man kann die knappen 1.600 Kilo erfahren. Genau wie die Vorderradaufhängung, die der XF vom Sportwagen F-Type übernimmt. 6. Gang: Das Besondere Design und Bedienkonzept sind Europäisch. Das Motorenangebot bietet alles, was Festland-Vertreter sich von ihrem Dienstwagen wünschen - obwohl Jaguar nur eine schlanke Palette anbietet. Neben dem vernünftigen Diesel 20d mit 180 PS oder 163 PS als Sparversion, gibt es noch den fast vernünftigen 30d mit 300 PS und 700 Newtonmetern Drehmoment. Und den nicht mehr so vernünftigen 3,0-Liter-Benziner mit Kompressor im 35t mit 340 PS. Und dann gibt es den Motor noch im XF-S, wo er sogar 380 PS leistet. Reden wir nicht drüber, wie vernünftig der ist. FazitSo agil und fröhlich wie der XF fährt sich selbst der aktuelle 5er-BMW nicht. Mercedes legt seine E-Klasse ohnehin eher auf Komfort aus und bei Audi gibt es nun mal keinen Hinterradantrieb im A6. Der Jaguar XF macht also vor allem die großen Dinge richtig. Kleine Schwächen hingegen verzeihen wir der kleinen Marke aus Großbritannien. Zugegebenermaßen auch, weil man sich im XF ein bisschen wie der coole Außenseiter mit Stil fühlt. So gesehen könnte man es natürlich auch gleich krachen lassen: Statt 20d also 30d oder gar 35t. Schade nur, dass der Preis dann gleich über 60.000 Euro klettert. Jaguar XF 20d: Technische Daten
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