VW bringt einen Hightech-Motor in die Kompaktklasse: In sechs Monaten startet der „EA 211 evo“, ein 1,5-Liter-Benziner mit Miller-Zyklus und VTG-Lader. Erste Fahrt.
Wolfsburg – Unauffälliger kann man in Wolfsburg und Umgebung nicht unterwegs sein: Golf 7, schwarz, mit BlueMotion-Spoilern und 15-Zöllern. Nun ja, und Braunschweiger Kennzeichen. Viele solcher Autos sind hier unterwegs, einige heimlich auf Testfahrt. Manche für die Akustik, andere für einzelne Elemente neuer Technik. Wir fahren unseren hinter verschlossenen Schranken auf dem VW-Gelände. In ihm arbeitet der neue Volumen-Benziner von Volkswagen. Intern heißt er „EA 211 TSI evo“. Bis die ersten Golf 7 mit neuen Motoren unterwegs sind, dauert es noch ein gutes halbes Jahr. Mindestens bis Ende 2016 wenn das Golf-Facelift startet. Danach kommt der Hightech-Motor auch bei Audi, Skoda und Seat zum Einsatz. Quelle: Volkswagen Bei „EA 211 TSI evo“ handelt es sich um eine stark modifizierte Version des aktuellen 1,4-Liter-Benziners. Die groben Daten: 1,5 Liter Hubraum, ein neues Brennverfahren, viele technische Finessen und zwei Leistungsstufen mit 130 und 150 PS. Fahrt im Prototyp: Der neue Volumenmotor im VW GolfIn unserem Prototyp arbeitet die kleine Version, 130 PS und 200 Newtonmeter stark. Für konkrete Fahrdaten ist es sechs Monate vor dem Serieneinsatz noch zu früh. Es fehlt die finale Abstimmung. Rechnerisch liegt die Höchstgeschwindigkeit bei mehr als 205 km/h, die Beschleunigung auf Tempo 100 bei rund neun Sekunden. Theoretische Werte – VW sagt noch nichts. Wichtiger sind ohnehin: Laufruhe, Komfort und Verbrauch. Wolfgang Demmelbauer, VW-Entwicklungschef für Ottomotoren, verspricht einen deutlich sparsameren Motor, im Prüfzyklus und auf der Straße. Der Evo sei bis zu 15 Prozent effizienter als sein Vorgänger. Unter Volllast spare er einen Liter Sprit pro 100 Kilometer. Frühes Drehmoment und komfortabler Zwei-Zylinder-ModusLaufruhe und Komfort wollen wir jetzt erfahren. Der Motor flüstert im Vorderwagen, im Leerlauf spürt und hört man ihn kaum. Sein Turbo liefert früh viel Druck, früher als seine Vorgänger. Das Moment entfaltet sich schnell, unter Volllast liegen bei 1.000 Touren bereits mehr als 130 Newtonmeter an, ab 1.300 Umdrehungen die volle Kraft. Wir beschleunigen zurückhaltend, im Innenraum bleibt es leise. Der Golf rollt auf die Teststrecke. Quelle: Volkswagen Sportlich fühlt sich der Einsfünfer nicht an, aber agiler als sein Vorgänger. Er spricht spontan an, reagiert feinfühlig aufs Gas und dreht mit mehr Elan hoch. Das Drehmoment fällt bei hohen Drehzahlen nur langsam ab. Erst ab 6.000 Touren geht ihm langsam die Puste aus. Dann dröhnt es etwas im Prototyp – um die Dämmung kümmern sich andere Testwagen. Unbequeme Situationen nimmt der Evo gelassen, trotz nicht finaler Abstimmungen. Schnelle Lastwechsel oder Vollgas bei niedrigen Drehzahlen sind kein Problem. Bei geringer Last schaltet er die mittleren Zylinder ab – bisher konnte das nur die Version mit 150 PS. Gut: Die Ingenieure haben dem Motor den leicht unrunden Lauf im Zwei-Zylinder-Modus abgewöhnt. Das Lenkrad im Prototyp zittert nicht. Bis zu 80 Newtonmeter Drehmoment schafft der EA 211 evo auf zwei Zylindern. Wie lange es diese Technik noch geben wird, ist hingegen ungewiss. Einen Vorteil gibt es vor allem bei NEFZ-Testfahrten. Im WLTP-Zyklus schrumpft der Verbrauchsvorteil auf ein unwirtschaftliches Maß. Zudem werden die Motoren im Teillastbetrieb ohnehin effizienter. EA 211 evo: Miller-Zyklus und VTG-LaderWie der neue Vierzylinder im Golf arbeitet, erklärt Demmelbauer bei offener Motorhaube. Der Zusatz „evo“ im Namen des Motors klingt nach Facelift, tatsächlich ist fast alles neu. Auf ihm sitzt eine vorläufige Abdeckung und ein provisorischer Kabelbaum. Ganz hinten, kurz vor der Spritzwand, deutet ein kleiner Hebel das Highlight des Motors an: Er verstellt die Turbinengeometrie des Turboladers. Quelle: Volkswagen Ein Turbo mit variabler Turbinengeometrie an einem Benziner, das gibt es bisher nur bei Porsche. Die Abgastemperaturen liegen höher als bei Dieselmotoren, passende Bauteile kosten viel Geld. Bei VW soll die Kombination trotzdem erstmals in Großserie starten. Dafür haben Demmelbauer und sein Team die Abgastemperatur gesenkt. Der Motor schließt seine Einlassventile, bevor der Kolben den unteren Totpunkt erreicht hat. Im Motor entstehen günstigere Drücke, eine überarbeitete Version des sogenannten „Miller-Zyklus“. Zudem fließt Kühlwasser durch den Abgaskrümmer. Die Abgase sind am Turbo nur rund 850 Grad heiß. Bei einem 2,0-Liter-TDI mit 190 PS (ebenfalls mit VTG-Lader) werden sie etwa 30 Grad wärmer. Es bleibt also sogar etwas Polster. Ein Nebeneffekt: Bei Volllast muss der Motor nicht mit Benzin kühlen, der Verbrauch sinkt. Ein neuer Zylinderkopf und Eisen an den LaufbahnenDarüber hinaus verringert VW die Reibung. Das erste Hauptlager der Kurbelwelle bekommt eine Polymer-Beschichtung, erklärt Demmelbauer. Auf die Zylinderlaufbahnen trägt VW eine spezielle Beschichtung auf: Eisenpulver wird mit einem Laser erhitzt und auf das Aluminium des Blocks gespritzt („APS-Verfahren“: atmosphärisches Plasmaspritzen). Die Schicht misst 120 Mikrometer. Danach folgt ein angepasstes Hohnverfahren. Üblicherweise dient ein Draht als Basis für die Beschichtung. Durch die Umstellung auf Pulver ließe sich langfristig Keramik auftragen. Im Zylinderkopf ändern sich die Winkel von Einlasskanälen und Ventilen. Eine neue Brennraumform hilft, dass die angesaugte Luft besser verwirbelt. Einspritzdüsen drücken den Kraftstoff mit 350 bar (bisher: 200 bar in der 1,4-Liter-Version) hinein, es entstehen feinere Tröpfchen und eine gute Durchmischung. Zukünftige Abgasnormen seien kein Problem. „Der ist wetterfest für viele Jahre“, sagt Demmelbauer. Golf 7 Facelift: 1,5-Liter-Benziner im BlueMotion-GolfVermutlich deutet die Mule-Karosserie bereits die Zukunft des kleinen 1,5-Liter-Benziners an. Er könnte im Golf 7 Facelift als „BlueMotion“-Variante starten und dort den 1,0-Liter-Dreizylinder ablösen. Den würde VW dann ohne Spritspar-Optionen für einen günstigeren Preis anbieten, eine schwächere Variante wird neuer Einstiegsbenziner. Eine Top-Version mit 400 PS wird es nicht geben, der Golf R wird jedoch voraussichtlich zehn PS stärker. Das Golf 7 Facelift startet Ende 2016. Neben den neuen Benzinern wird es 300 Kilometer Elektro-Reichweite für den E-Golf geben, außerdem ein stark überarbeitetes Infotainment-System. VW installiert ein größeres Display, außerdem startet Gestensteuerung im Golf. Gleichzeitig sollen Schalter und Knöpfe verschwinden. Der EA 211 evo löst die 1,4-Liter-Versionen ab. Demmelbauer sagt, dass er langfristig als Basis für Plug-in-Hybride (im Golf, Passat und Tiguan GTE) dienen wird, eine Erdgas-Version ist ebenfalls geplant. Zunächst gibt es den EA 211 evo aber nur als normalen Benziner. |