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X-Games in München - Flieg, Fiesta, flieg

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Klein, weiß und irre schnell: Wenn Rennfahrer Toomas Heikkinen seinen Fiesta lenkt, lehrt er mich das Fürchten. Eine Mitfahrt mit einem Rallycross-Profi.

MT-Reporterin Lena Reinhard bei den X-Games in München MT-Reporterin Lena Reinhard bei den X-Games in München Quelle: Lena Reinhard

Von MT-Reporterin Lena Reinhard

Berlin - Hinter mir liegt eine kurze Nacht, vor mir ein rasanter Tag. Ich fahre nach München. Um 4.30 Uhr klingelt der Wecker. Dafür gibt es einen irre schnellen Grund: der weiße Ford Fiesta des Finnen Toomas „Topi“ Heikkinen.

Heikkinen ist einer der Fahrer des Global Rallycross (GRC) bei den ersten Münchener X-Games. Das ist eine Extremsportveranstaltung, die mit einem Tross aus Athleten, Mechanikern, Fahrzeugen und weißen Kuppelzelten in blauen Containern um die Welt reist. Eigens für das Rennen wurde der FröttmaRing aufgebaut, ein 807,3 Meter langer Rundkurs, der zu 60 Prozent aus Schotter und Dreck besteht.

Das Besondere an dem Ring sind zwei Haarnadelkurven und ein Table Jump, eine plateauförmige Schanze, die die Fahrer liebevoll „Bunny Jump" nennen. Aufgrund des extrem kurzen Anlaufs aus einer Kurve heraus ist es praktisch unmöglich, das Ganze in einem Satz zu überspringen. Die Autos fliegen also ein Stück, kommen auf und hüpfen noch einmal kurz hoch.

Ein grüner Reifenstapel am Rande der Strecke Ein grüner Reifenstapel am Rande der Strecke Quelle: Lena Reinhard

Gesprungen wird nur ohne Beifahrer

Beim Blick auf den Jump kurz nach meiner Ankunft in München meldet sich mein Selbsterhaltungstrieb. Auch mein Magen äußert Bedenken. Doch der Veranstalter fegt alle Sorgen davon: Die Fahrer springen ausschließlich beim Rennen, nicht, wenn jemand mit ihnen im Auto sitzt.

Das entspannt meine Muskeln und meine Gedanken. Kurz. Dann sagt einer der Ingenieure Heikkinens: Der Schotter ist mangels Regen viel zu lose, die Reifen der Autos werden kaum Halt finden. Das flaue Gefühl in meinem Magen wird wieder stärker.

Dann endlich geht es los. Toomas „Topi" Heikkinen ist mein Chauffeur. Der 22-jährige Finne ist drahtig und einen Kopf kleiner als ich. Er nimmt seine verspiegelte Sonnenbrille erst ab, als er seinen Helm aufsetzen muss. Vor genau einem Jahr hatte er bei einem Sprung über eine 15-Meter-Lücke einen spektakulären Unfall. Bei seinem letzten Rennen ging er als Dritter ins Ziel. Er ist der Mann, der mich zusammen mit seinem Auto das Fürchten lehren wird: 2,0 Liter Hubraum, vier Zylinder, ein Garrett-Turbo, 550 PS, von 0 auf 100 in 1,875 Sekunden.

Ein Helm und ein roter Rennoverall

Heikkinen fährt Rennen, seit er sechs Jahre alt ist. Ich habe nur einen Führerschein Klasse B, seit ich 18 bin. Und ich fahre gern Achterbahn. Für die Fahrt über den Schotter schlüpfe ich in einen roten Der Ford Fiesta von Toomas Heikkinen Der Ford Fiesta von Toomas Heikkinen Quelle: Lena Reinhard Rennoverall, setze einen Helm auf und tue, wofür ich gekommen bin: Ich steige in den weißen Fiesta mit den blauen Streifen. Und das ist gar nicht so einfach: Ich klettere über die Metallrohre an der Beifahrertür und bemühe mich, nicht auf die Kabel im Fußraum zu treten. Dann lege ich den Sechspunktgurt so eng an, dass ich gerade noch atmen kann.

Der umgebaute Ford Fiesta ist dank starkem Motor und kurzem Radstand das ideale Rallye-Auto. Allerdings ist er nicht für Beifahrer ausgelegt, eigentlich nicht einmal für Fahrer. Dieser hat zwischen all den Rohren gerade noch genug Platz, um am Lenkrad zu rudern und Gas zu geben. Die Seitenspiegel sind nicht einmal handflächengroß. Statt der üblichen Anzeigen am Armaturenbrett gibt es nur das Lenkrad - und eine sehr große LCD-Anzeige, die Gang und Drehzahl anzeigt. Ein menschenfeindliches Auto.

Eine Achterbahn ist ein Witz dagegen

Dann stehen wir am Start, Heikkinen und ich. Wir werden eingezählt, fünf, vier, drei, zwei, eins, null, und rasen los. Die Beschleunigung presst unsere Körper in die Sitze, kracht in den Magen, eine Achterbahnfahrt ist ein Witz dagegen. Der Lärm ist trotz Helm ohrenbetäubend, das Auto stinkt von der ersten Sekunde an nach Benzin und Gummi.

Es ist heiß und wird immer heißer. Um uns herum Staub und Dreck. Als ich die Strecke wahrnehme, sind wir längst in der ersten Kurve, wir rasen auf einen grünen Reifenstapel zu. Wir fahren so dicht daran vorbei, dass ich die Feinheiten des Reifenprofils erkennen könnte, wären wir nicht so schnell.

Jetzt kommt der Table Jump. Zum Glück darf Heikkinen mit mir nicht springen. Während ich das denke, gibt tritt mein Chauffeur aufs Gas. Wir heben ab, fliegen, fliegen, fliegen und krachen auf den Boden. Noch ist es nicht überstanden. Wir hüpfen noch einmal ein kleines Stück weiter, bis wir wieder Boden unter den Rädern haben.

Die Autos in Reih und Glied, kurz bevor es losgeht Die Autos in Reih und Glied, kurz bevor es losgeht Quelle: Lena Reinhard Dann geht es in die zweite Haarnadelkurve, auch hier steht ein Reifenstapel in unserer Bahn. Heikkinen reißt wild das Lenkrad hin und her, das Auto driftet. Die letzte Kurve, über die Start- und Ziellinie. Jemand schwenkt die weiße Fahne. Dann dasselbe noch einmal. Jetzt sehe ich aus dem Augenwinkel die Zielflagge. Die letzte Runde über den Kurs fahren wir ganz gemächlich, wie bei einer Streckenbegehung.

Beim Aussteigen sind meine Knie so stabil wie eine Sandburg nach einer großen Welle. Heikkinen schwitzt und wischt sich die Tropfen von der braungebrannten Stirn. Noch ein Foto. Dann ziehe ich meinen Overall aus und das Spektakel ist zu Ende. Heikkinen wird denselben Kurs heute noch über zwanzig Mal fahren. Ohne mich. Das Kribbeln in meinem Magen bleibt aber für den Rest des Tages.

Heikkinen rast zum Sieg

Zum Start des Finales stelle ich mich an der Startlinie direkt hinter die Autos, um noch einmal so nah wie möglich an den Fahrzeugen zu sein. Es geht los: Zuerst schnurren die Motoren wie kaputte Rasenmäher, ganz leise. Doch je näher der Start rückt, desto grimmiger wird das Geräusch.

Ein Mann im orangefarbenen Overall hält die rote Zeittafel mit den weißen Ziffern hoch. Noch 30 Sekunden, noch 10. Er rennt zur Seite, eine, zwei, drei, vier, fünf rote Lampen leuchten. Ein winziger Augenblick, in dem alle den Atem anhalten.

Dann leuchten die fünf grünen Lichter gleichzeitig auf und alle Fahrer lassen die Kupplungspedale springen. Die Motoren heulen und brüllen, dass meine Trommelfelle flüchten möchten. Fehlzündungen knallen aus den Auspuffen, schwarze Wolken stieben hinterher, Reifen quietschen, Staub wirbelt hoch. Bis ich das alles registriert habe, sind die Autos schon längst hinter der ersten Kurve verschwunden. Toomas Heikkinen gewinnt das Rennen. Auch für ihn war es ein rasanter Tag.

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