Geniales Konzept oder nur heiße Luft? Seit vier Jahren tüfteln Bosch und der PSA-Konzern an einem Druckspeicher-Hybrid. Jetzt fahren die ersten Prototypen über die Straßen.
Paris - Akku-Antrieb, Plug-In-Hybrid, Brennstoffzelle – spätestens seit dem Siegeszug von Tesla wirkt die ganze Autowelt wie elektrisiert. Die ganze Autowelt? Nein! Ein kleiner und gerade nicht sonderlicher gesunder Konzern aus Frankreich pfeift auf Lithium-Ionen-Akkus, E-Maschinen und Hochvolt-Technik und geht seinen eigenen Weg. Um den CO2-Ausstoß auf breiter Front zu drücken und alternative Antriebe auch für die preissensiblen Kleinwagen möglich zu machen, arbeitet der PSA-Konzern seit Jahren an einem Hybrid-Antrieb mit Druckspeichertechnik. Zwar bieten die beiden Marken Peugeot und Citroën beide pflichtschuldig auch ein bei Mitsubishi eingekauftes Elektroauto an und am oberen Ende ihrer Modellpalette stehen Diesel-Hybriden mit elektrisch angetriebener Hinterachse. „Doch die Zukunft unsere Volumensegmente sehen wir im Hybridair-Konzept“, sagt Karim Mokaddem. Er ist Quelle: PSA Projektleiter bei PSA und hat gemeinsam mit Bosch nun schon vier Jahre geforscht und getüftelt, wie man ein Auto mit Luft fahren lassen kann. Und wenn es nur ein paar Hundert Meter sind. Kostenvorteil gegenüber Elektro-HybridantriebenDass Mokaddem so sehr an dieser Idee hängt, hat viele Gründe. Zu allererst nennen die Entwickler die Kosten, die bei vergleichbaren Stückzahlen deutlich unter denen eines Elektro-Hybriden liegen. So kann man selbst bei Stadtautos wie dem Peugeot 2008 oder dem Citroën C3 noch Geld verdienen. Außerdem sei das Handling eines Drucktanks viel leichter als das eines Lithium-Ionen-Akkus, sagt Bosch-Projektleiter Christian Mecker: Egal, ob bei Produktion, Reparatur oder Entsorgung. Und auch der Fahrer hat von der Luftnummer nur Vorteile: Zwar surrt ein Hybridair viel kürzer ohne Verbrenner als ein konventioneller Hybrid. Doch weil der Speicher mit der überschüssigen Bremsenergie schon nach zehn Sekunden und nicht erst nach mehreren Minuten wieder voll ist, hat der Benziner dafür viel öfter Pause: „Bis zu 80 Prozent der Fahrzeit im dichten Stadtverkehr schaffen Quelle: PSA wir so ohne Emissionen“, sagt Mokaddem und verspicht bis zu 45 Prozent weniger CO2-Ausstoß: „Damit wird das Zwei-Liter-Auto greifbar.“ Erste Stadtfahrt durch ParisBislang waren das je nach Perspektive eine tolle Vision oder jede Menge heiße Luft. Doch jetzt können Mokaddem und Mecker mit den ersten Prototypen bei einer Stadtfahrt durch Paris beweisen, dass sich die überschüssige Energie mit Pumpe und Hydrauliköl tatsächlich in einem Stickstofftank speichern und über einen Hydraulikmotor wieder abrufen und zum Fahren nutzen lässt. Das klingt zwar ein bisschen eigen, wenn man die Ohren spitzt und auf den ersten Metern ganz genau hinhört. Doch im Grundrauschen der Großstadt wird dieses zwitschernde Geräusch schnell verschluckt und der umgerüstete Peugeot 2008 schwimmt ganz unauffällig im dichten Verkehr über die Avenue Foch – mal mit dem Verbrenner, mal nur mit dem Hydraulikantrieb und mal mit kombinierter Kraft. Welcher Motor gerade läuft, das erkennt man nur beim Blick auf den Monitor in der Mittelkonsole, wo orangefarbene und blaue Pfeile übers Bild wandern und die blaue Druckblase im Mitteltunnel rasant größer oder kleiner wird. Und man merkt es beim Kavalierstart an der Ampel. Dann nämlich packen beide Motoren mit voller Kraft zu. Zu den 82 PS des Dreizylinder-Benziners gesellen sich 41 PS aus der Quelle: PSA Hybrid-Maschine. Der Sprintwert fällt unter zehn Sekunden und wer mag, lässt dabei sogar die Reifen quietschen. Da sind dann plötzlich sogar die gut zwei Zentner mehr Gewicht vergessen, die durch die Motor-Getriebeeinheit, den Drucktank und den Ausgleichsbehälter ins Auto kommen. Weitere Partner gesuchtBosch und die PSA-Marken sind mehr denn je überzeugt von ihrem Konzept. Schließlich ist der 2008 Hybridair jetzt auch auf dem Prüfstand schon mit einem Normschnitt von 2,9 Litern zufrieden. Doch ganz alleine gegen den Strom wollen sie doch nicht schwimmen. „Im Grunde ist die Technik soweit, dass wir damit in drei Jahren in Serie gehen können“, sagt Bosch-Mann Mecker. „Aber bevor wir die nächsten Entwicklungsschritte machen, müssen wir uns noch ein paar Mitstreiter bei der Konkurrenz suchen.“ Denn ohne den passenden Business-Case kann das große Sparen bei den kleinen Autos dann wohl doch nicht beginnen. Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht |