Wer als Autohersteller in China zu wenig oder keine Autos verkauft, hat Probleme. Wer in China verkauft, aber auch: Know-how-Abfluss und sich schnell verändernde Rahmenbedingungen.
Shanghai - Der Saal im Anting Automobile Exhibition Center bei Shanghai ist voll besetzt. Mit stockender Stimme reiht Jochem Heizmann, VW-Vorstand für den Geschäftsbereich China, Sätze aneinander. Sie bedeuten alle eines: Sorry. Der VW-Konzern entschuldigt sich bei seinen chinesischen Kunden, nach Problemen mit der DSG-Technik. Eine Geste der Demut. Es sind diese Momente, in denen man versteht, wie wichtig China ist. Wichtiger als der Stolz eines Weltkonzerns. Wichtiger sogar als Prinzipien erfolgreichen Wirtschaftens: In China gibt es nun unverhältnismäßige 10 Jahre oder 160.000 km Garantie auf die betroffenen Getriebe. Gewinne gegen Know-howChina lockt, auch in einer schwächeren Phase von "nur" noch 8 % Absatzwachstum. 2012 verkaufte allein VW 2,8 Millionen Fahrzeuge in China, das ist nur unwesentlich weniger als der gesamte Absatz aller Autos auf dem deutschen Markt. Und immer mehr Chinesen können und wollen sich ein Auto leisten. Aber: Wer hier Autos verkaufen will, muss manche Kröte schlucken. Ohne ein Joint Venture mit einem chinesischen Konzern geht nichts. So bezahlen absatzhungrige Autobauer für sprudelnde Gewinne in harter Währung: Know-how. Zwangsläufig schrumpft der technische Vorsprung des Westens gegenüber chinesischen Automobilbauern. Dauert es zwei, fünf oder zehn Jahre, bis aus China gleichwertige Qualität kommt? Niemand weiß es. Das Polster schwindet zügig. Trotzdem, angesichts von 25 Prozent Einfuhrsteuer ist der Import ab einer gewissen Stückzahl keine echte Alternative zur Produktion vor Ort. Die Politik der VR funktioniert: Westliche Konzerne investieren in Wachstum und Jobs, ihre lokalen Partner erlernen westliches Produktions- und Entwicklungswissen. So sieht manche Brilliance-Limousine dem 5er-Modell des Partners BMW sehr ähnlich und Mercedes-C- und E-Klassen entstehen beim Daimler-Partner BAIC. Qualitativ vergleichbar mit deutschen Autos, sagt Daimler - mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Auch Chinesen wissen nun, wie man einen Mercedes baut. Kaufen statt kopierenFür deutsches Patentrecht oder Designschutz hat China maximal Achselzucken übrig. Kopieren gilt in Asien als höchste Form des Kompliments. Dreiste Nachbauten zeigen chinesische Hersteller in Shanghai allerdings kaum noch, denn sie haben es nicht mehr nötig. Manch westliche Autoschmiede wurde von Chinesen aufgekauft: Volvo, Saab, MG-Rover. Europäer könnte es am MG-Stand schaudern. Die Marke gehört seit 2005 zu SAIC Motor und stellt in Shangai ihr drittes Modell vor, den MG 3. Äußerlich ein Kleinwagen aus Fernost, stammt der MG 3 aus britischer Entwicklung und soll in Birmingham gebaut werden. Er sei ein "british supermini with an 80 year history, adored by royalty", bewirbt SAIC den Billigbomber. Neue Normen, neue AnsprücheChina verheißt große Gewinne, aber der Markt wird zunehmend komplexer. Mercedes-Händler erzählten bisher abenteuerliche Geschichten: Kunden fragten nach dem Teuersten, was da war und fuhren mit einem G 63 AMG wieder weg – direkt aus dem Lagerbestand, ohne Sonderwünsche, oft bar bezahlt. Ob das so bleibt? In Ballungsräumen müsste besagter Mercedes-Kunde unter Umständen lange auf eine Zulassung des Edel-Geländewagens warten. In Peking müsste der AMG seit März 2013 zusätzlich die Schadstoffnorm China-V erfüllen. Das trifft auch einheimische Hersteller, die bisher hauptsächlich China-IV-Motoren bauen. Wie der Autobauer Chery aus der Provinz Anhui. Dort hält man die Umstellung der Motorenpalette für lösbar. Abgasnormen sind für Chery nicht neu, man produziert mittlerweile in der Ukraine, Russland, Iran, Malaysia, Indonesien, Venezuela und Uruguay. Kommen die chinesischen Fabrikanten aus ihrer Nischenrolle heraus? Experten sagen: Ja, wenn sie in der Lage sind, sich auf Herausforderungen wie Internationalisierung, Umweltschutz und Elektromobilität einzustellen. Kapital ist genug da und Japaner und Koreaner haben vorgemacht, wie man in Europa und Amerika Fuß fasst. Auf veränderte Bedingungen in China müssen sich auch die europäischen und amerikanischen Konzerne einstellen. Auf strenge Umweltnormen etwa. In Ballungsgebieten ist der Himmel gelb vor Smog, China muss und wird reagieren. In Peking etwa wird diskutiert, ob künftig nur noch Elektroautos ohne Probleme zulassungsfähig sein sollten. Mit wachsendem Wohlstand in breiten Bevölkerungsschichten werden sich auch die Autokäufer verändern. Beobachter rechnen mit einem erhöhten Bedarf an weniger luxuriösem Blech: Die Mehrzahl der Chinesen, die bis 2020 ein Auto kaufen, wird voraussichtlich unter 25.000 US-Dollar im Jahr verdienen. Dafür bekommt man keinen G 63 AMG. |