Leistung, Handling und Design gegen Staub, Schlaglöcher und 900 Kurven. MT-Redakteur Philipp Monse folgte mit einer 235-PS-Giulietta den Spuren der Targa Florio.
Campofelice - Sizilien geht es schlecht. An den Stränden und auf den malerischen Weiden der Madonien sammelt sich der Müll haufenweise. Hier fand einmal eines der bekanntesten Rennen der Welt statt. Doch heute sind die Straßen, durch die bis vor 35 Jahren viele tausend PS fuhren, gezeichnet von Verfall: aufgerissen, unterspült, vernachlässigt. Vor den Hauseingängen und auf den Plätzen von Cerda, Collesano und Campofelice sitzen alte Italiener mit lederner Haut. In ihren Köpfen schlummert die Erinnerung an die legendäre Targa Florio. PS-Tradition Fritz Opel, Enzo Ferrari oder Stirling Moss fuhren später auf dieser Strecke. Porsche benannte im Anschluss an die vielen Erfolge auf Sizilien ein Auto nach ihr, den legendären 911/912 Targa. Auf der auf 72 km verkürzten Strecke stellte Helmut Marko, der heutige Chef von Red Bull Racing, 1972 einen Rekord für die Ewigkeit auf. In einem Alfa Romeo Tipo 33 fuhr er im Rennen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 128,25 km/h. Er nannte die Targa einmal "Nordschleife hoch Drei". Mit 235 PS durch 900 KurvenHeute ist die Strecke nur noch der zerklüftete Schatten der Targa Florio. Und ich fahre sie zum ersten Mal. Den alten Spuren in bester Tradition folgend, steuere ich einen Alfa Romeo. Die schönen Kotflügel der Giulietta QV ziert ein vierblättriges Kleeblatt. Das "quadrifoglio verde" soll dem Fahrer Glück bringen, so wie es einst Ugo Sivocci Glück brachte. 1923 startete der abergläubische Italiener hier mit der Startnummer 13. Das Kleeblatt, das ihm die Mechaniker zur Abwehr drohenden Unglücks auf seinen Alfa malten, ziert bis heute die sportlichsten Modelle der Fiat-Tochter. Sivocci gewann die Targa zum ersten Mal für Alfa Romeo. Mit dieser Leistung fliege ich vorbei an verdorrten Wiesen und eingefallenen Hütten. Rein rechnerisch erwartet mich alle 80 Meter eine Kurve. Aber teilweise fühlt es sich an, als würde man auf einem Parkplatz eine Acht fahren. Die rechte Hand wechselt hektisch zwischen Lenkrad und Schalthebel. Beschleunigen, Bremsen, Runterschalten, Lenken, Beschleunigen, Hochschalten... Immer wieder. Mehr als drei von sechs Gängen benötige ich dabei nicht. Ob die Giulietta aus dem Stand in den versprochenen 6,8 Sekunden auf 100 km/h sprintet kann ich nicht überprüfen. Ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt auf 100 km/h komme. Mein Blick heftet sich stur auf die Straße. Zeit für den Tacho habe ich nicht. Bis zur nächsten Kehre, und dem Abgrund dahinter, geht es viel zu schnell. Immer wieder muss ich den Brembo-Anker werfen. Nicht nur vor den Haarnadelkurven, sondern auch vor dezimetertiefen Kratern und Rissen. Deren Bekanntschaft würde das harte, um 1,5 Zentimeter tiefergelegte Fahrwerk der sportlichen Giulietta nicht überleben. Das jedes anderen Autos vermutlich auch nicht. Endspurt Doch es ist nur ein kurzer Schauer, und der Himmel reißt auf. Während ich auf der längsten Geraden der Targa Florio an der Küste Siziliens entlang fahre, atme ich tief durch. Ist das möglich? Kann ein Mensch diese Strecke mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit (!) von 128 km/h gefahren sein? Mit durchgeschwitztem Hemd und immer noch reichlich Adrenalin im Blut stelle ich die schöne Giulietta auf einen Parkplatz in der Nähe des alten Fahrerdomizils bei Campofelice. Dann schaue ich auf den Tacho: Durchschnittsgeschwindigkeit 39 km/h – Die schnellsten 39 km/h meines Lebens.
Alfa Romeo Giulietta QV - Technische Daten
Fotos: STEREOSCREEN , MOTOR-TALK Quelle: MOTOR-TALK |
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