Im Rahmen der Vorstellung des neuen Astra GTC wurden wir auch durch das Opel-Werk geführt. 2,5 qkm Geschichte - trotz modernster Abläufe. In der gewaltigen Anlage - 1,5x so groß wie Monaco, wie „Probefahrer“ Alex Kahl flink ausrechnet - produziert Opel heute den Insignia sowie Teile, insbesondere Stahlblech-Karosserieteile, für alle Opel-Werke in Europa. Außerdem befindet sich hier das GM-Entwicklungszentrum mit rund 7.000 Mitarbeitern. Auf der Produktionsstrecke herrscht aber natürlich absolutes Fotoverbot, weshalb es auch praktisch nichts zu zeigen gibt. Man zeigt uns einen notdürftig mit ein paar Fahraufnahmen des Insignia modernisierten, älteren Film über die Opel Automobilproduktion am Standort Rüsselsheim. Die Vectras und Signums, an die man sich heute am besten gar nicht mehr erinnern will, sind in diesem Film noch sehr präsent. Hier werden ihre Bleche gepresst, ihre Armaturen verschraubt und ihre Motoren vormontiert. Beeindruckend ist allerdings die Montagehalle. Wusstet Ihr, dass die Hochzeit ein Opel-Patent aus den 30er Jahren ist? Klingt komisch, hat aber trotzdem was mit Auto zu tun: Karosse und Fahrgestell werden hier, mittlerweile komplett automatisch, „verheiratet“. Auf mehreren Ebenen schlängelt sich der Produktionsfortschritt durch die prozessual und von der Raumnutzung erschreckend komplex beplante Halle. Wer schon mal einen Ego Shooter wie die Jedi Knight Serie gespielt hat, kann die Parallelen nicht übersehen. Opel hat kein Museum, sondern eine Sammlung Ein Opel-Museum gibt es bis heute nicht. In einem Zeitungsbeitrag des Vereins Alt-Opel aus 2008 wird ein Museum für Mitte 2011 angekündigt, aber im Juli 2011 führt die Werksbesichtigung immer noch in eine stillgelegte, unsanierte Gewerbehalle auf dem riesigen Rüsselsheimer Werksgelände. Opels Sorgen kreisten zuletzt eben eher um die Zukunft als um die Präsentation der Vergangenheit. Ein schäbiges Garagentor deutet nicht an, dass sich in diesem Gebäude eine der vermutlich bedeutendsten Automobilsammlungen der Welt verbirgt. Etwa 2/3 der Halle stehen voller Autos, fast jedes einzelne davon erzählt eine Geschichte, die für eine eigene Reportage ausreichen würde. Die Autos stehen teilweise in Doppelreihe und hintereinander. Es ist kein Platz da, um sie herumzugehen oder auch nur, sie ordentlich zu fotografieren. Das Ganze ist nun mal kein Museum, sondern eher ein Sammelsurium, eben: Die Opel-Sammlung. Das schmälert den Komfort, schafft aber auch eine sehr eigene Atmosphäre: 113 Jahre Automobilbaugeschichte mal eben irgendwie abgestellt, Hauptsache regensicher. Korrigiere, nicht ganz 113 Jahre: Aus den letzten 30 Jahren findet sich mit Ausnahme einiger Touren-Sportwagen praktisch kein Fahrzeug. Wie zu hören ist, gibt es zu der Halle noch einen Keller, in dem mindestens noch mal so viele Fahrzeuge stehen. In einem abgesperrten Teil der Ausstellungshalle wird zudem offen an anderen Tagen an noch nicht restaurierten Klassikern geschraubt und geschweißt. Hier ist für Besucher leider kein Zutritt. Aber auch so gibt es genug zu sehen. Z.B. einen Opel-Patentmotorwagen System Lutzmann von 1898, das erste Kraftfahrzeug aus dem Hause Opel. Oder eine Opel-Darracq Voiturette (1902-1907). In der Zeit der Weimarer Republik gab Opel den Ober-Hausaufgabenabschreiber seiner Zeit und schaute sich bei den Pionieren des industriellen Automobilbaus so einiges ab: 1924 wurde das Werk Rüsselsheim als erste Autofabrik in Deutschland mit Fließbändern ausgestattet, erfunden vom Amerikaner Henry Ford. Auf den Bändern produzierte Opel das Erfolgsmodell „Laubfrosch“, ein Plagiat des Citroën 5HP. André Citroën klagte gegen die Hessen, verlor aber - immerhin hatte der Opel einen anders geformten Kühlergrill und war grün lackiert, nicht gelb wie der Citroën. 1928 war Opel der größte Autohersteller Deutschlands mit fast 10.000 Mitarbeitern und einer Jahresproduktion von 42.771 Autos. Das weckte Begehrlichkeiten: Im Folgejahr kaufte General Motors das Unternehmen für damals astronomische 33,352 Millionen Dollar. Sepp Herbergers Dienstwagen Das Logo mit dem Blitz wurde übrigens erst 1963 eingeführt. Die Blütezeit Opels lag aus heutiger Sicht sicher in den 60er und 70er Jahren. Opel hatte eine Modellpalette, die vom einfachen Kadett bis zu den großen Schlachtschiffen Admiral, Diplomat und Kapitän reichte. Aus dieser Zeit stammt auch ein Großteil der ausgestellten Fahrzeuge. Man orientierte sich am Design der US-Mutter und übernahm auch viele Motoren und Konstruktionsweisen, insgesamt hatte Opel aber ein klar europäisches Profil. Berühmt ist z.B. der zweimillionste Opel, ein vergoldeter Kapitän von 1956. Oder der (inzwischen) grüne Rekord B, der einst Sepp Herberger als DFB-Dienstwagen diente. Oder die Prototypen des Bitter CD von 1973, einer Kooperation zwischen Opel, Erich Bitter und dem Stuttgarter Karosseriehersteller Baur. Und natürlich der Opel GT, den es hier in zig Vorserien- und Serienversionen zu sehen gibt. Wie gesagt, fast jedes Auto in dieser Halle erzählt seine Geschichte, nur ein kleiner Teil allerdings tut das auf Schautafeln. Die meisten Fahrzeuge stehen einfach kreuz und quer herum. Viel zu schnell für die altblechverrückte Truppe ist der Besichtigungstermin beendet. Wer es selbst einmal sehen möchte, die Sammlung kann im Rahmen der Werkstour in Rüsselsheim besichtigt werden. Die kommt übrigens auch recht unprätentiös daher: Anmeldungen sind nur für größere Gruppen erforderlich, der Eintritt ist kaum teurer als ein Döner in Frankfurt. (bmt)
Quelle: MOTOR-TALK |
verfasst am 25.07.2011
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