Berlin – Rush Hour morgens, Rush Hour abends und dazwischen jede Menge Verkehr. In ganz Berlin ist das ganz normal. In der Mittagspause mal schnell einen Termin in Potsdam wahrnehmen? Das wird schnell zur Nervenprobe. Wie gut, wenn das Auto ein Ford Focus mit 1,0-Liter-Dreizylinder ist. Der wirkt besänftigend, ohne zu langweilen.
Blech & FormWas am Focus auffällt? Er ist unauffällig. Es sei denn, er trägt die Farbe Mustard Olive-Gelb Metallic. Oliven und Senf. Ja, man kann über Geschmack streiten, auch bei der Farbe. Der 5-Türer ist 4,36 Meter lang und 2,01 Meter breit. Im Grunde ein typisches Kompaktauto, das zwar gut ausschaut, aber aus dem man nach hinten schlecht rausschaut. Abhilfe schaffen die Parksensoren und auf Wunsch auch der tadellos funktionierende Einparkassistent (Active Park Assist): Knopf drücken, an der Lücke vorbei, Hände vom Lenkrad und rein. Koffer & RaumDer Innenraum der Titanium-Ausstattung wirkt gut verarbeitet und robust. Gefallen haben die silbergrauen Plastikelemente in der Mittelkonsole in der Redaktion aber niemandem. Vorne wie hinten sitzt man im Focus bequem, aber irgendwie krumm. Die Grundposition des verstellbaren Lenkrades zwingt mich zum schiefen Sitzen. Das Lenkrad soll sich sportlich anfühlen, aber die vielen Wölbungen zwingen den Fahrer zur steten Viertel-vor-Drei-Stellung. So soll es sein, aber mit weniger Zwanghaftigkeit wäre es schöner. Der Kofferraum schluckt für einen Kompakten normale 363 Liter. Mit umgeklappten Rücksitzen wächst der Stauraum auf 1148 Liter (VW Golf: 380 - 1.270 Liter). Kraft & QuelleRichtig wenig soll der Focus mit dem ersten Dreizylinder schlucken. Das 97-Kilo-Motörchen wurde vielfach gepriesen und ausgezeichnet. Aber ist es wirklich so gut? Die Antwort: Wer es nicht besser weiß, wird von allein auf keinen Dreizylinder tippen. Das ist erstmal gut. Aber wer es weiß, der ist beeindruckt. Und das ist spitze. Die drei Töpfe fahren sich spritzig, mit gutem Anschub von unten. Ab 1.500 Umdrehungen liegen die 170 Newtonmeter Drehmoment an. Die Angst, dass der Mini-Motor zu schwach ist, verflüchtigt sich beim Tritt aufs Gaspedal. Ansprechverhalten und Durchzug des Turbos sind beeindruckend. Es mag an versteckter Psychologie liegen, aber 12,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h fühlen sich in Fords 1-Liter-Auto erstaunlich schnell an. Ein Turboloch kennt der Direkteinspritzer nicht. Und auch keine lästigen Vibrationen. Dafür sorgt eine speziell gewuchtete Schwungscheibe statt einer Ausgleichswelle. Die macht ihren Job sehr gut. Auf dem Autobahnstück zwischen Berlin und Potsdam strahlt der feine, kleine Focus-Motor - und der Fahrer strahlt mit. 185 km/h Spitze, mit ein bisschen Anlauf. Wow. Allerdings wünscht man sich sechs Gänge. Dieses zusätzliche Sparpotenzial gibt es nur im stärkeren Focus Ecoboost: Der hat 25 PS und einen Gang mehr, kostet aber mindestens 20.200 Euro (inklusive Trend-Ausstattung). Unsere Sparversion muss sich mit fünf Gängen begnügen. Eine Grundregel für Benziner kann auch dieses flotte Dreitopf-Aggregat nicht ändern. Wer 100 PS Leistung fordert, der muss Sprit einspritzen. Hektisch in der Stadt bewegt, genehmigt sich der Eco Boost mit Start/Stopp-Automatik 8,4 statt der angegebenen 5,9 Liter (innerorts). Den NEFZ-Gesamtverbrauch von 4,8 Litern pro 100 Kilometern erreicht man nur mit äußerster Vorsicht. Fahr & SpaßFord beherrscht das Thema Fahrwerk. Im Focus verhält es sich unauffällig, grundsätzlich gehört es aber zum Besten, was in dieser Klasse eingebaut wird. Das war schon beim Vorgänger so und hat sich hier nur verbessert. Oft bemängelt und auch hier nervend: die Bedienung der Multimedia- und Naviabteilung. Zu viel Knöpfe, zu kleiner Bildschirm und intuitiv greift man hier nur nach dem Handbuch. Sonst schafft man es nicht, sein Telefon zu koppeln. Hat das einmal geklappt, vergisst man den Aufwand schnell wieder. Das Schöne an unserem Testwagen: Man gewöhnt sich schnell an die Fülle der technischen Spielereien: Parkassistent, Berganfahrhilfe, Fahrspurassistent, Toter-Winkel-Warner und Verkehrsschilderkennung sorgen für sorgenfreies Gleiten. Das persönliche Lieblingsgimmick des Autors: Wird es beim Parken neben dem Auto mal eng, fährt beim Öffnen der Tür eine Gummilippe hervor und legt sich schützend auf deren bedrohte Kante. So was wünschen sich alle Eltern. Ende & UrteilNach ein paar Tagen im Focus könnte man meinen, das Auto sei langweilig. Dabei ist es eher wie der perfekte Partner. Immer da, zuverlässig, und dann nimmt er einem auch noch ziemlich viel ab. Es ist wohl das Schicksal eines Autos, das so unauffällig gut ist. Und gut ist dieser Focus, sehr sogar. 17.550 Euro mögen kein Schnäppchen sein, sind für den Spar-Focus aber angemessen. Immerhin: Für 24.000 Euro gibt es den Focus Eco-Boost im Rundum-Sorglos-Paket inklusive Titanium Ausstattung, Fahrer-Assistenz-Paket und Business-Paket. Eine vergleichbare Ausstattung kostet in Wolfsburg mehr Aufpreis. Ford Focus Titanium 1,0-Liter-Eco Boost - Technische Daten
Quelle: MOTOR-TALK |