Kein Serienauto (Stückzahl größer 1.000) fährt schneller über die Nordschleife als der 600 PS starke Nissan Nismo GT-R. Ebenfalls zu schnell: das Ende der Testfahrt.
Sodegaura Race Track - 9.409 Kilometer liegen zwischen Yokohama, Japan (a) und dem Nürburgring, Eifel (b). Doch trotz der Entfernung sind die Menschen in a) total versessen auf den Ort in b). So sehr, dass ein Team von Ingenieuren und Rennfahrern so lang am GT-R tüftelte, bis er den Rundenrekord für Großserienautos auf der Nordschleife eroberte. Auch dafür bekam der Wagen den Beinamen Nismo. Eine Art Ehrbezeichnung in der japanischen Welt. 7:08 Minuten brauchte der Nissan GT-R Nismo am 30. September 2013 für die Runde über den Ring. Er ist damit der schnellste Seriensportwagen der Welt auf der Nordschleife. 4 x 3 Kurven sind zu wenigUnd es ist ein wunderbarer Sportwagen, in dem mich Nissan da fahren lässt. Wobei fahren vielleicht eine falsche Hoffnung schürt. Meine Fahrt im Rechtslenker-Rekordwagen dauerte exakt so lang, wie der 3,8-Liter-Sechszylinder braucht, um in Fahrt zu kommen: 9 Kilometer oder 4 x 3 Kurven lenke ich das Auto. Nie schneller als im dritten Gang. Dann schnalle ich mich ab, steige aus. 9.000 Meter genügen nie, um einen und schon gar nicht diesen Über-Sportler einordnen zu können. Vom zusätzlichen Downforce, den 100 Kilo zusätzlichen Abtrieb bei Tempo 300, spürt man da gar nichts. Theoretisch wie praktisch soll sich der Abtrieb zu gleichen Teilen auf Vorder- und Hinterachse verteilen. Turbos aus dem RennsportAuch die zusätzlichen 51 PS (600 sind es in Summe) und die 20 Newtonmeter mehr Drehmoment (652 Nm) erlebe ich nur wie den flüchtigen Kuss einer Geliebten. Sie sind wohl da, aber ich spüre sie kaum. Englische Quelle: Dominic Fraser Journalisten schreiben euphorisch, der Wagen flitze wie ein Formel-1-Renner in 2,1 Sekunden auf 100 km/h. Sie meinten womöglich die Fallgeschwindigkeit, denn gefahren sind sie den Wagen auch nicht länger. Tatsächlich bewegt sich der verbesserte Sprintwert im Bereich zwischen 0,1 und 0,2 Sekunden. Gesicherter sind dagegen folgende Tatsachen: Der Nismo GT-R bekam die Turbolader der GT3-Rennversion mit größerem Durchmesser und eine stärkere Benzinpumpe. Mit den dann 600 PS konnte Rennfahrer Michael Krumm zunächst nichts anfangen. Die Leistung passte nicht zum Set-up, das Auto kam mehr rutschend als gelenkt aus den Kurven, fuhr sich ungenau. Hohl gebohrt und fest geklebtMit akribischer Feinarbeit arbeiteten die Nismo-Männer dagegen an. Das Fahrwerk bekam optimierte Stoßdämpfer (Bilstein DampTronic), die den Wellen der Nordschleife mehr Sanftheit entgegenhalten. So bleiben die neuen Dunlop-Gummis besser auf dem Boden. Quelle: Dominic Fraser Streben an den vorderen Querlenkern vergrößern den Nachlauf der Räder, was vor allem bei großen G-Kräften die Stabilität an den gelenkten Rädern stärkt. Die Wankneigung minimiert ein 17,3 Millimeter dicker und hohl gebohrter Querstabilisator an der Hinterachse. Wer bis hier liest, weiß: Es sind ganz kleine Details, die den Unterschied zwischen der alten Rekordzeit (7:18 Minuten) und der neuen machen. Zuletzt kommt noch dieses: An einigen Stellen wurde die Karosserie nicht lasergeschweißt, sondern geklebt. Das Auto ist so steifer und verbessert die Fahrphysik unter extremer Belastung. Flügel gegen das AbhebenZum Beispiel dann, wenn der breite Carbon-Flügel seine optimale Wirkung zeigt, bei 300 km/h soll er den Abtrieb wie beschrieben erhöhen; und 20 Prozent weniger wiegt das Gebilde aus Carbon ohnehin. Auch der Kofferraumdeckel besteht aus diesem gebackenen Material, genau wie einige Zierelemente im Cockpit und die Schalen der Sitzpolster. Innen gibt es unverändert Leder und eine Klimaanlage. Quelle: Dominic Fraser Kaum vorzustellen, was dieses Auto leisten könnte, wenn die Japaner es wirklich mal ernst meinten mit Leichtbau. Rauh und etwas altbacken wirkt das 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe von Borg-Warner bei der kurzen Kurvenhatz. Pro Schaltvorgang benötigt es 0,2 Sekunden. Das ist zwar schneller, als ich je ein Lenkradpaddle drücken könnte. Aber langsamer als bei einem aktuellen Porsche-Direktschaltgetriebe. Transaxle mit AllradRenngefühl fühlst Du mit den Händen am Alcantara-Volant, schön mit der 12-Uhr-Ring-Markierung verziert. Das Beste auf kurzen und langen Rennstrecken, bei Nässe und Schnee ist aber der nissanspezifische Allradantrieb. Weil der Motor vorn und das Getriebe hinten sitzt (Transaxle-Bauweise), leitet beim GT-R eine separate, zweite Antriebsstange einen Teil der Kraft nach vorn. Maximal 50 Prozent sind das. Aber nicht nur, wenn die Hinterräder rutschen, sondern permanent. Je nachdem, was der Computer aus den Informationen der Vielzahl der Sensoren berechnet. Das verleiht dem GT-R so viele Vorteile beim Herausbeschleunigen aus den schwierigen Streckenbedingungen des Rings. Einen minimalen Eindruck seiner Fähigkeiten gewinne ich bei der Probefahrt im leistungsgesteigerten Nismo. Wahr ist aber auch: Um die Stärke herauszufahren, braucht man eine richtige Rennstrecke mit einer Start-Ziel-Geraden und mehr als drei Kurven. Am Ende fehlt die Döttinger HöheAm Ende der Döttinger Höhe beispielsweise, kurz bevor Michael Krumm die 7:08 Minuten erreichte, da muss der GT-R Nismo 320 km/h schnell gewesen sein. 5 km/h schneller also als der einfache GT-R. Während der im Modelljahr 2014 komfortabler abgestimmte 550-PS-GT-R (er soll plötzlich mehr Gran Turismo denn Renner sein) bei 95.000 Euro startet, soll der GT-R Nismo 150.000 Euro kosten. Das klingt nach sattem Aufpreis, ist aber ein Schnäppchen. Schneller kann man für weniger Geld nicht fahren. Technischen Daten: Nissan GT-R Nismo:
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