Vor einem Jahr riss Dich ein Ski-Unfall fast aus dem Leben. Seitdem gab es viele Neuigkeiten, aber noch mehr Fragen. Ich schreibe sie mir von der Seele.
Berlin, 29. Dezember 2014 Lieber Michael, wie geht es Dir? Ich hoffe so sehr, wie viele andere Menschen auch, dass es Dir Deinen unfassbaren Umständen entsprechend gut geht. Wir haben lange nichts von Dir gehört. Ich meine, nichts, das uns die Sicherheit gibt, dass Du wohlauf oder vielleicht sogar glücklich bist. Und wie es aussieht, wird das auch noch lange so bleiben. So viel wurde in diesem Jahr über Dich geschrieben. So viel Fragliches und Falsches. Es schmuggelten sich Leute in das Krankenhaus, in dem Du lagst. Stahlen Deine Krankenakte. Viele warteten auf dieses eine Foto. Zum Glück kam es nie. So viele Menschen haben behauptet, sie wüssten, wie es Dir geht. Was ich noch glauben kann, weiß ich schon längst nicht mehr. Auch mir wird man vorwerfen, dass ich Deine Situation ausnutze, weil ich diesen Brief als einen offenen schreibe. Dabei tue ich nur, was jeder Deiner Fans tut. Ich weiß nicht wohin mit meinen Fragen und Hoffnungen - und teile sie deshalb mit anderen. Ein Tag, den ich nie vergesseIm Gegensatz zu vielen von ihnen hatte ich die Gelegenheit, Dich zu treffen. Ein paar Wochen vor Deinem Unfall. Flüchtig wie einen Platznachbarn im Flugzeug auf der Strecke Frankfurt/Berlin. Und doch werde ich unsere Begegnung nie vergessen. Wir waren freundlich zueinander, unterhielten uns professionell und doch wirktest Du rastlos. Als ich "Sie" sagte, sagtest Du "Ich bin der Michael". Doch in so kurzer Zeit lernt man keinen Menschen kennen. Keine andere Person wurde in diesem Jahr von den Deutschen öfter auf Google gesucht als Du. Niemandem wurde auf Twitter oder woanders im Netz so viel Glück gewünscht. Am 13. November, dem Tag, an dem Du im Benetton als erster Deutscher Formel-1-Weltmeister wurdest, haben sie Dir den Millennium-Bambi verliehen. Ich weiß nicht, ob dieser Preis wichtig ist, oder ob er Dir persönlich etwas bedeutet. Aber ich weiß, dass die Rede, die Dein Freund Sebastian gehalten hat, Dir viel bedeutet. Du hast uns alle zu Gewinnern gemachtEr hat auf den Punkt gebracht, warum so viele auf eine Nachricht von Dir warten: Weil Du das Vorbild einer ganzen Generation von kleinen Jungs bist, die heute schon lange selbst Auto fahren dürfen. Weil Du zehn Jahre lang dafür gesorgt hast, dass wir alle zusammen am Sonntagmittag die Schnellsten waren. Und weil Du uns gezeigt hast, dass es nicht nur darum geht, der Beste zu sein, sondern Herausforderungen anzunehmen und zu meistern. Dein Freund Sebastian fährt kommendes Jahr für Ferrari. So wie Du damals. Und so wie es bei Dir am Anfang war, kriegen die Roten gerade kein Rad auf den Boden. Sogar Luca, der damals die Idee hatte, Dich zu holen, haben sie wegen der Krise rausgeschmissen. Andere sollen es besser können als er, heißt es offiziell. Kannst Du Dir das vorstellen? Aber wahrscheinlich brauche ich Dir das nicht zu erzählen. Du selbst hast dazu beigetragen, dass heute andere auf dem Treppchen stehen. Weißt Du noch, als Du damals bei Mercedes weggegangen bist? „Ich wünsche Lewis alles Gute und der gesamten Mannschaft den Erfolg, für dessen Aufbau wir so hart gearbeitet haben“, hast Du in Deinem nüchternen Interview-Ton gesagt. Nun, sie haben ihn bekommen. Und alle glauben, dass das zum großen Teil Dir zu verdanken ist. Was unser Leben umreißt2012 hast Du endgültig mit der Formel 1 abgeschlossen. Damals hast Du gesagt, dass Du das große Glück und die Freiheit besitzt, erstmal keine Pläne haben zu müssen. Ich glaube, deswegen sind heute selbst viele, die Dich eigentlich nicht mochten, von Deinem Schicksal ergriffen: Ein mittelgroßer Stein, ein kleiner Fehler und etwas Unbeschwertheit haben Dich in Deinen schwersten Kampf gestürzt. Und das, obwohl Du Dich nach all den Jahren des Drucks vielleicht einfach nur ausruhen wolltest. Ich bin mir sicher, dass Du glücklich warst in diesem Moment auf der Piste in Méribel. Zusammen mit Deinem Sohn. Es heißt, Du seist zu Hause, bei Deiner Familie. Bei den Menschen, die Dich wirklich lieben, die Dich brauchen. Und die Du brauchst, um langsam aufzuwachen. Werden wir Dich je wieder ein Auto fahren sehen? Ich weiß es nicht. Aber ich hoffe es. Auch, wenn viele sagen, dass das nie passieren wird. Wenn dieser Brief im Netz erscheint, werden auch Millionen anderer Briefe, Nachrichten und Bilder durch die sozialen Netzwerke, an Deine Website oder Deine Fanpost-Adresse gehen und sie alle werden das gleiche sagen. Ich schließe mich ihnen an: Lieber Michael, kämpfe weiter!
Hier findet Ihr das Interview, das Michael Schumacher nur wenige Wochen vor seinem Unfall mit MOTOR-TALK-Redakteur Philipp Monse führte. Und hier ein Portrait, das aufgrund der Eindrücke bei diesem Treffen entstand. |