Diplomaten genießen Immunität. Viele von ihnen fahren deshalb anscheinend wie sie wollen. Die von ihnen begangenen Ordnungswidrigkeiten nehmen seit Jahren stark zu.
Berlin – Die Polizei ist genervt. Am vergangenen Sonntag zitierte „Die Welt“ den Polizisten Oliver Malchow: "Immunität heißt nicht, dass Diplomaten machen können, was sie wollen. Wir bitten also auch Diplomaten, die Immunität genießen, sich an das deutsche Verkehrsrecht zu halten." Malchow ist kein Mann, der Streife läuft. Sondern Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Er spricht für Hunderte von Kollegen. Unterstrichen wird die Aussage Malchows von einer Zahl: 24.403. So viele Ordnungswidrigkeiten begingen Diplomaten im Jahr 2014 in der Hauptstadt. Zusammengetragen und aufgeschrieben hatte sie der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU). Quelle: dpa/Picture Alliance Damit überhaupt klar wird, was Diplomaten im Straßenverkehr tun, ohne dafür geahndet zu werden, muss man eine Anfrage an den Innensenator stellen. Die Anfrage übernimmt seit einigen Jahren der CDU-Abgeordnete Peter Trapp. Der pensionierte Polizist führt seit 2005 Buch über die Verkehrsvergehen der Berliner Diplomaten. Zu MOTOR-TALK sagte er: "Die Entwicklung ist so erschreckend wie unaufhaltsam. Jedes Jahr gibt es mehr Verstöße. Für die Bürger ist das nicht mehr nachvollziehbar. Dagegen tun können sie erst recht nichts." Berlins Haushalt entgehen mehr als 400.000 EuroPeter Trapp forderte deswegen im Gespräch mit MOTOR-TALK, die Botschaften nachdrücklich auf die Gesetze des Gastlandes hinzuweisen: "Dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden. Ich fordere das Auswärtige Amt auf, besonders die Länder zu ermahnen, die stetig als Verkehrsrowdys auffallen." 403.275 Euro entgehen dem hochverschuldeten Berliner Haushalt aufgrund nicht geahndeter Delikte im Straßenverkehr. Die Diplomaten werden für Raserei oder Falschparken (ihre häufigsten Vergehen) weder zur Rechenschaft gezogen, noch müssen sie Strafen bezahlen. Die diplomatische Immunität bewahrt sie vor der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. Dabei ist die Immunität ein unanfechtbares Gut, eingeführt, um Mitarbeiter einer Botschaft bei heiklen Missionen zu unterstützen. Am Ende ist es mit Diplomaten und ihren Fahrern nicht anders als bei Karl Kasupke. Sie sind auch nur Menschen. So nutzen sie mitunter ihr Privileg als Freikarte für Rowdytum. In Berlin fahren 2.787 Diplomaten-Fahrzeuge. Immerhin: Bei den mehr als 24.000 Vergehen gab es nur 49 Verkehrsunfälle. Dabei wurden zwei Menschen schwer und 18 leicht verletzt. In 30 Fällen entstand der Verdacht auf Fahrerflucht. Alle Verfahren sind eingestellt. Anzahl der Vergehen steigt seit JahrenWas Trapp und viele Polizisten nervt: Die Verstöße nehmen jedes Jahr zu. Begingen Diplomaten 2012 im Berliner Verkehr noch 20.714 Ordnungswidrigkeiten, waren es 2013 bereits 21.314. Besonders auffällig sind laut dem Schreiben des Innensenators Henkel die Fahrer von Diplomaten aus Saudi-Arabien, der Russischen Föderation, den Vereinigte Staaten (USA), der Volksrepublik China, Libyen, Ägypten, Irak, Pakistan, Aserbaidschan und Litauen (in absteigender Reihenfolge). Eine langfristige Änderung ist nicht in Sicht. 2007, als die Verstöße sprunghaft um fast 20 Prozent auf 12.025 Fälle (!) gestiegen waren, gab das Auswärtige Amt eine schriftliche Mahnung heraus und forderte die Gesetze besser zu achten. Im Folgejahr gingen die Verstöße zurück (auf 8.398). Allerdings scheinen solche Appelle nicht mehr zu den Diplomaten durchzudringen. Wie MOTOR-TALK auf Anfrage vom Auswärtigen Amt erfuhr, weise dieses alle fremden Missionen regelmäßig auf die Pflicht der Diplomaten hin, deutsche Gesetze zu achten. Quelle: Bild, BZ, Süddeutsche Zeitung, Die Welt, Der Tagesspiegel, DPA, MOTOR-TALK |