An welche Autos man sich später gerne erinnert, hat sicher viel damit zu tun, in was man als Kind sozusagen hineingeboren wird. In meiner Familie war das Opel. C-Kadett, B-Ascona, und D-Rekord, das waren die Autos, in denen ich - nach Aussage meiner Eltern - in frühester Jugend herumkutschiert wurde. Erinnern kann ich mich nur noch an den Rekord. Rot war er, und wurde als Auslaufmodell 1977 neu angeschafft. Gerade mal 8 Jahre später, 1985, war er aber reif für die Schrottpresse. Erst jüngst habe ich meinen Vater noch mal gefragt, warum - er war einfach weggerostet, die Scheinwerfer fielen schon raus. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, bei einem Auto, das keine 10 Jahre alt ist. Es wurde dann auch deutlich besser: Der Nachfolger des roten und rostigen Barons war ein Opel Kadett E Caravan, ein 1985 relativ frisches Fahrzeug am Markt. Der hielt dann über 15 Jahre und gut 200.000 km lang durch, war die Familienkutsche meiner Jugend und später dann sogar noch mein erstes eigenes Auto. Um den soll es hier deshalb gehen. Damals futuristisches Design Der Kadett E war zu seiner Zeit ein futuristisch anmutendes Auto. Erstmals bewarben Hersteller ihre Autos mit so einem Ding namens cW-Wert, und Opel war mit dem E Kadett vorne mit dabei. Dabei war er aber vor allem ein Auto, wie sie es heute kaum noch gibt: Eine auf Robustheit und Platz getrimmte, puristische Fahrmaschine. Den Caravan hatten wir mit einer 1,3 Liter Maschine, durch Nachrüstung einer Abgasrückführung konnte man zudem Ende der 80er etwas Steuern sparen - die Kinderschule der Schadstoffarmut hieß damals: Bedingt schadstoffarm. Nach meiner Erinnerung stand im KFZ-Schein 55 PS, laut wikipedia sind es 60 gewesen. In der nur ca. 850 kg schweren Basisversion war das kein schlechter Motor. Auf der Autobahn ließ er sich bis über 160 km/h jagen. Dann hat er allerdings gesoffen wie ein Loch. 16, 18 Liter auf 100 km. In der Stadt konnte man ihn aber recht sparsam und zügig bewegen. Basisausstattung im wahrsten Sinne Basisausstattung hieß damals: Keine Servolenkung, kein Fünfganggetriebe, kein Radio, keine el. Fensterheber, kein Airbag, kein gar nichts, nicht mal eine Uhr. ESP oder ABS waren ohnehin Fremdworte. Dafür gab es einen Choke, um den Vergaser zum Laufen zu bekommen. Und vier Räder, Motor, Lenkrad eben. Das war noch wirklich eine Basisausstattung. Irgendwie habe ich es später schade gefunden, dass es solche Autos gar nicht mehr gibt: Geräumig, flexibel, zäh wie Leder, relativ billig und sehr simpel. Dieser Kadett Opel E Caravan hat damals irgendwas um die 17.000 DM gekostet. Das sind knapp 8.700 €, für die einem keiner mehr ein neues, großes, einfaches Auto verkaufte, bis Renault vor ein paar Jahren auf die Idee mit Dacia kam. Im Gegenteil: Die Autos wurden nicht nur außen größer, sondern irgendwie auch innen enger, jedenfalls im Vergleich zum E-Kadett Caravan. Dass da bei Opel längst ein Gesinnungswandel eingetreten ist, merkt man nicht nur daran, dass die Caravan inzwischen Sports Tourer heißen - auch der Nachfolger Astra war bereits Anfang der 90er innen kleiner. Dieser Opel Kadett diente jedenfalls lange Jahre als Allround-Familienkutsche, und machte das mit seinen rustikalen Mitteln, aber ohne große Zicken. Das sind ja bekanntlich Anforderungsprofile vom Weg zur Arbeit über den Großeinkauf beim Baumarkt bis hin zur Urlaubsreise mit der kompletten Familie. Von solchen Urlauben stammen auch die meisten Fotos, die das Familienarchiv hergegeben hat. Z.B. hatte mein Vater den Wagen am Strand von Rømø im Sand festgefahren. Dabei ist der Strand auf der Insel Rømø doch extra zum Befahren freigegeben. Klarer Urlaubstipp, wie man sieht ;) Kurz und gut, der Kadett wurde nicht geschont, sondern benutzt, und man konnte ihn für einiges benutzen. Kein Schrägheck engte den Kofferraum ein, kein Design ging zu Lasten der Übersichtlichkeit. Enger Fond, aber trotzdem Vielseitigkeit durch Größe Zweites Leben als Studentenkarre Ein paar Jahre, nachdem ich zuhause ausgezogen war und ein mehr oder weniger unstetes Studentenleben führte, bekam ich, nach Ableisten einer Führerscheinprüfung, den Kadett gratis überschrieben. Vater wollte endlich was Neues. Gratis? Nicht ganz. Inzwischen hatte sich die Steuergesetzgebung geändert, und so ein Pkw ohne G-Kat war dadurch ein ziemlicher Geldfresser geworden. Für einen Studenten zumindest. Umweltzonen gab es zum Glück noch keine, und so führte der Kadett E Caravan nun sein zweites Leben als verbeulte, ausgenudelte Studentenkarre. Destination: Berlin Moabit - Paulstraße, hinterm Knast gleich rechts. Eine Choke-befeuerte Tour von der TU Berlin entfernt. Natürlich hatte das Fahrzeug zu dieser Zeit schon länger keine regelmäßigen Inspektionen mehr gesehen, aber es lief und lief und lief. Und es hatte übrigens auch keinen sichtbaren Rost. Spachtelmasse kann ja auch gar nicht rosten, wie ich später lernte. Und davon hatte er reichlich, vor allem entlang der linken Flanke, Folge eines Unfalls. Dazu komplett zerschrammte Stoßfänger, und durchgängig stumpfer Lack, bis auf ein paar ausgebesserte Stellen. Es machte schon irgendwie Spaß, mit dieser überalterten, vernarbten ehemaligen Langweilerkarre vorzufahren. Ein Wagen wie Moby Dick, ein 15 Jahre alter Zeuge seines arbeitsamen Lebens. Reisewagen und Lastesel Und immer noch ein Ladewunder. Umzug mit Sack und Pack? Man muss 2-3-mal fahren, aber kein Problem. Ohne Zimmer zu zweit in den Urlaub? Rückbank umklappen, Schlafsäcke ausrollen, fertig. Bei einer Reisegeschwindigkeit von ca. 125 km/h ließ sich der Kadett ökonomisch über die Autobahn bewegen, mehr war durchaus drin, ging aber - auch dank Viergang-Getriebe - auf den Tank. Allerdings sind alte Männer bekanntlich keine D-Züge, und so war der Kadett zwei Reisen über zusammen 3.000 km später doch um einiges klappriger und asthmatischer geworden. Nun machten die Dämpfer den gleichen durchgesessenen Eindruck wie die Polster, und die Bremsen und irgendwann auch das bisschen Elektrik … nun ja. Der Kostenvoranschlag für den nächsten Tüv lag bei 2.500 DM, der Zeitwert bei ca. 500 DM. Das logische Ende eines Nutztierlebens. Trotzdem hat es geprägt. Als Nachfolger hätte ich einen Mitsubishi Colt haben können, aber es war für mich kaum vorstellbar, auf die Ladekapazität des Kadett zu verzichten. Dann lieber kein und gelegentlich ein gemietetes Auto. Noch heute, wenn ich ganz ab und zu einen Kadett Caravan herumstehen sehe, will ich am liebsten einsteigen und losfahren. Andere Autos sind vielleicht cooler, schöner, schneller, aber mit ihren verbinde ich eben vergleichsweise - nichts. (bmt) Hier geht es direkt zur Themenseite 125 Jahre Automobil auf MOTOR-TALK
Quelle: MOTOR-TALK |
verfasst am 07.07.2011
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