Der deutsche Formel-1-Rennstall Mercedes AMG muss eine Strafe wegen seines Reifentests für Pirelli fürchten. Ein zwölfköpfiges Tribunal mit zwei deutschen Vertretern entscheidet über mögliche Sanktionen gegen die Silberpfeile.
Paris/Montréal - Die Nachricht kam kurz vor Mitternacht und sie erwischte die Mercedes-Mannschaft auf dem Weg nach Montréal. Die dreitägigen Sonderfahrten auf Bitten von Pirelli werden für Mercedes und den Reifenausrüster aus Italien zum Gerichtsfall. Der FIA-Präsident Jean Todt leitete die Akte an das zuständige Internationale Tribunal weiter. Nun kann sich eine mögliche Strafe für den deutschen Formel-1-Rennstall bis zum Heimrennen auf dem Nürburgring hinziehen. Was ist passiert? Mercedes testete am 15., 16. und 17. Mai auf dem Circuit de Catalunya mit seinem aktuellen Formel-1-Auto die von Pirelli überarbeiteten Reifen. Im Paragraf 22 des sportlichen Reglements sind Testfahrten während der Saison mit Autos desselben Jahres strikt verboten. Auch Ferrari testete dort. Doch im Gegensatz zu Mercedes hielt sich Ferrari an dieses Verbot und absolvierte seine Runden auf dem Grand-Prix-Kurs bei Barcelona mit einem 2011er-Modell. Die Italiener sind damit raus. Überarbeitete Reifen erst in Silverstone"Wir respektieren die Hoheit der Sportbehörde in diesem Prozess. Es wird alles sehr transparent und professionell ablaufen. Da habe ich großes Vertrauen", hatte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff in der vergangenen Woche versichert. Unmittelbar nach der Entscheidung der FIA, den Fall an das Tribunal zu übergeben, war vom deutschen Werksteam zunächst keine Stellungnahme zu bekommen. Die Verantwortlichen befanden sich auf dem Weg zum Rennen in Kanada. Dort sollten die neuen Reifen eigentlich zum ersten Mal eingesetzt werden. Doch aufgrund der heftigen Proteste aus den Reihen der Konkurrenz hat Pirelli die Einführung der Reifen auf das achte WM-Rennen vertagt. Die sportliche Gleichheit soll gewährleistet blieben. "Ich sehe diese Tests kritisch. Jeder Testkilometer bringt Vorteile", sagte Sebastian Vettel mit Blick auf die Extrarunden. Mercedes und Pirelli vor dem TribunalOb Mercedes gegen das Regelwerk verstoßen hat oder nicht, muss nun das Internationale Tribunal (IT) entscheiden. Es ist die höchste Instanz der FIA. Nach Erhalt der Anklage hat das Gremium 15 Tage Zeit, das weitere Vorgehen festzulegen. Kommt es zu einer Anhörung, vergehen mindestens weitere 15 Tage. Der IT-Präsident kann das Prozedere aber beschleunigen. Nicht auszuschließen ist daher, dass ein mögliches Urteil vor oder auch unmittelbar nach dem Deutschland-Rennen am 7. Juli fällt. Die Höhe und Art möglicher Sanktionen ist noch völlig offen. Einen Strafenkatalog gibt es für die Formel 1 nicht. 2007 war beispielsweise McLaren-Mercedes wegen des Spionageskandals zu der Rekordstrafe von 100 Millionen US-Dollar verurteilt worden. Im aktuellen Fall ist theoretisch alles möglich: Freispruch, Geldstrafe, Punkteabzug, Verbannung von Rennen oder die Aberkennung von Nico Rosbergs historischem Monaco-Sieg. Zumindest für Mercedes. Für Pirelli wird es wohl letztlich nur eine Geldstrafe geben, da die Italiener kein Team, sondern nur der Reifenausrüster sind. Allerdings steckt Pirelli mitten in den Verhandlungen für einen neuen Vertrag für die kommenden Saisons. |