Mit Kindheitshelden ist das so eine Sache – man ist sehr schnell sehr enttäuscht. MT-Redakteur Constantin Bergander hat sich trotzdem getraut und ist den Audi Sport Quattro gefahren.
Kitzbühel – Die Turbine setzt erst spät ein. Ab 2.500 Touren merke ich, wie sich die Abgase gegen die Schaufelräder stemmen. Sie drücken und schieben, doch die Welle dreht immer noch nicht schnell genug. Der Zeiger im Ladedruck-Instrument bewegt sich nicht – vor mir knurrt ein schlecht verdichteter Motor mit Atemnot. So war das damals, vor 30 Jahren. Heute können Unbedarfte Turbo- kaum von Saug-Motoren unterscheiden, die Lader sprechen schneller an als ein Automatikgetriebe. 1983 hatte der beste Audi ein Turboloch, das von Neckarsulm bis nach Ingolstadt reichte. Das behaupten jedenfalls böse Zungen. Und sie haben recht. Audi Sport Quattro: Legende von 1983 Für den Straßenverkehr gab es nicht mal die Hälfte der Leistung. 306 PS stehen auf dem Datenblatt im Handschuhfach, dazu 350 Newtonmeter. Gefühlt hat er bis heute weder Kraft, noch Leistung verloren. Denn nach dem Turboloch, einem langen Nichts, das sich nach Golf-2-Saugdiesel anfühlt, passiert etwas Fantastisches. Die Erlösung nach dem TurbolochDer Abgasstrom wächst, er schiebt stark in den Lader. Die Schaufelräder bewegen sich, die Welle dreht. Immer schneller, irgendwann mit einem Vielfachen der Motordrehzahl. Bei 3.000 Kurbelwellenumdrehungen zeigt die Nadel 0,5 bar. Unnötig, denn ich kann den Druck hören. Das Zischen von vorn nimmt zu, konkurriert mit dem unvergleichbar asymmetrischen Sound des Fünfenders vor dem Lader. Dann, irgendwann kurz vor 4.000 Touren, kommt der Schub. Mit dem Sport Quattro über den GroßglocknerDann, ein Griff nach rechts. Der Fuß bleibt auf dem Gas, der Ladedruck soll nicht abfallen. Der nächste Gang klackt in die Gasse. Ich lupfe den linken Fuß und genieße das Schauspiel ein zweites Mal. Unzählige werden es auf meiner Tour über den Großglockner Pass, einem der schönsten Wege durch die Alpen. Links der Berg, rechts der Abgrund. Ich mittendrin, zwischen Fahrspaß und Vernunft. Wie viel kann ich einem Auto zumuten, das in wenigen Monaten als historisch gilt? Kurve für Kurve erfahre ich die Antwort: Der Audi kann eine Menge ab. Eine ganze Menge. Mehr als ich mir zutraue. Mein Sport Quattro ist der erste, den Audi in der Serienproduktion gebaut hat. Das bestätigt die Fahrzeugnummer (85EA 905 001 – Typ 85, Entwicklungsauftrag 905, Nummer 001). 214 Fahrzeuge waren es insgesamt, normale Exemplare kosten sechsstellige Summen, der hier sicherlich noch mehr. Die schönste Straße in Österreich87 Kilometer lang jagen Quattro und ich durch 56 Kehren, bis auf 2.571 Meter Höhe. Steigung macht ihm nichts aus, jedenfalls nicht jenseits der 4.000 Touren. Mehr Probleme hat er mit dem Gefälle: Trotz eines Leergewichts von nur 1.300 Kilogramm sind die innenbelüfteten Bremsen hoffnungslos überfordert. Bergab fahren wir nicht mehr sportlich, sondern vernünftig. Mit Motorbremse, wie damals in der Fahrschule. Der Sport Quattro zeigt mir in jeder Kurve, wie leicht er ist. Er wankt kaum und wehrt sich nicht, sondern folgt treu meinen Anweisungen. Seine Karosserie stammt von der Firma Baur. Sie senkte das Gewicht mit Plastik und Kevlar-Verbundstoffen – entsprechend teuer würde ein Auffahrunfall werden. Innen gibt es alles, was damals gut und teuer war: Elektrische Fensterheber und Spiegel, Sitzheizung, Leder auf Armaturenbrett, Sitzen sowie Lenkrad und etwas Wildleder auf den Sonnenblenden. Bei einem Preis von rund 200.000 Mark muss das sein. Teurer war damals kein anderes deutsches Auto. Nostalgie mit Technik aus den 80ernTrotz seiner straffen Federung würde ich mit meinem Sport Quattro lange Strecken fahren. Maximal zu zweit, die Rückbank ist eine bessere Ablage. Dafür gibt es serienmäßig Schlossfallen für Sport-Gurte. Nach einigen 100 Kilometern zeigt der Kurze trotzdem sein Alter. Es knarzt hier und da und ich rieche nicht-katalysierte Abgase im Innenraum. Das können seine inoffiziellen Nachfolger besser. Sie wirken modern, sauber, klinisch. Audi hat seit einigen Jahren auch wieder einen Fünfzylinder-Turbomotor im Programm. Mit Badboy-Sound und ohne Turboloch. Einen zweiten Sport Quattro wird es trotzdem nicht geben. Die Reifenspuren des Originals sind zu groß, kein Neuwagen könnte ihnen folgen. Außerdem gibt es keine Gruppe-B mehr, in der sich Audi profilieren könnte. Rallyes sind mittlerweile VW-Sache. Es bleibt der „Was wäre, wenn...“-Gedanke. Und die Erinnerung an diesen Ausritt. Zumindest akustisch gilt: Fünf ist Trümpf. Audi Sport Quattro: Technische Daten
Quelle: MOTOR-TALK |
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