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Fahrbericht: 30 Jahre Ferrari Testarossa - Mit V12 zurück in die Achtziger

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Nur eine Handvoll Autos werden zum wahren Zeugnis ihrer Zeit. Der Ferrari Testarossa zeigt noch heute, wie die Mittachtziger waren: wild und ungehemmt, schamlos und spektakulär.

Die Achtziger auf Rädern: Ein Fahrt im 30 Jahre alten Ferrari Testarossa Die Achtziger auf Rädern: Ein Fahrt im 30 Jahre alten Ferrari Testarossa Quelle: press-inform

Kassel – 1984: Richard von Weizsäcker wird Bundespräsident, Apple stellt den ersten Mac vor und in Los Angeles begeistern Carl Lewis und der Raketenmann bei den Olympischen Spielen. Die Reichen und Schönen fahren bevorzugt Mercedes S-Klasse oder Porsche 911. Doch es fehlt der automobile Kick. Stinkreiche Investmentbanker verlangen nach immer neuen Spielzeugen und Ferrari ist nach den Wirren der 70er-Jahre wieder einmal auf der Suche nach sich selbst.

Die vielleicht schönste Perspektive auf den Ferrari Testarossa Die vielleicht schönste Perspektive auf den Ferrari Testarossa Quelle: press-inform

Untypisch Ferrari

In diese Zeit krachte der Ferrari Testarossa. Pininfarina hatte die polarisierende Karosse des neuen Ferrari kreiert, die für viel Aufsehen sorgte. Derartigen Mut hatte zuvor allenfalls Erzfeind und Dauerrivale Lamborghini beim Design bewiesen. Bei Ferrari ging es normalerweise schlichter, ja dezenter, zu. Nicht nur eingefleischten Ferraristi fielen also beim visuellen Erstkontakt mit dem Norditaliener die Gläser aus der Sonnenbrille. Modern ja, aber so hatte man sich das neue Prunkstück der automobilen Pferdekoppel nun doch nicht vorgestellt.

Doch die Achtziger hatten gerade begonnen, die Optik machte die Musik. Und dieser Testarossa sollte auch in den USA punkten, wo Schulterpolster und Neonfarben zum Straßenbild gehörten. Da war eine Lamellenorgie als Unabhängigkeitserklärung auf vier Rädern genau das Richtige.

Den 180-Grad-V12 mit 4943 ccm rundete Ferrari großzügig zum 5,0-Liter-Motor auf Den 180-Grad-V12 mit 4943 ccm rundete Ferrari großzügig zum 5,0-Liter-Motor auf Quelle: press-inform

Wenig technische Innovationen

So spektakulär der 84er-Testarossa der Generation I optisch auch war, so überschaubar waren seine technischen Innovationen. „Er basiert auf dem Vorgänger Ferrari BB 512i bzw. sogar noch auf dem alten 365/4“, erläutert Michael Kunz, Historien- und Werkstattmeister bei Ferrari Eberlein in Kassel. „Technisch gab es an dem Testarossa an sich wirklich nicht viel Außergewöhnliches“.

Da überrascht es nicht weiter, dass es in den zehn Jahren bis zum Ende der Produktion 1994 zwei gründliche Überarbeitungen gab. Testarossa hieß nur das Urmodell mit dem besonders lieblosen Interieur und dem einzelnen Spiegel auf der Fahrerseite. Seine beiden Nachfolger firmierten unter den Bezeichnungen 512 TR und 512 M. Letzterer hatte mit seinen rundlichen Designelementen an Front und Heck kaum noch etwas mit dem 200.000 D-Mark teuren Urmodell gemein.

„Heute starten Fahrzeuge aus der ersten Generation in mäßigem Zustand bei 60.000 Euro. Drunter gibt es nichts“, erklärt Michael Kunz, „ein TR kostet mindestens 80.000 und ein 512 M über 100.000 Euro – mindestens.“

Typisch 80er: Das Interieur lässt heutige Fahrer erschaudern Typisch 80er: Das Interieur lässt heutige Fahrer erschaudern Quelle: press-inform

390 PS sorgen für Vortrieb

Mit einer Leistungsangabe von 390 PS gab der Testarossa seinem Piloten schon auf dem Papier das sicherere Gefühl, kaum überholt werden zu können. Auf der Straße sah das kaum anders aus. Jeder noch so kleine Druck auf das viel zu weit rechts positionierte Gaspedal wird noch heute mit einem bissigen Spurt beantwortet. Dabei bleibt der Klang für einen 4,9-Liter-Zwölfzylinder (180-Grad-Bauweise) vergleichsweise zahm.

Der Testarossa hat in jedem Drehzahlbereich Dampf. Auch in den oberen Gängen mit entsprechend üppiger Drehzahl lässt dieser kaum nach. Mit den von Ferrari-Verantwortlichen zunächst gewohnt selbstbewusst kommunizierten 300 km/h wird es jedoch nichts. Mehr als 290 km/h sind aus der ersten Generation schlicht nicht herauszukitzeln.

Bei der allzu spitz verzahnten Lenkung ohne jede Servounterstützung ist das allerdings weniger schlimm. Auch bei hohen Geschwindigkeiten wird jede noch so kleine Bewegung am Momo-Steuer mit einer spürbaren Richtungsänderung belohnt. Vorsicht ist geboten. Das Fahrwerk ist ähnlich fein abgestimmt. Nicht ruppig-hart oder auf Krawall gebürstet, sondern allemal sportlich-straff mit so viel Restkomfort, wie man es in dieser Klasse erwarten kann.

Originalität ist alles

Mit der 300er-Marke müssen sich erst Besitzer der Nachfolgegenerationen 512 TR und 512 M mit 428 bzw. 440 PS auseinander setzen. Mehr Sound gab es hier jedoch auch nicht. „Nein, der Testarossa ist eher leise“, sagt auch Michael Kunz. „Wir haben daher gerade beim Testarossa damals besonders viele Sportauspuffe verbaut. Jetzt geht der Trend bei den Klassikern wieder in eine andere Richtung. Originalität ist eben alles.“

Zu Kultstatus kam der Ferrari Testarossa durch die Serie Miami Vice Zu Kultstatus kam der Ferrari Testarossa durch die Serie Miami Vice Quelle: press-inform Das gilt auch für den Radsatz. Für die erste Generation ist die schlichte Fünfstern-Felge mit Zentralschließe obligatorisch. Vorne gibt es vergleichsweise kleine Pneus im Format 240/45 VR 15; hinten krallt sich schwarzes Gold mit 280er-Breite in den Untergrund.

Ähnlich polarisierend wie die Lamellen an Seiten und Heck oder die Klappscheinwerfer zeigt sich der Innenraum. Wenig hochwertiges Leder, Kopfstützen groß wie Mutters Bratpfannen und eine Orgie an unansehnlichen Drucktastern lassen einen heute erschaudern. Doch was störte schon die Mélange aus Plastikschaltern und Billiginstrumenten, wenn man selbst in ein pastellfarbenes T-Shirt oder ein Spencerjäckchen gehüllt war?

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