Der Rolls-Royce Wraith soll den Markt der Luxuscoupés aufmischen. Mit 632 PS. Doch für knapp 280.000 Euro erwartet der zahlungskräftige Kunde mehr als reine PS-Power.
Von MOTOR-TALK-Reporter Wolfgang Gomoll Wien - Wie Sie hören, hören Sie was. Wie bitte? Ja, der Rolls-Royce Wraith macht aus seinen 632 V12-PS keinen Hehl. Lautloses Luxus-Gleiten, sonst bei Rolls-Royce Hausdoktrin, war gestern. Der BMW-Prachtmotor brüllt zwar nicht wie ein Lamborghini Aventador, aber ein sonores, wohlklingendes Verbrennungsgeräusch ist im Inneren des Coupés präsent. Nur weil die Reichen und vielleicht auch Schönen das Steuer selbst in die Hand nehmen, sind sie noch lange nicht kompromissbereiter als die Besitzer eines Ghost oder Phantom. Komfort und Luxus muss auch dieser knapp 2,4 Tonnen schwere Rolls bieten. Dank des etwas strafferen Fahrwerks geht es etwas agiler um die Ecken. Luxus durch KraftWer jetzt einen Asphalt-Felix-Neureuther erwartet, liegt falsch. Der Brite ist schon angesichts seines Gewichts nicht so behände unterwegs, wie der deutsche Ski-Slalom-Star. Wird die Gangart forscher, drängt das stattliche Gewicht der Edelkarosse nach außen, begleitet von einem leicht tänzelnden Heck, das aber vom ESP sofort wieder eingefangen wird. Man kann das ESP auch abschalten. Das sollten aber nur versierte Lenkrad-Artisten tun. Zumal die Lenkung nicht sportlich direkt ist und wenig Rückmeldung gibt. Ein Allradantrieb könnte helfen, gibt es aber im Wraith nicht - dieser Symbiose aus 632 PS und 2,4 Tonnen. Der Wraith ist und bleibt ein Rolls-Royce, und da geht es in erster Linie um unangestrengten und unkomplizierten Luxus. Deshalb fehlt auch der Fahrerlebnisschalter. Sensoren überwachen laufend das Fahrzeug und melden den Fahrzustand an die zentrale Recheneinheit, die alle 2,5 Millisekunden die variablen Dämpfer automatisch anpasst. Trotz Wankstabilisierung kündigt sich der Grenzbereich frühzeitig an. Ein vorausschauendes Fahrwerk, wie es die neue Mercedes S-Klasse hat, stünde dem edlen Briten gut zu Gesicht. Die Automatik programmiert sich vor Dass bei Rolls-Royce alles etwas anders ist, erkennt man, sobald man den aktuellen Durchschnittsverbrauch aufruft, dessen Wert sich in einem Unter-Menü verschanzt: 6,1 km/Liter steht da. Der gute alte Dreisatz verrät: Das sind 16,4 Liter pro 100 Kilometer. Also gut zwei Liter mehr als im Datenblatt angegeben. Dass der Wraith kein ausgewiesener Technologieträger ist, bedeutet nicht, dass er keine Innovationen bietet. Mit Hilfe der Navigationskarten erkennt die Software vorausliegende Kurven und programmiert die ZF-Achtgangautomatik passend vor. So werden unnötige Gangwechsel vermieden – das ist komfortabler und spart Sprit. Der iDrive-Knopf verfügt über eine Touchpad-Oberfläche, mit der man Schriftzeichen und Zahlen in das Navi schreiben kann. Der neue Opel Insignia lässt grüßen. BMW SuperplusDie Verwandtschaft zur BMW-Mutter kann der Brite nicht verleugnen, angesichts der vertrauten Favoritentasten, dem iDrive-Drehknopf, dem Multimedia-Display und der Menüführung. Die große Stärke des Rolls-Royce-Coupés ist der grenzenlose Luxus. So gesehen ist der Rolls-Royce Wraith einfach BMW Superplus. Das Leder ist feiner, die Materialien hochwertiger, die Anmutung edler. Sorgsam ausgesuchte Holzapplikationen wechseln sich mit Klavierlackteilen und Chromeinfassungen ab. Die Rundinstrumente inklusive traditioneller Power-Reserve-Anzeige sind analog, aber die TFT-Leiste mit den digitalen Angaben darunter macht was her. Dass die Multimedia-Darstellung konsequent in Pastell-Mint-Farbtönen gehalten ist, ist der etwas bemühten Abgrenzung zu BMW geschuldet. Bis dahin wünschen wir uns eine Version mit einem leistungsstarken Achtzylinder und Allradantrieb. Das bietet Hauptkonkurrent Bentley schon seit Längerem.
Technische Daten: Rolls-Royce Wraith
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