Stephan Winkelmann muss ein bisschen schmunzeln, wenn man ihn auf sein Husarenstück anspricht. Aber offiziell sagt der Lamborghini-Chef: ''Ich schaue nicht auf die Konkurrenz. Wir konzentrieren uns auf unsere Marke, und die ist extrem und sehr speziell.'' So speziell, dass sie überraschend zum Pariser Salon einen viersitzigen Sportwagen präsentiert, den Estoque. Sicher, noch ist der große Lambo nur eine Form gewordene Idee, ein nicht fahrbereites Concept-Car. Aber es sitzt schon ein Gallardo-Zehnzylinder unter der langen Haube, und eine familientaugliche Länge von 5,15 Metern sowie eine sportwagenwürdige Höhe von 1,35 Metern dürften mehr sein als nur eine italienische Fingerübung. Und nicht umsonst träumt Winkelmann schon von einer dritten Modellreihe: alltagstauglich, eventuell sogar mit V8-Hybrid oder sogar Dieselmotor als Antrieb. Es dürfte den smarten Wahlitaliener trotz Dementi nicht gestört haben, die Sportwagenkonkurrenz in Paris in Aufregung versetzt zu haben. Zuerst natürlich die Nachbarn aus Maranello: Ferrari hätte mit seinem erstmals gezeigten Klappdach-Cabrio California gern die gesamte Aufmerksamkeit für sich beansprucht. Und das sogar zu Recht: Der Sportler, angetrieben von einem 4,3-Liter-V8 mit 460 PS, ist erstmals bei Ferrari als 2+2-Sitzer zu ordern, besitzt eine neue Doppelkupplung und rennt 310 km/h. Im Gegensatz zum Lamborghini kommt der California bald auf den Markt, so dass solvente Kunden den Sprint von 0 auf 100 km/h in versprochenen vier Sekunden erleben können - ein guter Wert bei dem fahrbereiten Gewicht von nicht gerade leichten 1735 Kilo. Aufgeschreckt hat Lamborghini auch die Edelkonkurrenz aus England. Aston Martin-Chef Dr. Ulrich Bez ging zwar in seiner kleinen Privat-Pressekonferenz auf dem Stand nicht auf den Estoque ein, doch der Wagen kann ihn und seine Pläne mit dem viertürigen Rapide nicht ganz kalt lassen. Nach außen stellte der Schwabe dafür den künftigen Supersportwagen I-77 (One-77) in den Vordergrund: Er ließ ein Designmodell der Millionen teuren Autos unter einer Decke verschwinden und entblätterte nur eine Ecke links vorne und eine rechts hinten. Die fertigen Autos - nur 77 Stück werden gebaut - bestehen aus Carbon und Aluminium und besitzen einen 7-Liter-V12. Aus diesen Geplänkeln hält sich Maserati heraus. Die Fiat-Tochter hält an seinem viertürigen Quattroporte fest, verbessert ihn stetig und stört sich nicht daran, dass Puristen den Wagen nicht als echten Sportwagen ansehen. Nach 15.000 verkauften ''Sport Luxury Sedan'' erhält die S-Version nun einen neuen V8 mit 430 PS. Besonders auffällig sind die optischen Retuschen wie LEDs und dynamische Seitenspiegel sowie ein ergonomischeres Interieur. Die französischen Hersteller versuchen traditionell, sich auf ihrer Heimmesse zu überflügeln. Peugeot präsentiert einen flachen Viertürer mit dem Namen RC HYmotion4 – eine Hybid-Studie, die insgesamt 313 PS leistet. 218 PS stammen aus einem 1.6-Liter Benziner, die restlichen 95 PS steuert ein Elektromotor bei. Renault hält sich in Sachen Sportlichkeit zurück, dennoch ist die Studie Ondelios einen Blick wert. Das Flügeltürenmonster - teilweise einem Flugzeugrumpf nachempfunden - soll „Reisen in Zukunft“ nahe bringen. Das Auto ist dank Policarbonat statt Scheiben und Kohlefaser-Karosserie sehr leicht, den Antrieb teilen sich ein Zweiliter-Vierzylinder-Turbodiesel mit zwei je 27 PS starken Elektromotoren. 4,5 Liter Dieseltreibstoff sollen für 100 Kilometer genügen. Unter anderem völlig abgehoben zeigt sich Citroen. Das zufällige Treffen zweier Kreativer, die einst gemeinsam die Schulbank drückten - der eine Designer, der andere Computerspiele-Entwickler - führte zum ersten realen Auto, das es zuerst in der digitalen Welt gab: dem GTbyCitroen. Das Auto fährt normalerweise in Gran Turismo 5 auf der Playstation 3. Im Spiel wird der Sportwagen von einer Brennstoffzelle angetrieben. Sehenswert: der spacige Innenraum des „realen“ „Autos“. Aber auch ein paar kleine Mitspieler in der Autobranche zeigten Sehenswertes. Zum Beispiel Dodge: Der Zeo - erstmals präsentiert in Detroit Anfang des Jahres - ist ein reiner Elektrosportler. Die Chrysler-Studie leistet rund 270 PS und soll etwa 210 km/h schnell sein. Elektro-Spezialist Venturi hat acht Radnabenmotoren in die Studie Volage eingebaut. Vier sorgen für eine optimale Federung, vier für Vortrieb. Sie leisten je 75 PS, was summa summarum 300 PS bedeuten. Trotzdem ist das Höchsttempo auf 150 km/h begrenzt, bei 90 km/h soll die Reichweite imposante 320 Kilometer betragen. Noch ist der Volage ein Prototyp, 2012 soll er käuflich sein. Wem das alles zu geladen ist: Es gibt auch noch Bodenständiges. So zum Beispiel vom Neoklassisches vom Kleinhersteller PGO, der seit Jahren den Porsche 365 mehr oder weniger nachbaut: Die neueste Kreation, der Hemera, besitzt vorne ein bekanntes altdeutsches Gesicht, die Interpretation des Hecks als Semi-Kombi ist allerdings neu. Der Hemera wird von einem 140-PS-Vierzylinder angetrieben, die aber mit 940 Kilo Wagengewicht kein Problem haben dürften. Noch zu schräge? Okay, hier kommt ein Sportler aus altem Schrot und Korn, in diesem Fall Aluminium und Kunststoff: Der Lotus Evora. Der wurde zwar schon auf der London Motor Show präsentiert, ist aber auch ein sportlicher 2+2 fürs Festland. Größer, komfortabler, und mit einem Benzin konsumierenden, 280 PS starkem Toyota-Sechszylinder ausgerüstet. Das können sich die Briten leisten: Die Abteilung Lotus Engineering hat im vergangenen Jahr mehr Projekte in Sachen Autos mit alternativen Antrieben gestemmt als je zuvor.
-> Fotogalerie: Paris Motor Show 2008 -> Link: Paris Motor Show (Mondial de l'Automobile)
Quelle: Chromjuwelen |
verfasst am 12.10.2008
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