Was VW bis 2025 vorhat, deckt sich in vielem mit den Strategien der Konkurrenz. Der Umbau zum Mobilitätskonzern wird für den trägen Tanker VW aber eine Herkulesaufgabe.
Wolfsburg - „Together“ heißt sie also, die Strategie, die Matthias Müller seinem Supertanker Volkswagen verordnet hat. „Zusammen“. Müller kündigt eine gewaltige Kraftanstrengung an, die dem Konzern viel abverlangen wird. Volkswagen will „ein weltweit führender Anbieter nachhaltiger Mobilität sein“. Den Umbau dorthin lässt sich VW rund acht Milliarden Euro im Jahr kosten. Mit kaum einem Aspekt seiner mit Spannung erwarteten VW-Neuausrichtung kann Müller überraschen. VW will sich auf Elektromobilität ausrichten, Mobilitätsdienstleistungen als neues Geschäftsfeld erschließen sowie auf autonomes Fahren setzen. Um diesen Umbau zu finanzieren, müsse VW sich deutlich effizienter aufstellen. Das klingt vertraut, könnte auch von Zetsche, Ghosn oder Krüger kommen. Dennoch macht Müller mehrmals deutlich: „Together 2025“ wird VW auf den Kopf stellen. Und er hat recht. Denn Müller will VWs Fokus „klar auf Ertragskraft“ ausrichten. Ein Paradigmenwechsel: Winterkorn setzte auf Größe, wollte VW zur weltweiten Nummer eins machen. Ohne Elektro-Antriebe geht es bald nicht mehrQuelle: dpa/Picture AllianceDas hat Auswirkungen. An Winterkorns Lieblingsprojekt, die Baukastenplattformen, legt Müller die Axt. Der Ansatz sei richtig, aber VW habe sich verzettelt. Aus aktuell 12 Baukastensystemen werden deshalb künftig nur noch vier. Die sollen „Economy, Volumen, Premium, Sportwagen“ heißen. Auch die konzernweit vorhandenen 340 Modellvarianten will Müller deutlich reduzieren, sowie die Marken stärker voneinander abgrenzen. Für Müller ist klar: Ohne Elektroantriebe geht es bald nicht mehr. Man setze zwar weiter auf die Optimierung des Verbrenners. Aber schon 2025 sieht Müller E-Autos bei 20 bis 25 Prozent, oder: bei zwei bis drei Millionen Fahrzeugen jährlich. Dies erzwinge allein schon die stetig schärfere Abgasgesetzgebung. Deshalb will VW bis 2025 30 neue, rein elektrische Fahrzeuge in den Markt bringen. 20 elektrifizierte Modelle sollen noch in diesem Jahrzehnt vorgestellt werden. Dieses Vorhaben bringt VW zu einer weitreichenden strategischen Entscheidung: Man müsse beim Thema Batterien eigene Kompetenz aufbauen. „Wir betrachten die gesamte Wertschöpfungskette vom Rohmaterial bis zum fertigen Auto“, sagt Müller. „Allein für die Ausstattung unserer eigenen E-Flotte benötigen wir bis 2025 eine Batteriekapazität von 150 Gigawattstunden - was zugleich ein gewaltiges Beschaffungsvolumen repräsentieren würde". Das klingt nach – mindestens – einer eigenen Fertigung. Nicht mehr alles selber machenParallel will VW eigene Lösungen für autonomes Fahren entwickeln. Bis 2020 soll die Technik namens SDS (Self driving system) für die Straße zugelassen werden. Mobilitätsdienstleistungen, konkret nennt VW „Robotaxis, Carsharing oder Transport-On-Demand für Privat- und Geschäftskunden“, sollen einen „signifikanten Anteil“ am Umsatz generieren. Müller sieht die kürzlich verkündete Beteiligung am Fahrdienst „Gett“ daher als strategisch. Um das Geschäftsfeld soll sich eine neue Tochtergesellschaft mit Sitz in Berlin kümmern. Der Aufbau eigener Batteriekompetentz, das klingt nach dem alten Selbermacher-VW der Ingenieure Piëch und Winterkorn. Aber das täuscht. Denn VW will zwar strategisch Wichtiges selbst tun, aber eben nicht mehr alles. "Wir geben uns nicht mehr der Illusion hin, alles besser zu können oder alles selbst entwickeln zu müssen", sagt Matthias Müller. Deshalb werden strategische Partnerschaften, Joint Ventures und Zukäufe künftig noch wichtiger. Quelle: dpa/Picture Alliance Vom Verkauf von Marken oder Beteiligungen spricht Müller nicht, vielmehr soll „Volkswagen Truck & Bus als Mehr-Marken-Anbieter das profitabelste Unternehmen der Branche werden“. Mehr Geld will VW künftig mit dem Komponentengeschäft erlösen. Motoren, Chassis-Teile, Getriebe – dieses Geschäftsfeld wird komplett neu geordnet. Gut möglich, dass VW dann auch ins Zuliefergeschäft einsteigen will. Pfunde abtrainieren, Muskeln aufbauenDas Investitionsvolumen seiner Strategie „Together 2025“ beziffert Matthias Müller mit etwa acht Milliarden Euro – pro Jahr. Das ist viel, selbst für VW. Schwächen in „Struktur, Kultur, Effizienz“ will Müller daher ausmerzen. VW müsse „Pfunde abtrainieren und Muskeln aufbauen“. Man müsse „operative Exzellenz“ entwickeln, denn hier liege VW bei allen Kennzahlen deutlich hinter den Besten der Branche. Also hinter Toyota, Renault-Nissan, Daimler oder BMW. Das klingt für die Mitarbeiter durchaus bedrohlich. Tatsächlich bezeichnet Müller die Personalkosten als „eine mögliche Stellschraube“. Die Vertriebs- und Verwaltungskosten will VW auf unter 12 Prozent am Gesamtumsatz drücken. Was das konkret bedeutet, für Marken, Bereiche und Standorte, will man in den kommenden Monaten konkretisieren. Besonders im Fokus dürfte aber die Kernmarke VW stehen. Auch bei Investitionen will VW sich deutlich verschlanken. Forschungs- und Entwicklungsausgaben sollen auf sechs Prozent am Umsatz sinken. VW strebt eine operative Umsatzrendite von sieben bis acht Prozent und eine Kapitalrendite im Automobilbereich von mindestens 15 Prozent bis 2025 an. Die Dieselkrise hat nach Ansicht von Matthias Müller die Bereitschaft zur Reform deutlich erhöht. „Bei Volkswagen haben sich Türen geöffnet. Die Bereitschaft zur Veränderung ist deutlich gewachsen. Das spüre ich im persönlichen Kontakt mit Führungskräften, Belegschaftsvertretern und Mitarbeitern jeden Tag.“ Das Umsteuern des Riesentankers Volkswagen ist dennoch ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Das kann VW nur „together“ schaffen. |