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Oldtimer Ersatzteile: Versorgung älterer Modelle ist problematisch - Nicht für Geld und warme Worte

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15 Jahre müssen Hersteller die Ersatzteilversorgung ihrer Autos garantieren – nach Produktionsende. Die meisten verdoppeln sie sogar. Doch was passiert danach?

Bonn – Seit ich 14 Jahre alt bin, schraube ich. Zuerst an Mofas, dann an Rollern. Mit dem Führerschein legte ich auch an Autos Hand an, ein paar Jahre sogar professionell. Ich habe oft geflucht, wenn eine Schraube abriss oder wenn sich hinterm Kotflügel eine vergammelte A-Säule verbarg. Aber ich hatte nie Probleme mit Ersatzteilen. Bis jetzt.

Porsche 911: Aufgebrochen und zweckentfremdet

Der Schock kam abends um 23 Uhr. Zwei Polizisten klingelten an der Tür, fragten, ob das mein Auto in der Tiefgarage sei, bei dem die Tür aufsteht. „Nee, kann nicht sein, mein Auto ist immer abgeschlossen“, sagte ich müde und treudoof. Der Polizist grinste nur, meinte trocken: „Türen lassen sich öffnen – auch ohne Schlüssel.“

Mist. In den vergangenen vier Jahren schützte der Stellplatz meine Autos vor Wind und Wetter. Mein gut abgehangener Mercedes W124 parkte dort den ganzen Winter über. Nichts passierte. Vor drei Wochen stellte ich allerdings meinen alten 911er hier ab. Ein Fehler. Denn ausgerechnet den suchten sich ein paar Teenager als Raucherecke aus.

Die Tür des Elfers steht offen, das Schloss ist aufgebrochen. Auf den Fußmatten und den Ledersitzen liegt Asche. Es riecht nach Kneipe am Morgen – abgestandener Rauch und Bier. Die Mittelkonsole zieren ein langer Riss und zwei Brandlöcher. Die Türtaschen hängen müde herunter, sind in der Mitte gebrochen. Auch den Dachhimmel hat es erwischt. Ein kleiner Riss erstreckt sich über der linken Seite.

Versicherung zahlt, aber Ersatzteile fehlen

Nach dem ersten kleinen Schock beginnt der eigentliche Ärger. Natürlich zahlt die Versicherung den Einbruchsschaden, das Auto habe ich kaskoversichert. Doch bei einem 32 Jahre alten Auto gibt es manche Teile einfach nicht mehr. Zumindest nicht beim Porsche-Zentrum oder anderen spezialisierten Händlern. Auch in Foren oder bei ebay sieht es für gut erhaltene Kunststoffteile schlecht aus. Und wenn ein Zulieferer ein paar Teile neu auflegt, sehen die selten gut aus oder passen perfekt. In meinem Fall rieten mir mehrere Porsche-Experten von Neuteilen ab, dafür zu einer Reparatur.

So geht es nicht nur mir, sondern vielen Oldtimer-Besitzern. Einige Hersteller haben das Problem erkannt und lassen Teile für alte Fahrzeuge nachfertigen – in originaler Optik und moderner Qualität. Porsche Classic heißt die Sparte des Sportwagen-Herstellers, die für die Versorgung aller Fahrzeuge zuständig ist, deren Produktionsende mehr als 15 Jahre zurückliegt. So fertigt Porsche seit Kurzem die Armaturentafel der 911-Klassiker der Baujahre 1969 bis 1975 nach. Die Tafel besteht aus einem modernen Unterbau mit der ursprünglichen Oberflächenstruktur. Riffelung und Haptik, Glanz und Schwarzgrad sind mit dem Original identisch. Das Neuteil kann übers Porsche-Zentrum bestellt werden, kostet allerdings 952 Euro. Wie Porsche lassen auch Audi, BMW und Mercedes spezielle Teile nachfertigen.

Mercedes

Mercedes legt vor allem häufig nachgefragte Ersatzteile neu auf. Dabei werden die Originalteile nach den Zeichnungen und Standards des jeweiligen Baujahres gefertigt. Die Klassik-Abteilung verspricht eine umfassende Teileversorgung für Modelle ab Mitte der 1950er-Jahre. Aber auch für Vorkriegsmodelle gibt es vereinzelt Ersatzteile – oder sie werden nachgefertigt. Imposant ist die Ersatzteilversorgung für das erste Automobil der Welt: den Benz Patent-Motorwagen von 1886. Für dieses Fahrzeug hat Mercedes fast alle Verschleißteile auf Lager.

Audi

Bei Audi übernimmt die Traditions-Abteilung die Teileverantwortung nach dem regulären Versorgungsende. In der Regel sind das 15 Jahre nach Ende der Produktion. Die Nachfrage sowie technische und wirtschaftliche Machbarkeit regeln das Angebot. Dabei werden Neu- und Nachfertigungen regelmäßig bei den jeweiligen Lieferanten in Auftrag gegeben. Sofern nötig und sinnvoll, kommen moderne Fertigungsverfahren und moderne Materialien zum Einsatz. Der Schwerpunkt der Oldie-Versorgung liegt auf Modellen ab ungefähr 1980. Dazu kommen verschiedene Teile anderer Marken der Audi-Familie wie DKW, Wanderer, Horch und NSU.

BMW

Die BMW Group Classic übernimmt ebenfalls 15 Jahre nach Produktionsende die Teileverantwortung. Grundsätzlich versucht BMW die Ersatzteilproduktion aufrecht zu erhalten. Das können Originalteile aus der jeweiligen Zeit sein oder nachgefertigte Teile. Einschränkungen gibt es beispielsweise bei den Polsterstoffen und -farben. Derzeit bietet BMW 55.000 Teilepositionen, pro Jahr kommen rund 500 weitere Teile hinzu. Dabei regiert die Nachfrage die Prioritätenliste. Beispielsweise umfasst das Angebot den Zylinderkopf des BMW 328 von 1936 bis hin zu Türdichtungen des E12. Mit 3-D-Druckern ergeben sich künftig neue Möglichkeiten der individuellen Ersatzteilproduktion.

Am Ende bleibt nur die Selbstreparatur

Bei Porsche liegen im Classic-Katalog für das G-Modell (1974-1989) rund 7.100 Teilepositionen parat. Leider nicht die, die ich suche. Da ich im Sommer mit dem Auto noch ein paar Kilometer fahren möchte – und zwar mit Armauflagen - hilft nur eine Reparatur. Also Teile ausbauen, Risse feilen, Epoxidharz anrühren, kleben und ein Metallband darauf fixieren. Nach zwei Tagen in der Zwinge alles wieder einbauen – das hält und fällt nicht weiter auf.

Nur die Mittelkonsole mit dem Riss und den Brandlöchern muss ich mir neu besorgen. Aber erst im Winter, wenn der Elfer eingemottet wird. Definitiv in einer neuen Garage.

Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht

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