862 PS, 1.000 Newtonmeter, ein Flugplatz in der Eifel. Jaguar lässt mich den Prototypen C-X75 testen. Eine Runde lang. Wie bremst man einen Moment, in dem es um pures Tempo geht?
Mendig – Denke ich an Supersportler, dann denke ich auch an Jaguar. Aber erst nach Ferrari, Lambo, Bugatti, Mercedes und vielen anderen. Klar, der E-Type war mal so was wie ein Spitzensportler. Der XJ220 eines der schnellsten Autos der 90er. Die XJR-9 Prototypen (750 PS) gewannen zweimal in Le Mans, fuhren 395 km/h schnell. In meinem Kopf cruiste trotzdem erst ein XJ ins Bild, wenn jemand Jaguar sagte. Bis heute. Bis ich in diesem Auto sitze. Einem Wagen, der ähnlich schnell fährt wie der Le-Mans-Sieger – und ähnlich selten ist. Vor dem Einsteigen gleiten meine Fingerkuppen über raue Carbon-Haut. Beim Concept C-X75 war die noch aus Aluminium. Doch bei den fünf gebauten Prototypen spart der Kunststoff Gewicht. Weniger Kilos erhöhen die Dynamik und verlängern die Reichweite des Hybrid-Supersportlers. Bisher fuhren erst 40 Menschen diese Autos. Und viel mehr werden es nicht werden – die Serienfertigung hat Jaguar abgesagt. Quelle: Jaguar Ich öffne die Tür. Gen Himmel, war ja klar. Soll ich ein Gebet hinterherschicken? Ist ja immerhin ein 862-PS-Wagen, den ich gleich über den abgesperrten Flugplatz pilotiere. Was die Fuhre wohl kostet, will ich von Antriebs-Entwickler Ian Cluetts wissen. Er schweigt und wendet die Augen nach oben. Das ist jetzt doch etwas zu viel des Guten. Kein Gebet, sondern Gas ist das Mittel des Augenblicks. Ich steige ein und verschmelze mit dem Innenraum. Wunderwerk der TechnikC für Concept, X für x-perimentel und die 75 zur Feier des Jubiläums. So alt wurde Jaguar, als die Engländer den C-X75 in Paris als Studie vorstellten. 2010 war das. Als es an die Realisierung der Prototypen ging, mussten die Ingenieure zaubern. Die Wagen sollten nah am Konzept sein. Also saufen wie ein Toyota Prius, weit fahren wie ein Opel Ampera und dabei rennen wie ein Bugatti Veyron. Gleich vorweg. Das Ergebnis knackt nicht die 400-km/h-Grenze. Aber das ist mit dem 1,6-Liter-Reihenvierzylinder hinter mir auch echt schwer. Selbst mit der Unterstützung von Hochleistungsakku (300 kW), Elektromotor und automatisiertem Siebengang-Getriebe geht das nicht. Die Vorderachse hat einen eigenen Elektromotor samt einstufigem Getriebe als Antriebsquelle. Eine mechanische Verbindung zwischen Vorder- und Hinterachse gibt es nicht. Die E-Motoren übernehmen neben dem Antrieb auch die Aufgaben von Rückwärtsgang, Anlasser und Lichtmaschine, das spart Gewicht und Platz. Die Antriebskomponenten liegen zwischen den Achsen, im Mitteltunnel befindet sich der 60-Liter-Tank. Zuerst zeigt mir ein Instruktor den Weg. Im Elektromodus. E-Mobil mit RennsoundQuelle: Jaguar Aber wie ein E-Auto fühlt sich das nicht an. Es ist heiß, schnell und – laut. Abrollgeräusche dröhnen in den Ohren. Vibrationen werden von den Ingenieuren mittels eines speziellen Wandlers verstärkt und in das Dach übertragen. Man soll mit allen Sinnen fühlen, dass man fährt - auch, wenn es elektrisch ist. Auf der Landebahn gibt mein Instruktor den Elektromotoren die Sporen. 90 Meilen zeigt das Digital-Tachometer. 140 km/h. Im normalen Betrieb sollen die C-X75-Prototypen 60 Kilometer rein elektrisch schaffen. Für den kombinierten Verbrauch rechnet Jaguar mit 3,8 Litern pro 100 Kilometer, bei den CO2-Emmisionen mit 89 g/km – Werte, die knapp unter denen des Prius (4 Liter/100 km, 92 g/km) liegen. Im C-X75 arbeitet ein Motor für die Formel 1Wir beenden die Runde, wechseln die Plätze und starten den Vierylinder. Aber was ist das bitte für ein Sound? Wer diesen Vierzylinder hört, vergisst einen V8. Lautes, ungefiltertes Brabbeln klingt nach Motorsport. Das Ding stammt von Williams (wie mein Instruktor) und war ursprünglich für die aktuelle F1-Saison geplant. Bis die FIA sich für V6-Motoren entschied. Quelle: Jaguar Laut Jaguar ist es der Motor mit dem besten Kraft-Hubraum-Verhältnis. Ein Turbolader arbeitet mit 2,4 bar Ladedruck, das ermöglicht 509 PS. In den „unteren Drehzahlbereichen“ – bis 5.500 Umdrehungen - hilft ein Kompressor. Zusammen mit den Elektromotoren ergibt sich die wahrscheinlich geschmeidigste Beschleunigung, die je ein Jaguar erreichte. Kein Rucken, kein Kick trübt den Vorwärtsdrang „Wie lange dauert eigentlich eine Runde“, frage ich den Mann von Williams. „So ungefähr zwei Minuten.“ Zeit ist relativ1. Gang, 2. Gang, 3. Gang - Kurve. In ca. 3 Sekunden fährt der C-X75 aus dem Stand auf 100 km/h. Der 1.900-Kilo-Typ schießt vorwärts und fühlt sich unfassbar leicht an. Schwer ist nur mir zumute, während ich im nur 1,16 Meter hohen Jaguar in Renngurte gefesselt direkt über dem Carbon-Boden hocke. Ich nehme zwei weitere Kurven, dann schieße ich mit Vollgas über die lange Gerade. Der C-X75 soll 354 km/h schaffen. Mir bleibt die Zeit bis zu den Pylonen am Horizont. Ich drehe, trete den Motor bis auf 9.500 Touren, dann knalle ich per Paddel den nächsten Gang rein. Theoretisch soll der Vierzylinder 10.300 Umdrehungen schaffen. Quelle: Jaguar Als wir uns den Hütchen nähern, weiß ich nicht, welcher Gang gerade überträgt. Ich weiß eigentlich gar nichts, aber ich spüre: Wir beschleunigen noch. Ein kurzes Zwinkern zum Tacho: 300 km/h. Die Zeit ist um, ich stampfe auf die Bremse. Der Traum endetDas Rollfeld ist zu kurz. Auf der Gegengeraden versuche ich es wieder, die Hast nach Tempo lässt einen in so einem Wagen in den 120 Sekunden nicht los. Am Bremspunkt trete ich wieder zu. Aber das ABS schläft. Wir rutschen ein-, zweihundert Meter auf die Absperrung zu. Dann löse ich die Bremse, wir bekommen wieder Grip und die nächste Kurve. Mit zwei Bremsplatten an der Vorderachse wollen wir zur Basis. Dann platzt ein Reifen. Die Test-Fahrt ist vorbei. Der Traum vom C-X75 endet hier. Vorerst. Weitere Bilder von unserer Testfahrt im Jaguar C-X75 findet Ihr in dieser Big-Picture-Galerie. Jaguar C-X75 – Technische Daten
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