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Neuer Renault Twingo: Fahrbericht - Oh, Twingo, du machst misch verrückt

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Die Frauen werden diesen Franzosen lieben. Dabei steckt im kecken Twingo mehr als nur ein kleiner Schwabe. Spaß macht er trotzdem - oder gerade deswegen?

Wir testeten den neuen Renault Twingo: Spaß macht er vor allem in der Stadt Wir testeten den neuen Renault Twingo: Spaß macht er vor allem in der Stadt Quelle: Renault

Nantes/Frankreich - Kooperationen: Da sieht man mal, wohin das führt. Beim neuen Twingo verkündet Renault stolz um 0,5 Millimeter verbesserte Spaltmaße. Ein Gütesiegel, ungefähr so französisch wie Flädlesuppe und so schwäbisch wie die Daimler-Ingenieure, die vermutlich dahinterstecken.

Auf 60 bis 70 Prozent schätzt Ali Kassai die Gleichteilquote zwischen Renault Twingo und Smart Forfour. „Alles was man nicht sieht, ist praktisch gleich“, sagt Renaults Direktor für die kleinen Autos. Für Renaults Einstiegsmodell hat das gravierende Folgen. Der Twingo fährt künftig immer (bisher nie!) als Fünftürer vor, hat erstmals einen Heckmotor und muss doch er selbst bleiben. Das bedeutet: Bunt, lustig und so süß, dass 75 Prozent seiner Käufer Käuferinnen sind. Außerdem ist er praktisch und günstig, ohne dabei billig zu wirken.

MOTOR-TALK-Redakteur Björn Tolksdorf und der Twingo: Vieles ist besser als beim Vorgänger, aber manches vermisst man MOTOR-TALK-Redakteur Björn Tolksdorf und der Twingo: Vieles ist besser als beim Vorgänger, aber manches vermisst man Quelle: Renault

Der dritte Twingo wird kürzer und höher

Das Blech hat Renault ordentlich umverteilt. Der neue Twingo ist 10 Zentimeter kürzer als der Vorgänger, dafür 11 Zentimeter höher. Praktisch: Für Ladungen bis 2,31 Meter Länge können Sitze und Kofferraum eine ebene Fläche bilden. Leider liegt die Ladekante auf weniger praktischen 79 Zentimeter Höhe.

Was Twingo-Stammkunden dagegen hassen werden: Die verschiebbare Rückbank gehört mit dem Heckmotor der Vergangenheit an. Und wer an den Motor heran möchte (um zum Beispiel den Ölstand zu prüfen) muss Umräumen im Heck: Man entferne Teppich und Gummimatte aus dem Kofferraum und löse mit einem Schraubenzieher sechs Schrauben. Glücklicherweise muss so eine Aktion nicht täglich gemacht werden. Die Zugänge für Batterie, Wischwasser und Co. befinden sich praktischerweise unter der kurzen vorderen Haube.

Offen, geschlossen oder als Handtasche: Der Innenraum kann in vielen Punkten individualisiert werden - vor allem beim Handschuhfach Offen, geschlossen oder als Handtasche: Der Innenraum kann in vielen Punkten individualisiert werden - vor allem beim Handschuhfach Quelle: Renault

Schluss mit dem Gelümmel

Konnte man im Vorgänger französisch lümmeln, sitzt man im neuen Twingo-Cockpit hoch und aufrecht wie auf einer anständigen deutschen Schulbank. Mit viel Kopf- und Schulterfreiheit, aber auch mit durch die Radkästen eingeschränktem Fußraum. Wer häufig hinten mitfährt, kann sich nur in den Twingo II zurückwünschen. Im Neuen sitzt es sich dort unbequem steil, und mit großem Falt-Schiebedach (990 Euro) reicht auch die Kopffreiheit nicht aus. Klar, im Vorgänger ging der Komfort zu Lasten des Kofferraums.

Vorne macht der Neue dagegen Vieles viel besser: Gegen den neuen Armaturenträger wirkt der alte wie eine graue Maus mit Mitteltacho. Die bunte Kunststofflandschaft erinnert an Spielzeug, wirkt aber gut verarbeitet und nicht billiger als im Captur oder Clio. Wer es noch bunter mag, kombiniert verschiedenste Farben und steckbare Staufächer, wählt zwischen Handschuhfach offen oder geschlossen. Flaschenhalter oder normales Türfach? Der Twingo hat, was Frauen wollen – sogar ein als Handtasche herausnehmbares Handschuhfach.

Dieser kleine Franzose ist wendig: für eine Drehung braucht er nur 8,6 Meter Dieser kleine Franzose ist wendig: für eine Drehung braucht er nur 8,6 Meter Quelle: Renault

Leider laut

Die hohe Kabine, die steilen Scheiben und die hohe Sitzposition sorgen für ideale Übersicht. Die optionalen Helfer Rückfahrkamera und Parkpiepser braucht man bei diesem echten Stadtauto eigentlich nicht. Genial für die City ist auch der winzige Wendekreis: Nach 8,6 m steht der Twingo wieder am Start. Leider federt der Neue deutlich härter, wo der Twingo II komfortabel war. Da schmerzt jedes Schlagloch, und man fragt sich: Ist das noch ein Renault? Auch Abroll- und Motorengeräusche dringen deutlich hörbar in den Innenraum.

Apropos Motoren: Zum Start bietet Renault den neuen Twingo mit einem Einliter-Dreizylinder mit 70 PS oder einem 0,9-Liter-Turbobenziner mit 90 PS an, jeweils gekoppelt an ein lang übersetztes Fünfganggetriebe. Der günstigere Saugmotor reicht in der Stadt und auf Landstraßen völlig aus, kostet weniger und entfaltet seine Leistung auch noch harmonischer – für den Turbo spricht vorerst wenig. Auch nicht die variable Lenkübersetzung, die Renault dazu spendiert – die konventionelle Abstimmung macht einfach den runderen Eindruck.

Das Getriebe mag schaltfaules Fahren. In der Stadt wird der vierte Gang so gut wie nie gebraucht. Spaß bringt der Twingo hier vor allem durch seine Wendigkeit. Mit diesem Franzosen kann man sich auch in den Pariser Stadtverkehr trauen, wenn man das Fahren im Schwarzwald gelernt hat. Wer noch weniger schalten will, wartet auf das Doppelkupplungsgetriebe. Das durchläuft derzeit noch letzte Abstimmungsrunden.

Zum Start kommt der Twingo mit Einliter-Dreizylinder mit 70 PS oder 0,9-Liter-Turbobenziner mit 90 PS Zum Start kommt der Twingo mit Einliter-Dreizylinder mit 70 PS oder 0,9-Liter-Turbobenziner mit 90 PS Quelle: Renault

Der Männer-Twingo kommt

Reden wir über Geld. Zwar sinkt der Basispreis des Twingo um 400 Euro auf 9.590 Euro. Dafür gibt es aber nur ein Basis-Auto: ohne Start-Stopp-System, Radio, Klimaanlage, geteilte Rücklehne oder elektrische Fensterheber. Das kaufen zwar gar nicht so wenige. Trotzdem empfiehlt es sich, auf die ersten Sondermodelle mit „Klang und Klima“ zu warten. Denn auch in der mittleren Ausstattung stehen noch freche 790 Euro extra für die Klimaanlage in der Preisliste.

Für die connected people stellt sich die Frage nach dem Infotainment-System R-Link. Lohnt es sich? Nicht unbedingt: Zum „R&Go“-Radio bietet Renault eine kostenlose App zum Download, mit der das eigene Smartphone zum Navi wird. Das funktioniert auch ohne Datenverbindung und ist deshalb eine echte Alternative - und außerdem die einzige Möglichkeit, im Twingo einen Drehzahlmesser zu bekommen.

Das wird wohl die wenigsten Twingo-Käuferinnen interessieren, aber vielleicht ist es ja für den ein oder anderen männlichen Interessenten wichtig. Und die sollte es geben, denn Renault verspricht: Der Twingo kommt als flotte RS-Heckschleuder, mit ungefähr 115 PS. Nur wann, da verspricht Renault nichts.

Technische Daten: Renault Twingo

Der Sparsamste

  • Modell: Energy SCe 70
  • Motor: 1,0-l-Dreizylinder-Benziner
  • Antriebsart: Heckantrieb
  • Getriebe: Fünfgang-Manuell
  • Leistung: 71 PS (52 kW)
  • 0-100 km/h: 14,5 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 151 km/h
  • Verbrauch: 4,2 l/100 km (NEFZ)
  • CO2: 95 g/km
  • Länge x Breite x Höhe in m: 3,60 x 1,65 x 1,56
  • Leergewicht: 939 kg
  • Kofferraum: 188-980 l
  • Basispreis für dieses Modell: 10.490 Euro
  • Marktstart: September 2014

Der „Stärkste“

  • Modell: Energy TCe 90
  • Motor: 0,9-l-Dreizylinder-Turbobenziner
  • Leistung: 90 PS (66 kW)
  • 0-100 km/h: 10,8 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 165 km/h
  • Verbrauch: 4,4 l/100 km (NEFZ)
  • CO2: 99 g/km
  • Länge x Breite x Höhe in m: 3,60 x 1,65 x 1,56
  • Leergewicht: 980 kg
  • Basispreis für dieses Modell: 11.990 Euro

Avatar von bjoernmg
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