18. Opel-Treffen Oschersleben - Opel, GT'aime

Oschersleben – Der Duft von verbranntem Gummi mischt sich mit dem Geruch von verkohlter Wurst. Haddaway schreit von links "What is love" aus einem gewaltigen Lautsprecher, von rechts dröhnt der Motor eines betagten Kadetten. Willkommen beim 18. Opel-Treffen in Oschersleben. Willkommen im wahren Leben.

Das sieht so aus: Schwere, graue Wolken hängen von Mittwoch bis Sonntag über der Rennstrecke nahe Magdeburg. Schwere, graue Wolken hängen auch über der Marke Opel. Doch das stört hier und heute niemanden. Kein Gewitter kann die Stimmung trüben. Hier zählt nur der Blitz im Herzen. Mit nackten Füßen stehen junge Leute auf ihren alten Blechpretiosen und tanzen mit der Bierflasche in der Hand. Es ist 11:53 Uhr.

Egal wo man hinsieht, blitzt es Quelle: MOTOR-TALK Beim diesjährigen Opel-Treffen feiern 60.000 Fans ihre Marke, ihre Autos und sich selbst. Sie zelten fünf Tage lang im Matsch, rasen auf klatschnassem Asphalt eine Achtelmeile und driften, bis mindestens einer der Reifen platzt. Die Opelaner haben Spaß mit ihren Autos, mit sich, mit den Opel-Mädchen.

Wenn der Alkohol fließt und die Motoren dröhnen, dann brodelt die Stimmung. Doch nichts kocht über. Eine Marke, eine Gemeinschaft. Die Opelaner sind ein Volk, verbunden durch ein Schicksal, vereint in der Liebe zum Blitz. Ärger gibt es hier selten. Für den Fall, dass doch mal der Einfall eines GTI-Geschwaders droht, patrouillieren 150 Sicherheitskräfte zwischen 20.000 Autos. 20 Ärzte sind im Einsatz. Nur für den Notfall. Und rund um die Uhr.

Mit 264 PS angereist, mit 320 wieder zurück

Viele Opel-Fans legten einiges an Kilometern zurück, um beim weltgrößten Fan-Treffen mitzuhupen. Ein paar kamen aus Schweden, andere aus Niederösterreich. Außerhalb von Deutschland gibt es scheinbar nur wenige Menschen, die so verrückt nach Opel sind. Der schwedische Club von Tony Schöneck besteht aus sieben Mitgliedern. Sechs von ihnen reisten mit einem Wohnmobil an, und mit Tonys GT Roadster.

Tonys GT und unser GT vor dem Opel-Zelt Quelle: MOTOR-TALK Die orangefarbene Neuauflage des Original-GT kam mit 264 PS zum Treffen. 320 PS leistet der Vierzylinder, wenn er wieder Richtung Schweden rollt. Das Chiptuning war ein Deal, den Tony über Facebook ausgehandelt hat. Bezahlt hat er mit selbstgebastelten LED-Leisten.

Auch ich bin mit einem Opel GT hier, einem extrem seltenen Aero GT von 1969. Mein Auto gehört eigentlich Opel. Tonys Auto ist unterm Kleid eigentlich ein Pontiac (Update nach Hinweis von unseren Usern "nurleser" und "opel-infos"). Unsere GTs verbindet wenig, außer der Farbe und dem Markenzeichen. Trotzdem sieht der von Tony neben dem Aero ganz schön alt aus. Und das, obwohl er 50 Jahre jünger ist. Das sagt vieles über eine Marke, die eine glorreiche Vergangenheit hat. Aber diese endete vor 15, 20 Jahren.

Geil, einfach geil

Die Fans in Oschersleben lieben meinen leuchtenden Blitz. Wer sich kurz hineinsetzen darf, steigt strahlend wieder aus. „Geil, einfach geil“, viel mehr gibt der Wortschatz von Katrin Messal vor lauter Begeisterung nicht her. Schon lange träumt sie von einem alten GT. Seit der Wende, als sie sich mit ihrem Mann Maik den ersten Opel gekauft hat, einen Ascona. Heute besitzen die beiden sechs Opel-Modelle. Zum Fuhrpark gehört auch ein Comodore GS/E von 1974. Er soll bei der Oldtimer-Wertung für das Paar einen Pokal gewinnen.

Gerald Berger verzichtet auf eine Sitzprobe. "Ich kann jeden Tag in einem GT sitzen. Ich habe selbst einen", sagt er und strahlt stolz. In seiner Heimat Tirol sind solche Autos absolute Mangelware. Für 8.000 Euro kaufte er ein unrestauriertes Exemplar. Heute ist sein Auto unbezahlbar. Zumindest aus Sicht von Party, Party, Party - auch das gehört zum Opel-Treffen Quelle: MOTOR-TALK Gerald, der all seine Zeit und all sein Geld in den GT investierte. Die 950 Kilometer bis nach Oschersleben hat er seinem Liebling nicht zugemutet. Er ist mit einem Astra gekommen. Den GT trägt er im Herzen und zeigt ihn auf digitalen Fotos.

Ein gefährlicher Corsa

Das Motto von Oschersleben durchschaut man schneller als den Lageplan. Hier geht es um Sehen, um Gesehen- und um Gehörtwerden. Von morgens bis abends drehen junge Leute in alten Autos ihre Runden. Viele Fahrzeuge sind offenbar nur für dieses motorisierte Schaulaufen aufgerüstet worden. Dort, wo normalerweise die Fahrzeugkabine sitzt, befinden sich Tische und Stühle wie in einer Bar. Manche Autos sehen aus wie rollende Musikboxen. Eines wie ein aufgeblasenes Barbie-Auto. Und ein Modell ist sogar gefährlich.

Wengos Corsa von 1989 zum Beispiel. Der Kleinwagen hat eine 700 Kilogramm wiegende Soundanlage an Bord. Wenn der Hobby-Tuner die voll aufdreht, kann man im Innenraum kaum noch atmen. So stark wird das Herzkreislaufsystem vom Bumms der Boxen gestört. Deshalb muss Wengo, der mit bürgerlichem Namen Michael heißt, auch draußen bleiben, als sein Wagen beim Sound-Contest vorfährt.

160,2 db zeigt das Messgerät an. Damit liegt der weiß-gelbe Corsa ganz weit vorn. Nur ein anderes Auto kann ihm hier und heute Konkurrenz machen. Und das ist ausgerechnet ein BMW. Doch Autos anderer Marken sind auf dem Opel-Treffen keine Seltenheit. Opelaner sind tolerant.

Bei der Drift-Challenge gehen nicht nur Opel an den Start Quelle: MOTOR-TALK Doch BMW hin oder her. Der fast sichere Sieg ist Wengo nicht genug. Er möchte nochmal Hand anlegen und seinen Corsa einen Ticken lauter machen. „Du weißt, wie verrückt das klingt“, sage ich. Und Wengo lacht. Natürlich weiß er es. Und er ist stolz auf seinen Spleen und auf seinen Kleinwagen, der dröhnt, bis einem die Luft wegbleibt.

Messen in allen Lagen

Der Sound-Contest ist nur einer von vielen Wettbewerben. Drift-Challenge, Achtelmeile, Show-and-Shine, immer geht es nur um eins: Wer hat den Schönsten, den Stärksten, den Schnellsten? Ein bisschen Proll und ein wenig Protz gehören zur Schrauber-Kultur. Das hat etwas von Freiheit und Rebellion. Und es ist auch eine Form des Protest. Gegen das Establishment in seinen BMW-Mercedes-Audi-Dienstwagen. Opel, das sind Leute, die anpacken, die schwitzen, die arbeiten. Die sich auch mal volllaufen lassen. Mit Bier, mit Wodka und billigen Mischgetränken aus dem Discounter. Aber Opel steht auch für Werte und Tugenden, die dieses Land geprägt haben. Aufrichtigkeit. Ehrgeiz. Fleiß. Bodenständigkeit. Und so ist Opel ein bisschen wie das Leben selbst. Nicht wie es sein sollte, in Tagträumen. Sondern wie es ist. Mit all der Schönheit und dem Lachen. Aber auch mit all dem Schmerz und Unperfektem des Alltags.

Darüber wollen die Opel-Mädchen am Samstag Abend hinwegtrösten. Bei der Wahl zur Miss Opel laufen sie im kurzen Jeansrock vor der grölende Meute hin und her. Verloren baumelt an jeder ein farbiges Fuchsschwanz-Imitat an der Hüfte. Die Mädchen heißen Loreen, Roxanne und Sissy. Sie sind Friseurin oder ehemalige Autohaus-Mitarbeiterin. Aber sie alle fahren Opel. Anne Katrin zum Beispiel einen pinkfarbenen Opel Tigra. Farblich passend prangt ein Hello-Kitty-Tattoo auf ihrem Dekolleté.

Miss Opel Platz eins bis drei bei einer Ausfahrt im Cascada Quelle: Opel Wenn die jungen Damen die Arme nach oben werfen und über ihren Köpfen die Hände zusammenklatschen, schreit die Menge. Dann tritt Jennifer nach vorn. Ein Mädchen, das von Heidi Klum nur mit Mühe ein Autogramm bekommen würde. Aber diese Jennifer ist keck und verkündet: „Stille Wasser sind tief - und schmutzig“. Die Jungs im Saal rasten aus. Spät in der Nacht wird die 24-Jährige zur Vize-Miss-Opel gewählt.

Schon am nächsten Morgen tritt sie zur ersten Amtshandlung an. Sie muss sich auf dem Kofferraum eines Opel Cascada platzieren, gemeinsam mit der neuen Miss Opel und der Drittplatzierten. Die Mädels zittern in kurzen Röcken und leichten Tops. Das Thermometer zeigt einstellige Temperaturen. Doch was ist das bisschen Gänsehaut gegen den Ruhm? Hier in Oschersleben sind die drei Damen die Schönsten. Hier in Ochersleben ist die Welt von Opel in Ordnung.

Update: Hier gibt es News zum Opel-Treffen in Oschersleben 2015.

Ein rosafarbener Kadett beim Show-and-Shine