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Baldiger VW-Aufsichtsratschef über Diesel-Skandal - Pötsch: Abgas-Skandal ist existenzbedrohende Krise

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Hans Dieter Pötsch, der künftige starke Mann im VW-Aufsichtsrat, sieht im VW-Skandal eine "existenzbedrohende Krise". Fürchtet er den finanziellen Kollaps des Konzerns?

Hans Dieter Pötsch soll so bald wie möglich in den VW-Aufsichtsrat aufrücken. Im Abgas-Skandal sieht der bisherige Finanzvorstand eine "existenzbedrohende Krise" Hans Dieter Pötsch soll so bald wie möglich in den VW-Aufsichtsrat aufrücken. Im Abgas-Skandal sieht der bisherige Finanzvorstand eine "existenzbedrohende Krise" Quelle: dpa/Picture Alliance

Wolfsburg – Der designierte VW-Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch gilt nicht als Mann der Übertreibungen. In seiner bisherigen Funktion als Finanzvorstand stand stattdessen trockenes Zahlenwerk im Mittelpunkt seiner öffentlichen Auftritte.

Auf einer internen Veranstaltung in der vergangenen Woche soll der Zahlenmensch Pötsch von einer „existenzbedrohenden Krise für den Konzern“ gesprochen haben. Das berichtet die „Welt am Sonntag“. Demnach sagte Pötsch weiter: Er sei sicher, das „kriegen wir hin“ – wenn alle mitzögen.

Wie Pötsch diesen für seine Verhältnisse drastischen Satz meinte, blieb offen. So schnell wie möglich soll der Finanzexperte Medienberichten zufolge zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden der Volkswagen AG bestellt werden. "Wenn wir diese Krise nicht als existenziell verstehen, dann wird nicht der Wandel passieren, den dieser Konzern braucht", zitiert die Zeitung einen weiteren, nicht namentlich genannten hochrangigen Manager.

Was kostet der VW-Skandal?

VW-Testcenter in Oxnard, Kalifornien: In den USA gibt es erste Versuche, die Schummelsoftware mit Todesfällen in Verbindung zu bringen VW-Testcenter in Oxnard, Kalifornien: In den USA gibt es erste Versuche, die Schummelsoftware mit Todesfällen in Verbindung zu bringen Quelle: dpa/Picture Alliance

Als Mann der Zahlen dürfte Hans Dieter Pötsch die VW-Finanzen meinen. Gegenüber dem März 2015 verlor VW an der Börse fast 75 Milliarden Euro an Wert, berichtet das Handelsblatt. Statt 120 Milliarden Euro sei VW nur noch 46 Milliarden Euro wert.

Hinzu kommt: Nach Angaben von „Interbrand“ sank der Wert der Marke VW parallel um neun Prozent auf rund 11,1 Milliarden Euro. Interbrand berechnet den Markenwert auf Basis von Geschäftszahlen, Wirkung der Marke auf Kunden und einer Einschätzung der Fähigkeit, in der Zukunft Gewinne zu sichern.

Ein massiver Imageverlust könnte für VW sinkende Umsätze bedeuten – und damit sinkende Gewinne. Insbesondere in den US-Markt wollte der Konzern vor der Krise viel Geld investieren: Neue Modelle, kürzere Modellzyklen, mehr Produktionskapazitäten.

Rückstellung nur für technische Nachbesserungen

Was davon übrig bleibt, ist derzeit unklar. Laut dem Bericht der „Welt am Sonntag“ stehe der komplette Investitionsplan „von mehr als 100 Milliarden Euro bis 2018“ zur Disposition. Denn wie kostspielig die Krise am Ende wird, weiß niemand. Die 6,5 Milliarden Euro Rückstellung, die VW bislang angibt, fließen vermutlich in die Umrüstung der betroffenen Fahrzeuge.

Was danach an Strafen, Schadensersatz und Anwaltskosten auf Wolfsburg zurollt, darüber gibt es allenfalls Schätzungen. Hier rechnet die Landesbank Baden-Württemberg nach Informationen des „Handelsblatts“ mit 47 Milliarden Euro. Seitens der Aktionäre drohen Sammelklagen: Laut einigen Juristen hat sich der Konzern wegen einer Reihe von unterlassenen sowie unvollständigen Kapitalmarkt-Informationen gegenüber seinen Aktionären schadenersatzpflichtig gemacht.

Weltweit formieren sich Juristen, die Volkswagen zur Verantwortung ziehen wollen. Das bedeutet: Sie wollen Geld. Das größte Klagerisiko erwarten Beobachter in den USA, deren Verbraucherschutznormen dafür prädestiniert sind. Häufig fordern Anwälte dort Entschädigungen als Kompensation für einen geringeren Wiederverkaufswert von Fahrzeugen. Jeder vierte in den USA verkaufte VW ist ein Diesel, der Imageschaden könnte außerdem Benziner betreffen.

Volkswagen-Werk Zwickau: Für Europa bleibt VW bei den bisherigen Absatzprognosen, für die USA traut sich der Konzern keine Prognose mehr zu Volkswagen-Werk Zwickau: Für Europa bleibt VW bei den bisherigen Absatzprognosen, für die USA traut sich der Konzern keine Prognose mehr zu Quelle: dpa/Picture Alliance Das ist jedoch nicht alles. Die US-Nachrichtenagentur „Associated Press“ (AP) sowie Wissenschaftler einer Universität in Pennsylvania sagen: Durch VWs Schummelsoftware und die damit einhergehenden höheren Abgaswerte starben in den USA zwischen 16 und 94 Menschen. In Europa liege die Zahl aufgrund der höheren Bevölkerungsdichte und dem großen Diesel-Bestand deutlich darüber.

Todesfälle durch VW-Diesel?

Die Forscher errechneten per Computermodell eine ungefähre Anzahl von Toten, die sich aus den 10- bis 40-fach über dem Grenzwert liegenden Emissionen der VW-Diesel ergeben. Das Modell bezieht auch Luftbewegungen und medizinische Studien in die Berechnungen mit ein, berichtet die „Detroit News“. Nach Angaben von „AP hätten mehrere Universitätsprofessuren die Berechnungen überprüft und bestätigt. Insgesamt sollen in den USA 50.000 Menschen jährlich an den Folgen von Feinstaub in der Luft sterben.

Gut für VW: Es ist unmöglich, mit solchen Verfahren einen konkreten Todesfall mit VW-Fahrzeugen in Verbindung zu bringen. „Statistisch können wir nicht nachweisen, wer deswegen gestorben ist“, zitiert die „Detroit News“ den Umweltwissenschaftler Peter Adams. „Aber einige Leute sind deshalb vermutlich gestorben“.

Volkswagen of America teilte mit, die US-Umweltbehörde habe festgestellt: Die „betroffenen Fahrzeuge stellen kein Sicherheitsrisiko dar und dürfen legal bewegt werden“. Ein Zusammenhang zwischen Emissionen dieser Fahrzeuge und „spezifischen Gesundheitsschäden“ sei unbestätigt.

Drohen Kreditprobleme?

Fraglich ist, ob US-Richter das auch so sehen. Dieses Risiko kann VW schwer kalkulieren. Hans Dieter Pötsch sieht nach Informationen der „Welt am Sonntag“ ohnehin ein noch dringenderes Problem: die Liquidität. Sollten Banken wegen der Krise und möglicher Folgen die Bonität der Volkswagen AG schlechter beurteilen, könnte der Finanzkreislauf ins Stocken geraten, der den Konzern am Laufen hält.

Für Einkauf und Leasinggeschäfte benötigt VW, wie jeder Automobilbauer, permanent frisches Geld. Fließt es nicht mehr, droht im schlimmsten Fall die Insolvenz. So erging es dem Konkurrenten General Motors während der Bankenkrise 2009.

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