Vernünftig war der X6 nie und wird es auch nie sein. Das macht ihn auf einigen Märkten so stark. Darum ändert BMW bei der Neuauflage des unmöglichen SUV-Coupé wenig. Erste Fahrt .
Von MOTOR-TALK-Reporter Björn Habegger Spartanburg - Ein bisschen spinnen die ja auch bei BMW. Entschuldigt die klaren Worte. Aber so ist es nun mal, wenn man in einem mindestens 65.000 Euro teuren Wagen sitzt (tatsächlich sitze ich in einem wahrscheinlich 100.000 Euro teuren Modell), der Blick von der Windschutzscheibe in die Mitte des Armaturenbretts wandert und man dabei nichts sieht. Nur blauen Himmel, die Kante der Motorhaube und das enorm große 9,6 Zoll große Display. Darauf ist zu erkennen: Nach dem Himmel kommt der Matsch. Die Karre kippt, es geht bergab, platschend rollt der unmöglichste BMW aller Zeiten durch die knapp einen halben Meter tiefe, geflutete Senke. Warum das ein unmöglicher BMW bzw. ein unmögliches Auto ist, erklärt sich von selbst. An SUV-Coupés haben wir uns in den vergangenen Jahren gewöhnt, aber logisch durchdacht werden sie deshalb immer noch nicht. Das wissen alle, auch BMW. Trotzdem schicken sie uns mit diesem Blechkoloss wie auf einem Nilpferd reitend durch die Matsche. Wäre das mein Auto und ich würde das mit meiner Frau machen, die würde sagen: Schatz, du hast doch einen an der Kla..... Egal, der X6 wühlt und wütet sich durch den wassergetränkten Untergrund. Die Bilder der Frontkamera sind spektakulär. Die 19-Zöller, der Allradantrieb und die Bodenfreiheit ermöglichen diesen Ausflug. Wahrscheinlich der einzige, den dieses Auto je in die Pampe macht. Born in the UXAIn Sichtweite des Testgeländes liegt das BMW-Werk Spartanburg. Hier, in South Carolina, rollen bald mehr BMW vom Band als in jedem anderen BMW-Werk. 450.000 Autos im Jahr. Made in Germany klingt hier wie ein Udo-Jürgens-Hit. Irgendwie gut, aber sehr nostalgisch. Die BMW-Produktion folgt den Kunden, und wenn es um SUV geht, bedeutet das: Amerika. BMWs mit X sind eine Erfolgsgeschichte. Das liegt nicht an ihrer Geländefähigkeit oder an den 3,5 Tonnen, die man ziehen dürfte. Der Bauch schlägt das Hirn. Vernünftiger wären Kombis mit Dieselmotor oder Quelle: BMW Hybrid-Benziner, aber dieser X6 geizt mit Vernunft und reizt mit purer Verschwendung. Weniger Platz als in jedem Kombi, gefühlt mehr Flächenverbrauch als vier Smart. Dabei legt BMW Wert darauf: Es heißt nicht SUV, sondern SAC (Sports Activity Coupé). Das klingt zwar nicht besser, aber anders. Driften im MSport, Aktivität? Die Teststrecke in Spartanburg bietet neben Dreckpisten auch plane Bitumen-Bahnen samt bewässertem Kreis. Beim Drift im nassen Rund verfliegt jeder grüne Gedanke. Kurzer Lenkimpuls, Vollgas im fixierten zweiten Gang, und ab geht er. Wie der Tri-Turbo-Reihensechszylinder-Diesel mit 381 PS und 740 Newtonmetern maximalem Drehmoment das 2,2-Tonnen-Schiff herumschleudert, der Allradantrieb es wieder einfängt - so fährt zwar „draußen“ keiner, aber WTF...geil ist es. Der Allrad arbeitet dabei engagiert gegen den Drift. Rutschen die Hinterräder, wandert die Energie nach vorn, hinten verschiebt das aktive Differenzial die Kraft zum kurveninneren Rad. Da hilft nur mehr Gas und hart am Pin bleiben. Dann driftet so ein X6 M50d. Einmal, zweimal, dreimal. Bis jetzt bin ich schon sehr begeistert vom X6, nur etwas Vernünftiges habe ich noch nicht mit der Neuauflage des X6 erlebt. Aber darum geht es wohl auch nicht. Alltag mit acht PöttenBleiben wir bei der Unvernunft und tauschen den Diesel gegen den X6 50i. Nach Deutschland passt so ein V8-Benziner nicht mehr, aber in den USA leistet sich BMW fette Motoren. Der Achtzylinder soll ja auch sparsamer geworden sein, um 22 Prozent. Auf kurvigen Landstraßen fällt der V8 lässig in den Drehzahlkeller. Die meisten der 450 PS sind verschenkt, unterfordert. Das sanfte V8-Brummeln illustriert BMWs neues Infotainment-System iDrive: Liebevoll animierte Grafiken, tolle Auflösung, aber noch immer ein wenig umständlich in der Bedienung. Das alles ist gut und schön, aber wer braucht so einen X6, wer zahlt schon mehr Geld für weniger Platz? 260.000 Kunden taten bisher genau das, investierten in ein Auto so hoch wie breit, so ausufernd wie dekadent. Quelle: BMW Ja, so ein BMW X6 soll polarisieren. Und das schafft er auch. Nur soll der Fahrer davon im besten Fall nichts merken, bis er vor der Disco aussteigt. Dafür sorgen ein Komfort-Fahrwerk mit Luftfederung an der Hinterachse, eine Wankstabilisierung und adaptive Dämpfer. X6: Unsinnig wie faszinierendDazu der achtköpfige Kraftklub unter der Haube, ein Allradantrieb, und dann? Tut der X6 so, als wäre gar nichts. Keine 2,2 Tonnen abzüglich der zwei Kilo Leichtbau an der neuen Vorderachse. Kein 4,91 Meter langer und zwei Meter breiter Berg, mit 85 Litern Tankinhalt und vergleichsweise bescheidenen 580 Litern Kofferraumvolumen. Stellt man die Fahrdynamik-Regelung auf Sport, verschwinden die Pfunde im Nichts. Auf winkligen Straßen spürt man im X6 die Leichtigkeit. L-E-I-C-H-T-I-G-K-E-I-T. Ausgerechnet. Das ist unsinnig wie faszinierend. Ab dem 6. Dezember steht der neue BMW X6 beim Händler. Mindestens 65.650 Euro Listenpreis stehen im Leasingvertrag. Acht Zylinder im 50i kosten 82.500 Euro, der M50d kostet 87.300 Euro plus Extras. Im Frühjahr folgen der 35i für 66.150 Euro und der 40d für 71.850 Euro. Mehr von Björn Habegger findet Ihr auf seinem Blog. Und wer wissen will, wie sich der BMW X6 M fährt, liest hier weiter. BMW X6: Technische DatenDer Einfachste
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