Auf dieses Auto schaut die Welt: Der Tiguan ist der erste neue VW seit Bekanntwerden des Abgasskandals. Wir haben ihn am Nordpolarkreis getestet.
Arvidsjaur/Schweden – Es fühlt sich so an, als wolle der Tiguan seinen Diesel verstecken. Dicke Dämmmatten schirmen den Selbstzünder ab, im Innenraum nimmt man ihn kaum wahr. Sein Knurren wird vom Schnee übertönt, der in die Radhäuser prasselt. Er klingt wie Selters im Wasserglas. Diesel entzündet sich zumindest akustisch ganz weit im Hintergrund. Dabei beschäftigen wir uns mit diesem Kraftstoff und VW seit Monaten besonders intensiv. Quelle: Volkswagen Der neue Tiguan ist für VW das wichtigste Auto 2016. Einerseits, weil sich der Alte nach wie vor gut verkauft. Aktuell bietet die Marke beide Generationen parallel an. Bei VW belegt der Tiguan Platz vier der Zulassungsstatistik (nach Golf, Passat und Polo). Andererseits, weil der Tiguan 2 das erste neue Modell seit Bekanntwerden des Abgasskandals ist. Die Auto-Welt sieht in diesen Motorraum. Er muss sauber sein, im übertragenen Sinne. Besonders, weil in den USA auch die aktuellen Motoren (Kennung EA 288) vom Skandal betroffen sind. VW Tiguan 2: Diesel für Deutschland, Benzin für AmerikaWie es in den USA mit dem Diesel weitergeht, ist unklar. Die US-Kollegen testen deshalb Benziner. In Deutschland kauften im vergangenen Jahr zwei Drittel aller Tiguan-Kunden Selbstzünder. Wir fahren einen Diesel, einen, der sich nur unter hoher Last nach einem Diesel anhört. Er läuft gefühlt ruhiger als in Passat und Golf. Sauberer als sein EA-189-Pendant im Vorgänger sowieso – Betrugssoftware, sagt VW, gibt es in der neuen Motorengeneration in Deutschland nicht. Bei so viel Aufmerksamkeit für Stickoxide bleiben die CO2-Werte beinahe unverändert. Auf dem Prüfstand verbraucht der Allrad-Tiguan mit 150 Diesel-PS aus 2,0 Litern Hubraum 5,6 bis 5,7 Liter pro 100 Kilometer – im besten Fall einen Zehntelliter weniger als der Tiguan 1 mit gleicher Ausstattung. VW hatte dem alten Modell im vergangenen Jahr bereits neue Motoren spendiert. Quelle: Volkswagen Auf ruhiger Fahrt über schneebedeckte Landstraßen schluckt unser Testauto rund sieben Liter. Die Kombination aus Allradantrieb und Doppelkupplungsgetriebe macht diesen Tiguan vergleichsweise durstig. Der Handschalter mit Frontantrieb spart fast einen Liter Kraftstoff ein. Das liegt am niedrigeren Gewicht (gut 100 Kilogramm) und dem schlechteren Wirkungsgrad des DSG. Mehr Platz, mehr Kofferraum, mehr AusstattungHinter dem Motor renoviert VW alles. Radstand und Gesamtlänge des Tiguan wachsen um 8 bzw. 6 Zentimeter, die Hinterbänkler bekommen 3 Zentimeter mehr Platz an den Knien. Mit der verschiebbaren Rückbank in Lümmel-Position sitzen Fond-Passagiere bequemer als im Passat. Ans andere Ende gerückt passen 615 Liter Gepäck in den Kofferraum, 145 Liter mehr als bisher. Im Inneren wirkt der neue Tiguan wie eine Mischung aus Touran und Passat. Knöpfe, Schalter und Materialien folgen dem VW-Standard. Im Griffbereich gibt es weichen Kunststoff und lackierte Flächen. Darunter erfühlen wir hartes Plastik. Das digitale Cockpit und das Head-Up-Display mit zusätzlicher Scheibe kosten Aufpreis, einen rahmenlosen Innenspiegel gibt es serienmäßig. Vier erwachsene Menschen sitzen im Tiguan bequem, ein fünfter muss den Bauch einziehen. 2017 startet eine verlängerte Version mit sieben Sitzen. VW baut den XL-Tiguan in Mexiko und will ihn vor allem in den USA und in China verkaufen. In Deutschland wird es ihn auch geben, gegen Aufpreis. Allradantrieb im VW Tiguan 4MotionQuelle: Volkswagen Ungewöhnlich für VW: Optisch ändert sich alles. Der neue Tiguan sieht aus wie ein kleiner, moderner Touareg. Trotz größerer Schürzen und weniger Überbiss soll er im Gelände fahren. In Deutschland lag die Allradquote im Tiguan 2015 bei knapp 44 Prozent. Mit dem neuen Modell soll sie steigen. VW rüstet vier von acht Motoren serienmäßig mit Allradantrieb aus. Bei zwei weiteren Motoren gibt es Allrad optional. Im Chassis steckt dann die fünfte Generation des Haldex-Antriebsstrangs. Der leitet bei konstanter Fahrt die Motorkraft nur an die Vorderräder. Das spart einige wenige Zehntelliter Sprit auf dem Prüfstand. Fehlt es an Sicherheit oder Traktion, schließt die Software eine Lamellenkupplung an der Hinterachse. Wo die Kraft genau hinfließt, regelt das System über Bremseingriff an der jeweils gegenüberliegenden Seite. Ein Offroad-Paket steht weiterhin in der Preisliste. Das kostet (ggf. zusätzlich zum Allradantrieb) je nach Ausstattung 160 bis 520 Euro. Es vergrößert den Böschungswinkel vorn und hinten, beinhaltet unlackiertes Plastik sowie einen Unterfahrschutz für den Motor. Alle Allrad-Tiguan bekommen serienmäßig einen Zentimeter mehr Bodenfreiheit und neue Fahrprogramme. Damit fährt das kleine VW-SUV wahlweise stabiler oder freizügiger. Fahrmodi für Schotter und SchneeIm Schnee-Modus tut der Tiguan alles, um den Fahrbahnkontakt zu halten. Er regelt die Leistung weg, bevor das Popometer einen rutschenden Reifen bemerkt. Die Lamellenkupplung schließt, beide Achsen arbeiten und die Helferlein reagieren besonders empfindlich. Beim Geradeaus-Beschleunigen erlaubt das System Schlupf. Unruhe gibt es trotzdem nur, wenn man ihn mit Anlauf in einer Kurve zum Lastwechsel zwingt – und selbst dann nur kurz. Hier geht es um Spurtreue, nicht um Spaß. Das Gegenteil dazu nennt VW Offroad-Modus. Die Lamellenkupplung bleibt ebenfalls geschlossen, doch die Helferlein lassen den Rädern mehr Spielraum. Berg-Assistenten unterstützen bei Steigungen und Gefällen. Gibt der Untergrund nach, drehen die Räder weiter. In diesem Fahrprogramm (und im Modus Offroad Individual) lässt sich die Stabilitätskontrolle fast vollständig deaktivieren. Auf Schnee kann der Tiguan dann driften und rutschen. Die Elektronik regelt nur, wenn der Fahrer auf die Bremse tritt. Zum Vergleich: Der ESP-Sport-Modus des Konzerns fängt das Auto bei zu waghalsigen Driftmanövern ab. Lieber kleine Felgen für den WinterVW hat unseren Tiguan für die Testfahrt hübsch gemacht. Die Winterreifen spannen auf 19-Zoll-Rädern. Das sieht auf Fotos toll aus, ist im Winter in diesem Fall aber unpraktisch. Während der Fahrt (ohne Drifts) sammelte sich Schnee im Felgenbett. Der verteilte sich ungleichmäßig und sorgte für eine spürbare Unwucht. Das Problem ließ sich bei einem Boxenstopp mit den Fingern lösen, trat danach aber wieder auf. Wir empfehlen deshalb kleinere Winterfelgen. VW Tiguan 2: Preise der beliebtesten Ausstattungen VW Tiguan 2 2,0 TDI: Technische Daten
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