Bei diesen Autos wird TÜV-Prüfern schlecht und Petrolheads schwindelig: Ratten sehen aus wie automobile Leichen. Hinter Rost und Elend verbirgt sich aber oft gepflegte Technik.
Los Angeles – Es geht um Unvernunft, um Freiheit, um Individualität. Und vor allem darum, ein Auto zu fahren, das man für Geld nicht kaufen kann: Die Ratten-Szene grenzt sich von allem ab, was normal und serienmäßig ist. Sie zeigt stolz den automobilen Verfall, Rost und Lackschäden. Soll doch alle Welt sehen, was die Karre schon durchgemacht hat – Hauptsache, die Technik hält. Wie das aussehen kann, zeigt der US-Amerikaner Henry Kessler. Sein Rat Rod würde jedem TÜV-Prüfer den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Nichts an diesem Auto ist original, vieles hält mit Schweißdraht und guter Hoffnung. Trotzdem fährt er legal auf öffentlichen Straßen – zumindest in Amerika. Satan’s Rat Rod: Ein Meisterwerk aus EinzelteilenQuelle: Oldtimer-NRW Ein Ford Model A von 1931 stellt die Basis für Henrys Kunstwerk auf Rädern. Der Kalifornier erklärt in der aktuellen Episode von „Big Muscle“, was sein Auto so einzigartig macht: Laternenmasten und Teile eines Flugzeug-Fahrwerks dienen als Rahmen. Motor, Getriebe und Hinterachse stammen von einem 1954er-Reo-Diamond-Laster. Und ein Luftfahrwerk aus einem Linienbus macht den Rat Rod zumindest ein bisschen alltagstauglich. Der Reihensechszylinder leistet überschaubare 275 PS und unglaubliche 2.224 Newtonmeter. Das macht den Rat Rod nicht schnell, aber stark: Big-Muscle-Moderator Mike Musto scherzt, man könne damit New York nach Kalifornien ziehen. Der Benziner befindet sich angeblich im ungeöffneten Originalzustand und hat schon über eine Million Kilometer abgespult. Er ist undicht und verbrennt Öl, treibt den Ford aber zuverlässig an. Kein klassischer Rat RodQuelle: Oldtimer-NRW Henrys Rat Rod ist die moderne Interpretation einer Ratte. Er fällt auf, fährt aber nicht davon. Früher bauten junge Rennfahrer aus alten Chassis und großen Motoren vom Schrottplatz gefährlich schnelle Rennwagen. Sie steckten jeden Cent in Motor, Getriebe und Fahrwerk – für die Optik blieb nichts übrig. Einige lackierten ihre Autos deshalb nur mit Rostschutzmittel oder einer billigen Farbe, andere ließen das Blech verwittern. Die ersten Rat Rods sahen unfertig, vergammelt und schrottreif aus. Aber bei Ampelduellen ließen sie frisches und feineres Blech ganz weit hinter sich. Auch Henry hält nichts von glänzendem Chrom. Er sagt, man kann hunderttausende Dollar in ein Auto investieren. Dann sieht es perfekt aus, aber jede Fahrt wird zur Qual. Ein Steinschlag kann die teure Lackierung ruinieren, das Auto wird zum unberührbaren Heiligtum. Bei seinem Wagen stören Kratzer und Dellen nicht. Er lässt sogar Kinder an sein Auto. So möchte er die Kultur in die nächste Generation bringen. Ratten heuteQuelle: Oldtimer-NRW In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Ratten-Trend in Deutschland ausgebreitet. Dabei beeindrucken die Schrauber durch Improvisationstalent, vor allem, weil die Autos den strengen StVZo-Regeln entsprechen müssen. Aus diesem Grund steckt hinter dem verlebten, rostigen oder einfach matt lackierten Äußeren oft moderne Technik. Heutzutage versuchen viele PS-Hipster, mit ihren modernen Luxuskarossen und SUV auf den Ratten-Trend aufzuspringen. Dazu werden die Autos foliert oder mit rostender Farbe bestrichen. Das fällt zwar auf, entspricht aber nicht der eigentlichen Ratten-Philosophie. In unserer Galerie haben wir mit freundlicher Hilfe von www.oldtimer-nrw.net einige besonders rostige Exemplare zusammengetragen.
Quelle: MOTOR-TALK |