Kultivierte Reihensechszylinder gehören auf die Liste der bedrohten Arten. Dabei kann man damit so wunderbar cruisen. Unterwegs in einem Opel Commodore C.
Von Haiko Prengel Berlin - Die erste Ausfahrt mit dem Opel Commodore beginnt mit einem Schreckmoment. „Wo ist denn der rechte Außenspiegel?”, fragt meine Frau und blickt mich ratlos vom Beifahrersitz an. „Da kann ich ja gar nicht nach hinten gucken!” Mein erster Gedanke: In Berlin-Friedrichshain kann es schon mal passieren, dass sie Dir in der Nacht das Auto demolieren. An meinem eigenen Oldtimer traten sie mir vor einigen Monaten auch den Außenspiegel ab. Diesmal ist alles in Ordnung. Dieser Commodore hatte ab Werk keinen rechten Außenspiegel – wie so viele ältere Opel. Vor 35 Jahren war das normal. Man war damals der Ansicht, auf dieses Ausstattungsdetail verzichten zu können. Dabei fehlt der rechte Außenspiegel auch mir als Fahrer - und das nicht nur beim Einparken. Sondern eigentlich bei jedem Spurwechsel. Nicht ganz passend, zugegeben. Bei dem Treffen dominieren eher tiefergelegte Mantas und Kadetts. Gediegene Senioren-Wagen wie der Commodore sind in der Minderheit, jedenfalls wenn man unverbastelte Fahrzeuge im Originalzustand sucht. Der Commodore stammt aus einer Zeit, als Opel noch in der automobilen Oberklasse mitspielte, oder zumindest mitspielen wollte. Technisch und von der Karosserie her basierte er zwar weitgehend auf dem Rekord. Den Mittelklasse-Bestseller gab es aber nur mit Vierzylinder. Der vornehme Herr CommodoreDer Commodore wurde dagegen ausschließlich mit Sechszylindern bestückt und sprach die anspruchsvollere Kundschaft an. Nur der Senator (und das Monza-Coupé) waren damals noch luxuriöser, basierten aber ebenfalls auf der gleichen Plattform. Die kultivierten Reihensechszylinder-Benziner aus Grauguss haben bis heute einen exzellenten Ruf. Im Grunde waren es die letzten großen, vornehmen Autos, die Opel baute – mal abgesehen von Omega und Senator B. Danach stieg der Hersteller auf die bei Liebhabern ungeliebten Autos mit Frontantrieb um. Der Commodore wurde in drei Generationen gebaut (von 1967 bis 1982), schon die Baureihen A und B waren populär. Der 1977 vorgestellte Commodore C maß sich in seiner Fahrzeugklasse mit dem ersten 5er BMW (E12), dem Ford Granada oder dem Mercedes W123. Mein Test-Commodore ist ein „Berlina”, das stand für die beste Ausstattungslinie: Elektrische Fensterheber vorn und hinten, Schiebedach, Mittelarmlehne hinten und ein Drehzahlmesser, damit man den 2,5-Liter-Reihensechszylinder nicht zu sehr quält. Das 130-PS-Aggregat mit elektronischer Einspritzung ist zum Cruisen ausgelegt, nicht zum Heizen. Trotzdem, auch heute noch kann ich mit dem Wagen wunderbar im Verkehr mitschwimmen, sogar auf der Autobahn. Nur noch 325 Commodore C zugelassenÜberhaupt, entspannt cruisen: Wer macht das heute denn noch? Selbst moderne Klein- und Kompaktwagen kommen mit ihren hochgezüchteten Drei- und Vierzylindern locker auf 150 PS (ok: mit drei Zylindern in der Serie noch nicht ganz). Gerüstet für das Ampelrennen im hektischen Stadtverkehr. Die Fahrwerke gern so straff ausgelegt wie die Gesichtsmuskeln der gestressten Fahrer. Im betagten Commodore C gleitet man dagegen über den Asphalt. Die Lenkung ist indirekt und schwammig, aber das stört mich überhaupt nicht. Der Wagen steuert sich ohnehin eher wie ein schwerer Tanker auf hoher See. Gullideckel und andere Unebenheiten überquert man angenehm hüpfend, wie beim Wellenreiten. Commodore C fahren, das fühlt sich so ähnlich an wie bei einem echten Amischlitten mit V8. Die Europa-GM waren (und sind) nur günstiger und an die hiesigen Größenordnungen angepasst. Leider sind von den knapp 83.000 Commodore C, die Opel einst baute, nicht mehr viele übrig. 2014 gab es laut Kraftfahrzeugbundesamt noch 325 zugelassene Commodore C in Deutschland. Korrisionsschutz ab Werk gab es so gut wie gar nicht, folglich hat Rost die Bestände arg dezimiert. Schweller, Endspitzen, Türunterkanten, Reserveradmulden - die Rekord-/Commodore-/Senator-Familie hat viele Schwachstellen. Extrem empfindlich sind die vorderen Federbeindome. Sie gammeln fast immer, und eine Reparatur ist sehr aufwändig. Selbst bei meinem Test-Commodore könnten die Dome schon einmal geschweißt worden zu sein, denn über die Nähte scheint jemand drübergeschmiert zu haben. Viel Platz, keine MusikAnsonsten macht der Commodore C aus der Opel-Sammlung einen erwartungsgemäß gepflegten Eindruck und eine Menge Spaß. Das Raumangebot ist üppig, auch im Fond. Nur der Kindersitz auf der Rückbank sitzt etwas wackelig auf den flauschigen Velourssitzen. Und das originale Kassettenradio funktioniert nicht mehr. Macht aber nichts, ich will ohnehin nur den satten Klang des Reihensechsers hören. „Tolles Auto” sagt ein Nachbar, als ich den Wagen abends im Kiez wieder einparke. „Gehört mir leider nicht”, antworte ich, aber er ruft: „Trotzdem tolles Auto.” Mehr Infos zu Stärken und Schwächen des Opel Commodore C gibt es in der Bildergalerie. Technische Daten Opel Commodore 2.5 E 1981-1982
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