Es sind hauptsächlich Aerodynamik-Kleinigkeiten, die Nissan am GT-R ändert. Doch der Drang zur Perfektion fasziniert. Selten fühlten sich 20 zusätzliche PS so frisch an.
Spa-Francorchamps – Man sieht es ihm seit 40 Jahren nicht mehr an, aber: Bud Spencer war mal Schwimmer. Irgendwie sah das schon damals seltsam aus. Zweimal Olympische Spiele, eine Statur wie ein Holzfäller und im Wasser doch verdammt schnell. Wäre der Dicke ein Auto, er wäre der Nissan GT-R. Auf dem Papier wiegt Nissans Supersportler mindestens 1.750 Kilogramm, in der Realität fast zwei Tonnen. Die werden von 570 PS und 637 Newtonmetern Drehmoment über alle vier Räder bewegt. Ein Auto wie ein Bauchklatscher. Selbst eine Corvette sieht filigraner aus. Und doch bewegt sich der Brocken irgendwie - leicht. Einmal Eau Rouge und zurückWir brettern die alte Start-Ziel in Spa-Francorchamps hinunter. Fünfter Gang, geschätzte 200 km/h. Geschätzt, weil für den Blick zum Tacho keine Zeit bleibt. Vor uns türmt sich die vielleicht berühmteste Kurven-Kombination der Welt auf: die Raidillon de l’Eau Rouge. Eine Links-Rechts-Links ist das. Bergauf, mit fast 18 Prozent Steigung. Das letzte "Links" sieht man nicht. Voll auf Asphalt fährt man immer nur kurz: links auf die Curbs, rechts auf die Curbs, links auf die Curbs und am Ende wieder bis an die Curbs. „Wenn Du vom rechten Curb kommst und nur noch Himmel siehst, dann gibst Du Vollgas“, sagt mein Instruktor. Ich vertraue ihm, aber noch mehr vertraue ich dem GT-R. Aerodynamik statt GewichtsersparnisWer Chef-Entwickler Hiroshi Tamura zuhört, fühlt sich in diesem Auto fast unbesiegbar. Die 20 Zusatz-PS des 3,8-Liter-Sechszylinders werden mit einer variablen Steuerung des Zündzeitpunktes und einer neuen Abstimmung der Turbos erreicht. Das ist bekannt aus dem Nismo-Modell. Bei mittleren Drehzahlen soll der Motor agiler arbeiten. Das in Transaxle-Bauweise an der Hinterachse sitzende Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe schaltet noch einen Tick sanfter, die Abgase strömen durch einen neuen Titan-Schalldämpfer. Quelle: Nissan Die Karosseriestruktur wurde versteift und die Aufhängung überarbeitet, um mehr Stabilität bei hohen Kurvengeschwindigkeiten zu ermöglichen. Für die zusätzliche Power braucht der GT-R mehr Kühlung und einen größeren Grill. Weil der die Aerodynamik versauen würde, steuern die Japaner gegen. An der Front, am Heck und an den Seitenschwellern gibt es Spoiler und Abrisskanten wie beim Nismo. Die Motorhaube wurde versteift, die C-Säule leicht umgebaut. Obwohl er vorn mehr Luft reinlässt, bietet er etwas weniger Luftwiderstand und den gleichen Abtrieb wie das Auto aus dem Modelljahr 2015. Diät halten musste der Dicke nicht. Stattdessen wurde das Cockpit etwas schicker: mehr Leder, neue Mittelkonsole, Acht-Zoll-Touchscreen, weniger Knöpfe für Audio und Navigation – 11 statt 27. Laut Nissan summiert sich all das zur größten Veränderung seit der Einführung 2009. Lange her. Ein "Facelift" als letzte Ölung. Oder übertriebener Perfektionismus? Die Japaner versprechen um 1,8 Prozent höhere Geschwindigkeiten beim Slalom. Der Unterschied zwischen sehr gut und perfekt ist eben nur eine Kleinigkeit. Der Glaube muss stark seinMit Vollgas in den Himmel zu rasen ist gar nicht so schwer, wenn man es zwei-, dreimal gemacht hat. Der GT-R nimmt die Eau Rouge mit viel Ruhe – Gewicht kann Vorteile haben. Die zwei Tonnen werden in der Senke auf den Asphalt gedrückt. Auf der Kuppe hebt es den Dicken aus den Dämpfern. Jetzt muss der Glaube an die Traktion stark sein. Stärker als im Allrad-GT-R kann er kaum sein. Im normalen Betrieb werden die Hinterräder angetrieben. Verlieren die 285er-Dunlop-Semis die Haftung, leitet eine zweite Kardanwelle bis zu 40 Prozent des Antriebsmoments vom Transaxle-Getriebe wieder zurück an die Vorderräder. Ein enormer technischer Aufwand. Dazu ein mechanisches Sperrdifferential und elektronisches Torque-Vectoring by Braking – wenn das Heck des GT-R einmal kommt, geht es schon wieder. Der Nissan GT-R kostet 99.900 EuroNach der Eau Rouge kommt die Kemmel-Gerade. Bei der 200-Meter-Marke stehen 250 km/h auf dem Display – Zeit zum Bremsen. Und zwar voll. Jetzt spürt man das Gewicht – und in den langgezogenen Kurven drängt es nach außen. Trotzdem bleibt die Leichtigkeit. Runterschalten bis in den Dritten, das Blow-off-Ventil zischt, die Drehzahl schnellt hoch. Eine präzise Lenkbewegung, dann pfeifen die Turbos wieder. 315 km/h rennt der GT-R – so schnell wie der Vorgänger. Ein Geheimnis macht Nissan aus einem anderen Wert. Wie lange der GT-R aus dem Stand bis 100 km/h braucht, wird nicht verraten. Beinahe unglaubliche 2,7 Sekunden waren es bisher. Viele nehmen das dem GT-R nicht ab. Chef-Entwickler Hiroshi Tamura spricht deswegen nur noch von "weniger als drei Sekunden". Uns reicht das. Technische Daten – Nissan GT-R Modelljahr 2017
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