Neue Hybridtechnik, neue Elektro-Plattform, mehr Reichweite, schnelleres Laden, Wasserstoff in Serie: Das ist der grüne Masterplan von Daimlers Cheftechniker Thomas Weber.
Stuttgart - Thomas Weber, Jahrgang 1954, ist ein Untertürkheimer Urgestein, das seine ganze Karriere „beim Daimler“ verbrachte. Ende diesen Jahres geht der langjährige Vorstand für Konzernforschung in Ruhestand. Und wird dennoch auf Jahrzehnte hinaus präsent sein. Denn sein Masterplan reicht weit in die Zukunft. Vor Journalisten erläuterte Weber am Freitag sein Vermächtnis. Eine Technik-Strategie für Mercedes, Smart und die Nutzfahrzeuge, bis 2030 – mindestens. Los geht es schon im Herbst 2016: Daimler holt zum elektrischen Rundumschlag aus. Bis 2020 muss der Konzern seinen durchschnittlichen CO2-Ausstoß auf etwa 100 g/km CO2 senken. Das geht bei großen, schweren E- und S-Klassen nur mit Elektrifizierung. Außerdem muss Daimler die lästige Diesel- und Schadstoffdebatte adressieren. Das geht ebenfalls mit Elektrifizierung, zuerst aber mit sauberen Verbrennern. Quelle: Daimler Welche Technologie aber ist die richtige für die nächsten 25 Jahre? Weber und Daimler setzen auf: alle derzeit bekannten. Das, so der Vorstand, liege daran, dann Daimler so viele Fahrzeugtypen anbietet. Vom Kleinstwagen Smart bis zum Schwerlaster. Elektroautos: Neue Plattform noch 2016Niemand verdiene heute mit Elektrofahrzeugen Geld, sagt Weber. Damit sich das bei Daimler in Zukunft ändert, müssen die Stückzahlen deutlich rauf. Bei den Plug-in-Hybriden genauso wie bei den rein elektrischen Fahrzeugen. „Bis 2020 sind wir sechsstellig“, ist Weber sich sicher. Den Auftakt macht der neue Smart Electric Drive, der 2016 in den USA und Anfang 2017 als Forfour und Fortwo in Europa startet. Den Antrieb liefert Kooperationspartner Renault. Neue Lade- und Batteriestandards sollen mehr Reichweite und kürzere Ladezeiten ermöglichen. Parallel entwickelt Daimler eine komplett eigenständige, skalierbare Plattform für reine Elektroautos. Einen ersten, fahrfähigen Prototypen wird der Konzern auf dem Pariser Auto Salon im Herbst 2016 zeigen, nach Informationen von „Autocar“ in einem SUV. Noch in diesem Jahrzehnt, vermutlich 2019, folgt ein erstes Serienmodell. Daimler kündigt mit neu entwickelten Lithium-Ionen-Akkus und einer optimierten Betriebsstrategie Reichweiten von bis zu 500 Kilometern an. Im nächsten Jahrzehnt erwarte man, besonders aus Lithium-Schwefel-Systemen, einen weiteren Sprung bei der Batterietechnik. Bereits im Pariser Messeauto wird Daimler ein Schnelladesystem auf Basis des CCS-Standards einbauen, mit dem eine Ladeleistung von 150 kW, perspektivisch 350 kW möglich sein soll. Ab 2018 wird der Standard in die Serie überführt. Die Akkus für die vollelektrische Zukunft will Daimler ab 2017 komplett von der Tochter Accumotive beziehen. Von einer eigenen Zellfertigung ist vorläufig nicht die Rede. Plug-in-Hybride: Mehr Reichweite, bequemeres LadenVon den Elektro-Entwicklungen profitiert auch das Plug-in-Hybridprogramm, das Daimler deutlich ausbauen will. Noch in diesem Jahr präsentiert Mercedes das SUV GLC Coupé 350 e 4 Matic und die Limousine E 350 e. Die E-Klasse wird der erste Mercedes-Hybrid mit einer Anhängelast von bis zu 2.100 Kilogramm. Herzstück der neuen Stecker-Hybriden wird ein neuer Elektromotor mit 65 kW (88 PS) Leistung und 440 Newtonmeter Drehmoment, den Daimler mit Bosch entwickelt hat. Zusammen mit dem 9g-Tronic Getriebe verspricht Daimler „Bestwerte bei Verbrauch, Fahrkomfort und Dynamik“. Zusammen mit einem neuen Akku sollen Daimler-Hybride dann mehr als 50 Kilometer weit rein elektrisch fahren. 2017 folgt mit der Modellpflege des Mercedes S 500 e das induktive, also kabellose Laden. Das modulare Hybridsystem wird Daimler danach Stück für Stück in allen Pkw-Baureihen einführen. Verbrenner: Die Grenzen verwischenDaimler sieht Plug-in-Hybride als auf Jahre unverzichtbare Brückentechnik. Logisch, dass auch die Verbrennungsmotoren weiterentwickelt werden. Die Allzweckwaffe wird die neue Dieselgeneration OM 654, die Daimler vor Kurzem im Mercedes E 220 d einführte. Der neue Motor sei sparsamer, kompakter und außerdem fit für künftige Emissionsgrenzwerte, sagt Daimler. Der OM 654 eigent sich für Quer- wie Längseinbau und wird sukzessive im gesamten Programm den OM 651 ersetzen. 2017 folgt die neue Stuttgarter Ottomotorenfamilie. Hier sollen die Grenzen zwischen Benziner und Hybrid verwischen: Mit einem 48-Volt-Bordnetz sowie integrierten oder riemengetriebenen Startergeneratoren beherrschen die neuen Motoren wesentliche Funktionen von Vollhybriden auch ohne aufwändige Hochvolt-Technik. Konkret nennt Daimler das elektrische Anfahren und Rangieren, die Bremsenergie-Rückgewinnung und das „Boosten“ beim Beschleunigen. Den Anfang macht ein Reihen-Sechszylinder mit der internen Kennung M 256, kurz darauf folgt ein Vierzylinder. Bereits gemeldet hat Daimler den flächendeckenden Einsatz von Benziner-Partikelfiltern. Wasserstoff: Neues Modell 2017Quelle: DaimlerAuch die Brennstoffzelle wird Daimler weiter verfolgen. Das Hauptpotenzial sieht Forschungsvorstand Weber beim Einsatz in Bussen, aber das erste Serienmodell mit Daimler neuer Brennstoffzellen-Technik wird 2017 der GLC F-Cell. Daimler verspricht hohe Reichweite, kurze Tankzeiten – und erstmals eine aufladefähige Plug-In-Batterie mit 9,0 kWh Kapazität. Die Reichweite im NEFZ soll 500 Kilometer betragen. Gebaut wird das Wasserstoffmodell in Bremen. Insgesamt will Daimler allein in den nächsten zwei Jahren sieben Milliarden Euro in elektrifizierte Antriebe investieren. Um die Akzeptanz zu erhöhen, steigert Daimler die Reichweiten und die Bequemlichkeit bei der Benutzung der Fahrzeuge. Intelligente Dienste, zum Beispiel in der Smartphone-App Moovel, sollen das Elektromobili komfortabel machen. Aber es geht nicht nur ums Fahren: Ausrangierte Akkus aus Elektroautos, zunächst aus dem elektrischen Smart, will Daimler künftig in stationären Speichern weiter verwenden. Dann wird Thomas Weber bereits seinen Ruhestand genießen – aber sein Masterplan wird Daimler noch auf Jahre beschäftigen. |