Teslas Model X fährt aberwitzig schnell und immer noch ganz schön weit. Die Zukunft der E-Mobilität stellen wir uns allerdings anders vor. Ausfahrt im Model X P90D.
Skagen – Es gibt Bereiche, da macht Tesla keiner was vor. Da treiben die Pioniere aus dem Silicon Valley die Eisenbieger aus der „Old Economy“ vor sich her, dass sie panisch werden. Im Krieg der Knöpfe zum Beispiel liegt Tesla meilenweit vorne. Klimaanlage, Audiosystem, Türen – all das steuert man im Model X über den monumentalen Touchscreen. Es gibt nicht mal einen Startknopf. Doch so wenig wie Elon Musk über Wasser gehen kann, kann Tesla komplett auf Knöpfe, Hebel und Schalter verzichten. Blinker- und Automatikhebel oder Fensterheber sind vorhanden und stammen von Mercedes. Da trifft die alte auf die New Economy. Das passt nicht ganz zusammen. Und: Es hat sich seit dem Model S nicht weiterentwickelt. Das Interieur des Model X kopiert das Model S quasi eins zu eins. Schick sieht es trotzdem aus. Offenporiges Holz rahmt den Bildschirm ein, das Alcantara auf der Oberseite des Armaturenbretts fühlt sich weich und samtig an, die beiden Knöpfe (ja, zwei gibt es noch) für die Warnblinkanlage und das Handschuhfach sind elegant versenkt. Doch Detailschwächen bleiben: Ledernähte mit zu viel Spannung, eine viel zu große Fuge am Fach auf dem Mitteltunnel oder verfärbtes Sitzleder nach nur 3.000 Kilometern. Kleinlich? Nicht bei einem Auto für mehr als 130.000 Euro. Tesla Model X P90D: Mit „aberwitzigem Modus“Neuerungen stecken in der Software. Mit dem jüngsten Update (8.0) wurde das Interface überarbeitet und optisch modernisiert. Das Menü ist gut strukturiert, die Bedienung intuitiv. Wie bisher machen Symbole am oberen Rand des Touchscreens ruckzuck klar, wo Infotainment, die Fahrdaten oder der Internetbrowser zu finden sind. Unten reguliert man Klimaanlage, Sitzheizung oder die Fahrfunktionen. Einfach zu handhaben, gut zu bedienen. Und genau das, was Model-S-Kunden auch per Update bekommen. Was sie nicht bekommen, sind die üppigen Platzverhältnisse. Sechs Erwachsene finden bequem Platz, bis zu sieben können es mit Dreiersitzbank in der zweiten Reihe werden. Sogar in Reihe drei reicht die Kopffreiheit für Erwachsene. Sorge bereiten die „Falcon Doors“. Sie schwingen elektrisch, elegant und platzsparend auf und wieder zu. Doch hoch fuhren sie nicht immer vollständig – obwohl kein erkennbares Hindernis im Weg war. Und geschlossen blieb zwischen rechter Tür und C-Säule eine auffällige Kante. Außerdem scheiterte die Heizung bei knapp zweistelligen Gradzahlen daran, den riesigen Innenraum auf Wohlfühltemperatur zu bringen. Aber jetzt erst mal: fahren, und zwar in einem roten P90D mit „Ludicrous Mode“. Also mit „aberwitziger“ Beschleunigung. „D“ eingelegt und lautlos schiebt sich das Model X über den Kies. Keineswegs unauffällig. Es ist ein Trumm von einem Auto. Mehr als fünf Meter lang, fast 1,70 Meter hoch und vor allem: 2,27 Meter breit. Nicht mal mit angelegten Spiegeln (2,07 m) darf das Model X in den meisten Autobahnbaustellen auf die linke Spur. Seine 2,5 Tonnen kann das Model X nicht versteckenSurrend leise, angenehm unkompliziert fährt das Model X. Elektromobil halt. Bis zum Kick-down. Dann knallen 967 Newtonmeter Drehmoment und 539 PS Systemleistung den Brocken ansatzlos nach vorne. Unserem Fotografen Peter, Kamera im Anschlag, hat es auf dem Beifahrersitz fast das Nasenbein gebrochen. Das Spiel funktioniert öfter. Doch schnell wird „aberwitzig“ zu witzig und schon bald zu fad. Dem Petrolhead fehlt ob der linearen, fast lautlosen Beschleunigung halt das Drama. Und der Mensch gewöhnt sich schnell an Längsbeschleunigung. Querbeschleunigung kann das Model X nicht so gut, genau wie andere große SUV. Trotz des tiefen Schwerpunkts durch die Akku-Batterie im Unterboden. Knapp 2,5 Tonnen lassen sich nicht verheimlichen. Das Gewicht macht auch dem Fahrwerk zu schaffen. Es federt straff und lässt das Model X auf holprigem Asphalt ungelenk wackeln. Auf der Landstraße schalten wir den „Autopiloten“ an, dafür genügen zwei kurze Züge am Hebelchen hinterm Lenkrad. Er soll seit dem Update 8.0 nicht mehr den Eindruck erwecken, dass das Auto autonom pilotiert wird und mahnt, die Hände am Steuer zu lassen. Das ignorieren wir. Die Straßenmarkierungen sind gut, das Model X bleibt sauber in der Spur und folgt dem Vordermann in sicherem Abstand. Der „Autopilot“ des Model X wird zum ErzieherNach einer Weile kommt die Aufforderung, die Hände wieder ans Steuer zu nehmen. Das Display fängt an zu blinken, immer schneller, die Warntöne werden eindringlicher. Dann ist Feierabend. Das System steigt aus – und nicht wieder ein, bis das Model X geparkt wurde. Eine erzieherische Maßnahme, die nach Unfällen mit aktiviertem „Autopiloten“ offenbar notwendig war. Jetzt muss man das System schon mutwillig umgehen. Gut so. Auch erzieherisch wirksam: die Verbrauchsanzeige. Wir hatten sie die meiste Zeit in der unteren Hälfte des frei konfigurierbaren Bildschirms platziert. Die simple Zickzacklinie animiert dazu, sie unter die Durchschnittslinie zu drücken. Dazu erfreut die Reichweitenanzeige, wenn sie nach oben geht. Laut Norm fährt das Model X P90D Performance mit einer Akkuladung 467 Kilometer weit. Und das Supercharger-Netz hat sich inzwischen verdichtet. Es ist ja keine Neuigkeit mehr. Tesla macht E-Mobilität alltagstauglich. Vorausgesetzt, man kann das bezahlen. Das gilt fürs Model S und jetzt auch fürs Model X. Aber dass Tesla drei Jahre nach dem wegweisenden Model S auf selber Basis ein plumperes E-Mobil mit bizarr aufwändigen, mittelmäßig funktionierenden „Falcon Doors“ auf den Markt bringt, lässt einen doch unbegeistert zurück. Wir warten auf das Model 3. Technische Daten Tesla Model X P90D Performance
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