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Goodwood Festival of Speed - Teure Oldtimer, große Hüte und Fisch in Zeitungspapier

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Am Wochenende trafen sich rund 150.000 Auto-Liebhaber im Vorgarten von Lord March. Wie jedes Jahr lud der Adlige zu einer Oldtimerveranstaltung der besonderen Art, zum Festival of Speed.

Am Wochenende trafen sich Autofans aus aller Welt auf dem Festival of Speed Am Wochenende trafen sich Autofans aus aller Welt auf dem Festival of Speed

Von MT-Reporterin Lena Reinhard

Goodwood - In dem beschaulichen Dorf mit den kleinen Steinhäusern ist es die meiste Zeit des Jahres still. Nur an ein paar Tagen im Sommer wird die Ruhe jäh durchbrochen. Dann hört man in Goodwood ratternde Motoren statt zwitschernder Vögel. Durch die engen Straßen zieht ein nicht enden wollender Strom von Autos, alte und neue, mit High-Tech-Motoren und Dampfantrieb, gebaut für Formel-1-Rennen und Spazierfahrten. Willkommen beim Festival of Speed, willkommen auf der Spielwiese von Charles Gordon-Lennox, besser bekannt als Lord March.

Auf dem Festival of Speed in Goodwood Auf dem Festival of Speed in Goodwood Quelle: Porsche Vor 20 Jahren beschloss der Adelsspross, das Grundstück seiner Familie ein wenig umzugestalten. Statt Gartenzwerge in seinen „Vorgarten“ - der so groß wie 6.800 Fußballfelder ist - zu stellen, ließ er eine Straße zur Rennstrecke umfunktionieren. Die ist für ihren Hügel berühmt - und für die alljährliche Oldtimerveranstaltung.

Jedes Jahr stehen rund 150.000 Besucher Schlange, um sich auf dem weitläufigen Gelände klassische Autos aller Marken anzusehen, um Fahrer und Besitzer zu treffen, ihnen beim Herumschrauben zuzusehen und schließlich die Fahrt auf den Hügel zu bestaunen. Gesichert wird die Strecke mit Tausenden von Strohballen, hinter denen sich die Besucher drängen, um einen Blick auf die vorbeirasenden oder den Kurs entlang zockelnden Autos zu erhaschen. Sobald die Wagen aus dem Blickfeld verschwinden, drehen sich alle gleichzeitig zu den riesigen Leinwänden um, auf denen das Rennen übertragen wird.

Laute Autos und Kinder mit Ohrenschützern

Eine sommersprossige Sechsjährige ist mit ihrem Vater auf einen der höchsten Türme auf dem Gelände geklettert, stellt sich auf ihre Zehenspitzen, hält sich am Geländer fest und verfolgt mit gespanntem Blick die Auf dem Festival of Speed in Goodwood Auf dem Festival of Speed in Goodwood Quelle: Motor-Talk Autos. Es sind sehr viele Kinder hier, die meisten tragen riesige Ohrenschützer in Neonfarben.

Die Autos sind zum Greifen nah. Kaum zehn Meter von den Zuschauerbereichen entfernt rauschen sie vorbei. Die Fahrzeuge mit E-Motoren fahren leise wie auf Samtreifen, die Formel-1-Boliden kreischen laut. Das Festival of Speed ist ein großes Volksfest: mit Miniatur-Rennwagen zum Selberbauen für die Kinder, Modellautos und Werkzeugständen für die Herren, gebeiztem Lachs und Champagner für die Ladys.

Zudem gibt es Oldtimer- und Motorenversteigerungen für all diejenigen, die schon immer einen 1954er Mercedes W196R ersteigern wollten und 22,7 Millionen Euro übrig hatten.

Ein Besuch im Fahrerlager

Im Fahrerlager hinter dem Haus herrscht geschäftiges Treiben: Es wird an Motoren geschraubt, getestet, Teile werden nachpoliert und Fahrer noch einmal eingewiesen. Zur großen Freude der Besucher ist das Fahrerlager für alle geöffnet - so nahe kommt man selten an so alte und wertvolle Autos.

Einige ältere Herren sind extra aus Deutschland angereist. Mit Kennerblick beugen sie sich über den Motor eines Bugatti 59, Baujahr 1933. Sie meinen, sie seien ja eigentlich schon zu alt für solche Unternehmungen. Aber dieses Festival können sie sich auch in diesem Jahr nicht entgehen lassen. Dann machen sie sich auf die Suche nach dem Besitzer des Bugatti, um noch einmal einige Detailfragen zu stellen.

Auf dem Festival of Speed in Goodwood Auf dem Festival of Speed in Goodwood Quelle: Porsche Typisch englisches Wetter mit Regen und wolkenverhangenem Himmel? Von wegen: Die Sonne brennt ab dem späten Vormittag vom Himmel und sorgt für Rekordtemperaturen in der ganzen Region. Schon nach dem ersten Tag tragen fast alle Besucher Sonnenbrand und Sonnenbrille im Gesicht. Die Damen schützen sich mit breitkrempigen Sonnenhüten, die Herren sind mit Gehstöcken unterwegs. Dutzende Imbissstände servieren Fish and Chips in Zeitungspapier. Familien picknicken direkt unter dem berühmten Wahrzeichen des Festivals, einer Skulptur, die jährlich neu gestaltet wird und immer mindestens ein berühmtes Rennauto enthält.

In diesem Jahr besteht das auffällige Kunstwerk aus drei Porsche 911, die in schwindelerregender Höhe auf je zwei Strahlen montiert wurden. Die Konstruktion wiegt 25 Tonnen und sieht so aus, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen.

Rauf auf den Hügel

Wer trotz der weitläufigen, kurvigen Strecke im Vorgarten des Lords den ganzen 1,86 Kilometer langen Parcours und die Zieleinfahrt der Wagen mit eigenen Augen sehen will, der muss den Hügel hinauf. Den Streckenrekord für Goodwood hält Nick Heidfeld mit 41,6 Sekunden. Ein Rekord für die Ewigkeit, denn mittlerweile fahren die Boliden ohne Zeitmessung.

Etwas länger als mit einem Boliden braucht man auf einem der Planwagen, in denen je 30 Besucher von Traktoren gezogen nach oben gefahren werden. Diejenigen, die zu Fuß gehen, stöhnen schon nach den ersten Metern - es ist einfach viel zu warm.

Auf dem Festival of Speed in Goodwood Auf dem Festival of Speed in Goodwood Quelle: Motor-Talk Auf halber Strecke lädt ein Quad-Parcours zur Probefahrt ein. Oben angekommen macht sich leichte Enttäuschung breit: Die Strecke ist so gut mit Strohballen gesichert, dass die Autos dahinter bei ihrem Zieleinlauf oben auf dem Hügel kaum zu erkennen sind. Zum Glück werden die erschöpften Hügel-Bezwinger dennoch belohnt und zwar mit einem Blick auf eine Wiese voller Rallyeautos.

Das Festival of Speed ist eine durch und durch britische Veranstaltung mit wunderschönen Autos, großen Hüten und vielen Klappstühlen. Im Fahrerlager vermischen sich die gesellschaftlichen Klassen: Zwischen vornehmen Damen und adretten Herren trinken tätowierte Londoner das zehnte Bier. Eins haben alle gemeinsam - die Liebe zum Automobil.

Avatar von MOTOR-TALK (MOTOR-TALK)
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