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Abgas-Skandal: Schriftsatz an das Landgericht Braunschweig - Update: "Dieselgate" sollte geheim bleiben

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Update: Der Diesel-Skandal dröhnt laut durch alle Medien. Dabei sollte alles ganz leise ablaufen. Volkswagen wollte sich eigentlich mit den US-Behörden einigen.

Neues im VW-Skandal: Der Konzern soll bereits früh von den Manipulationen gewusst haben Neues im VW-Skandal: Der Konzern soll bereits früh von den Manipulationen gewusst haben Quelle: dpa/Picture Alliance

  • Anleger sehen Ad-hoc-Pflicht von VW verletzt
  • VW: Ein Skandal war nicht abzusehen
  • Geheime Einigung und geringe Strafzahlungen
  • Anlegeranwalt: Kritik an Informationspolitik von VW
  • Sammelverfahren für Anlegerklagen

Braunschweig – Fast ein halbes Jahr ist vergangen: VW gab am 22. September 2015 zu, Millionen Dieselfahrzeuge manipuliert zu haben. Die Schuldfrage gilt bis heute als ungeklärt. Interne Ermittlungen laufen, Ergebnisse sollen im April 2016 folgen. Sie sind wichtig für Mitarbeiter und Anleger, Kunden und Fans.

Jetzt berichten die Onlineportale von „Handellsblatt“ und „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) vom Rechtsstreit zwischen VW-Aktionären und –Konzern. Der Hintergrund: In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der ehemalige Konzern-Chef Martin Winterkorn früh von den „Unregelmäßigkeiten“ erfahren hat. Am 23. Mai 2014 habe es eine Notiz in seiner Wochenendpost gegeben, am 14. November 2014 eine weitere. Winterkorn soll bereits im Mai 2014 um eine Erklärung gebeten haben. Unklar ist bisher, wann er kritische Informationen erfahren hat.

Anleger: VW habe Pflicht zur Bekanntgabe verletzt

Das genaue Timing des Skandals interessiert vor allem die Volkswagen-Aktionäre. Falls der VW-Konzern Kenntnis von dem sich anbahnenden Skandal hatte, hätte er die Aktionäre benachrichtigen müssen. Der Konzern ist durch das Wertpapierhandelsgesetz dazu verpflichtet, die Anleger in einer sogenannten Ad-hoc-Mitteilung über Ereignisse zu informieren, die einen Einfluss auf den Aktienkurs haben können.

Nach dem Bekanntwerden brach die VW-Aktie ein, stürzte von fast 170 auf 106 Euro ab und rutsche später häufig unter die 100-Euro-Marke. Seitdem kletterte sie nur vereinzelt auf mehr als 130 Euro. Aktuell kostet ein Wertpapier 121 Euro. Der Schaden sei für die Anleger vermeidbar gewesen, hätte VW den Skandal früher gemeldet.

Pressemitteilung: VW habe korrekt gehandelt

VW antwortet auf die Vorwürfe mit einer Klageerwiderungsschrift. Das 115-seitige Dokument hat der Hersteller in der vergangenen Woche beim Landgericht Braunschweig eingereicht. Es ist nicht öffentlich zugänglich, soll jedoch einigen Medien vorliegen. VW veröffentlichte zudem eine Pressemitteilung, welche wichtige Aspekte der Schrift enthält.

Eine Pflicht zur Ad-hoc-Meldung habe sich laut VW erst ergeben, nachdem der Verstoß gegen die Umweltschutzrichtlinien von der EPA bekannt gemacht wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt sei man von einer „überschaubaren Fahrzeug-Anzahl (etwa 500.000)“ ausgegangen. Die Bußgelder hätten sich in einem „zweistelligen oder unteren dreistelligen Millionen-Bereich“ bewegt. Der Konzern spricht von kursneutralen Maßnahmen zur Ausbesserung.

Ein Strafmaß von 18 Milliarden Euro sei erst nach dem Bekanntwerden des Skandals diskutiert worden. Solche Summen seien in anderen Fällen nie ausgeschöpft worden. Trotzdem habe der Konzern die Möglichkeit unverzüglich am 22. September 2015 gemeldet. Vorher hätten die verantwortlichen Personen keine Kenntnis über einen kursrelevanten Sachverhalt gehabt.

Klageerwiderungsschrift: Ruhige Einigung

In der Klageerwiderungsschrift stellt VW den Sachverhalt umfangreicher dar. Die SZ schreibt: „In dem Papier ist wörtlich (…) von einem "überwiegenden Geheimhaltungsinteresse" die Rede, das VW vor dem Gang der EPA an die Öffentlichkeit gehabt habe. Der "Volkswagen-Vorstand" habe annehmen dürfen, mit den US-Behörden sei eine "konsensuale Lösung möglich".“ Hans Dieter Pötsch, damals Finanzvorstand und heute Aufsichtsratschef, soll auf eine Strafe von höchstens 100 Millionen Euro gehofft haben.

Hätten EPA und CARB die Betrugssoftware nicht öffentlich angeprangert, wäre der Aktienkurs nicht eingebrochen. Vermutlich wären Winterkorn und seine Entwicklungschefs noch im Amt. Vielleicht wären Fahrzeuge außerhalb von Amerika vollständig ignoriert worden. VW stelle sich in diesem Zusammenhang gewissermaßen als Opfer dar, schreibt die SZ.

Das mag für Beobachter verwegen klingen, es ist börsenrechtlich aber relevant. VW will vor Gericht nachweisen, dass der laute Knall während der IAA 2015 und der Kurseinbruch nicht abzusehen waren.

Anlegeranwalt: Kritik an der Informationspolitik

Anlegeranwalt Andreas Tilp weist die Darstellung von VW zurück. Die Ad-hoc-Pflicht treffe generell das Unternehmen als solches und eben nicht nur den Vorstand als Organ oder einzelne Mitglieder. Daher werde laut höchstrichterlicher Rechtssprechung „gerade auch das Wissen von solchen Mitarbeitern zugerechnet, die unterhalb der Organebene angesiedelt sind", teilte Tilp mit.

VW will die Anlegerklagen mit einem gebündelten Sammelverfahren vor Gericht schnell aus der Welt schaffen. Dazu hat der Konzern selber einen Antrag auf ein sogenanntes Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig gestellt. Das geht aus einer Erwiderung des Autobauers auf Anlegerklagen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. „Die Chancen auf einen Prozesserfolg klagender geschädigter VW-Aktionäre haben sich damit deutlich erhöht", sagte Tilp.

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