Bei PSA Peugeot Citroën beginnt eine neue Zeitrechnung. Ein chinesischer Investor und der Staat reden mit. Wohin lenkt Carlos Tavares den französischen Supertanker?
Paris – Es gibt Tage und Ereignisse, nach denen nichts mehr ist wie es war. Für die französische Automobilindustrie war gestern (19.2.2014) so ein Tag. PSA Peugeot Citroën hat sich neu erfunden, um zu überleben. In den vergangenen Jahren versuchte Europas zweitgrößter Automobilhersteller, sich gesund zu schrumpfen. Man schloss ein Werk und verkaufte ein paar Beteiligungen. Das war offensichtlich zu wenig. Quelle: dpa/Picture Alliance Nun also die Zeitenwende: Zum ersten Mal kauft sich ein chinesischer Hersteller in einen der großen europäischen Automobilkonzerne ein. Zum Vorzugspreis von 7,50 Euro pro Aktie erwerben Chinas zweitgrößter Autokonzern Dongfeng und der französische Staat je 14 Prozent an PSA. PSA galt, mit der Sperrminorität der Peugeot-Erben, als moderne Version eines großen Familienbetriebs. Das ist vorbei, auch der Anteil der Familie sinkt auf 14 Prozent. Die Erben des Gründers geben das Lenkrad aus der Hand. Die mit den Veränderungen einhergehende Kapitalerhöhung um drei Milliarden Euro ermöglicht es PSA, Kreditlinien in Höhe von 2,7 Milliarden zu verlängern. Mit dem Geld will PSA die Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen. Und das bedeutet eine Rosskur, die die Abhängigkeit des Konzerns von Europa beenden soll. Schlechtes Ergebnis 2013PSA informierte die Öffentlichkeit an dem Tag, als der Konzern die Unternehmenszahlen 2013 bekanntgab. Diese machen den Leidensdruck deutlich: Der Umsatz im Kerngeschäft Autobau sank um 4,8 Prozent. PSA verlor 2,3 Milliarden Euro. Quelle: dpa/Picture Alliance Die Ursachen sind vielfältig: Erneut musste PSA die Werte von Aktiva nach unten korrigieren, diesmal um 1,1 Milliarden Euro. Die laufenden Restrukturierungkosten beziffert PSA mit 460 Millionen Euro: Der Konzern will 11.000 Stellen streichen, aber erst 2.250 Mitarbeiter sind ausgeschieden. Die angekündigte Schließung des Werks Aulnay verursachte wochenlange Streiks. Das beeinträchtigte den Absatz des Citroën C3 empfindlich. Bei den neuen Modellen Peugeot 208, 2008 und 308 freut sich PSA dagegen über gute Ergebnisse. Trotzdem lagen am Jahresende 384.000 Fahrzeuge auf Halde, 32.000 weniger als im Vorjahr. Außerhalb Europas, wo PSA 42 Prozent seiner Autos verkauft, verloren die Franzosen 526 Millionen Euro durch Wechselkursverluste. Vor allem in Argentinien, Brasilien, Großbritannien und Russland schmälerte das die Gewinne. In Russland brach zudem der Absatz um 22,3 Prozent ein. Die Erträge des Bankengeschäfts aus Fahrzeugfinanzierungen sanken gegenüber 2012 um 17 Prozent auf 891 Millionen. Eine Allianz mit der Bank Santander soll die Banque PSA künftig finanziell unabhängiger von staatlichen Bürgschaften machen. Das hat PSA jetzt vorAn die Spitze des Umbruchs stellt PSA ein neues Gesicht: Seit dem 20. Januar ist Carlos Tavares kommissarischer Geschäftsführer bei PSA, Ende März wird er auch formal zum stärksten Mann bei PSA. Der ehemalige Renault-Manager folgt auf Philippe Varin. "Der größte Fehler war, dass PSA nicht neue Märkte erkundet hat", meint Cui Dongshu von Chinas Vereinigung der Personenwagenhersteller. Das will Tavares ändern: Im Jahr 2013 verkaufte PSA in China 557.000 Fahrzeuge. Mit dem neuen Partner Dongfeng sollen es künftig 1,5 Millionen sein. Daneben wollen die strategischen Partner auch in anderen asiatischen Märkten wie Indien, Thailand oder Indonesien ihre Position deutlich verbessern. Quelle: Citroën Investiert werden soll vordringlich in höhere Produktionsvolumen vor Ort in Südamerika und Osteuropa – dort also, wo zurzeit hohe Verluste durch Währungsschwankungen entstehen. In die Kern-Produktpalette und die europäischen Standorte sollen 1,5 Milliarden fließen, außerdem finanziert das frische Geld die Weiterentwicklung des PSA-Hybridsystems. Wohin die Reise geht, zeige der Citroën C4 Cactus, sagte Tavares. Die Resonanz auf das neue Modell sei phantastisch. Wohin geht das Rennen?"Back In the Race", zurück im Rennen, nennt Tavares seinen Investitionsplan. Und Frankreich fragt sich, wohin das Rennen geht. Nicht zuletzt deshalb steigt der Staat mit ein; eine "patriotische Entscheidung", wie es aus der sozialistischen Regierung heißt. Der PSA-Aufsichtsrat wird umgebaut: Künftig sitzen im Kontrollgremium neben sechs unabhängigen Mitgliedern je zwei Vertreter von Dongfeng, der Regierung und der Holding der Peugeot-Familie. Die Waffengleichheit ist auf 10 Jahre festgeschrieben. Vermutlich, damit der Autobauer nicht komplett in die Hände der Chinesen fällt. Quelle: dpa/Picture Alliance Eines aber kann sich Frankreich noch weniger leisten als ein PSA unter chinesischer Flagge: Eine Pleite des Konzerns. PSA betreibt weltweit 15 Werke und beschäftigt rund 195.000 Mitarbeiter. Ein Kollaps des zweitgrößten europäischen Autoherstellers würde Frankreichs Selbstverständnis als Industrieland in Frage stellen. Eine Frage noch: Was wird eigentlich aus der Allianz mit General Motors, die PSA 2012 einging? Drei gemeinsame Projekte sind beschlossen, der gemeinsame Einkauf spart beiden Parteien täglich Geld. Von weiteren Annäherungen sah General Motors ab und zog sein Kapital aus dem PSA-Konzern ab. Die Amerikaner wollten in Paris nicht mit Dongfeng an einem Tisch sitzen. |