Ein historischer Tiefstand: Nie wurden weniger Opel Astra und Corsa auf Privatkunden zugelassen als 2014. "Kauft" Opel seine stabilen Marktanteile mit Extremrabatten?
Quelle: Opel; Montage: MOTOR-TALK Essen/Rüsselsheim - Opel sieht sich im Aufwind: Der Führungsspitze wird in Detroit endlich zugehört, die Modellpalette verjüngt, neue Motoren sind am Start. Lohn der Arbeit: Marktanteil wieder über sieben Prozent stabil, von Januar bis Juli 132.437 Autos verkauft. Das sind 6,7 Prozent Wachstum. Alles gut also? Nein, sagt der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer. Opel hat den Erfolg gekauft – allerdings nicht mit dem Geld der Kunden. Denn ausgerechnet die Umsatz-Lokomotiven Corsa und Astra kauft kaum jemand neu. Quelle: MOTOR-TALK In den ersten sieben Monaten des Jahres konnte Opel laut dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nur 4.943 neue Astra an Privatkunden verkaufen. Das sind 16,9 Prozent am gesamten Astra-Absatz. Bei den Konkurrenten VW Golf und Ford Focus liegt die Quote der privaten Zulassungen bei rund 30 Prozent. Beim Opel Corsa beträgt der Privatkundenanteil 18,1 Prozent - auch hier hinken die Rüsselsheimer der Konkurrenz deutlich hinterher. Der Ford Fiesta wurde in den ersten sieben Monaten laut KBA zu 44,4 Prozent auf Privatkunden zugelassen. Benjamin Kibies, Analyst beim Branchen-Informationsdienst Dataforce, erklärt: „Die Pkw-Neuzulassungen bei Opel stiegen von Januar bis Juli 2014 um 6,7 Prozent und damit deutlich stärker als der Gesamtmarkt." Dieser überproportionale Zuwachs resultiere vor allem aus Neuzulassungen auf Hersteller, Händler und Autovermieter. Bei den Privatkunden und im Flottenmarkt bliebe die Marke leicht hinter der Entwicklung des Gesamtmarktes zurück. Opel: Das ist der „Corsa-Effekt“Diese Zahlen sind für Opel ein historischer Tiefstand. Lag der Astra 2010 auf Platz fünf bei den Privatzulassungen und 2012 noch auf Platz 11, liegt er aktuell auf Rang 44 – hinter Toyota Auris, Mazda3, Smart oder Hyundai i20. Zugelassen werden Corsa und Astra also oft auf Händler, die diese Autos mit hohen Abschlägen als Tageszulassungen verkaufen. Im Juni lag Opels Eigenzulassungsquote bei 43,5 Prozent, im Juli bei 39,9 Prozent. Zum Vergleich: Der Marktdurchschnitt liegt bei 27,6 Prozent. Nur Fiat und Honda lassen mehr Pkw auf ihre Händler zu. Benjamin Kibies führt aus: "Astra und Corsa umfassen knapp die Hälfte der Opel Pkw-Neuzulassungen im Jahr 2014. Beide stehen am Ende ihres Modellzyklus. Dafür sind geringere Neuzulassungen bei Flotten und Privatkunden sowie ein höherer Anteil von Sondereinflüssen typisch." Beim Opel Corsa stiegen die Neuzulassungen auf Händler im Jahr 2014 ähnlich deutlich wie 2005, vor dem letzten Modellwechsel des Corsa. Beim Astra ist der Wert stabil, insgesamt liegt das Modell 5,6 Prozent unter dem Niveau des Vorjahrs. Opel sagt, die hohe Quote sei vor allem auf den auslaufenden Corsa D zurückzuführen. „Die Händler stellen sich die letzten Wagen auf den Hof, um ihren Kunden sehr attraktive Angebote zu machen“, sagte ein Opel-Sprecher in Rüsselsheim. Beim vielseitig konfigurierbaren Adam, sagt Opel, kaufen die Händler verschiedene Varianten ein, und damit mehr Fahrzeuge. Sie wollen ihren Kunden die vielen Optionen zeigen. Außerdem steige die Zahl der Leasingfahrzeuge, die die Mitarbeiter selbst fahren. Opel hat in Deutschland mehr als 20.000 Mitarbeiter. Deren Autos werden zwar von den Opelanern bezahlt, aber auf den Konzern zugelassen. Rabatte ohne Ende?„Mit der Kampagne ‚Umparken im Kopf‘ ist es Opel bisher nicht gelungen, seine Fahrzeuge werthaltiger zu verkaufen. Das Gegenteil ist der Fall“, schreibt Ferdinand Dudenhöffer. Aus der regelmäßigen Rabattstudie des Professors fallen Astra und Corsa nun heraus – berücksichtigt werden nur die 30 bei Privatkunden beliebtesten Neuwagen ohne Tageszulassungen. „Die Opel-Marketingstrategie, Marktanteile zu ‚kaufen‘, ist sehr risikoreich“, sagt Dudenhöffer. Opel bestreitet eine solche Strategie: „Wir müssen Mitte des Jahrzehnts schwarze Zahlen schreiben“, sagte ein Sprecher. "Da liegt das Hauptaugenmerk nicht auf dem Marktanteil, sondern darauf, mit den Autos Geld zu verdienen“. Quelle: Opel Ob auf Bestellung oder per Tageszulassung sei dabei nicht die entscheidende Frage. Beim Astra Fünftürer habe man den Privatkunden-Anteil gesteigert, dies sei das von Privatkäufern bevorzugte Modell. Corsa ab 8.000 EuroDen alten Corsa gibt es derzeit mit Rabatten von mehr als 30 Prozent. „Selbst in der Auslaufphase ist das sehr hoch“, sagt Ferdinand Dudenhöffer. Auf Anzeigen-Portalen finden sich praktisch neue Exemplare schon unter 8.000 Euro, wenn man EU-Re-Importe nicht berücksichtigt. Bei einem Listenpreis von 11.980 Euro macht das 33 Prozent Nachlass. Der Astra braucht bis zum Modellwechsel noch rund ein Jahr. Aktuell bekommt man ihn ab 12.800 Euro, bei 16.990 Euro Listenpreis – das sind 25 Prozent Nachlass. Opel hält dagegen: „Der Rabatt für den Astra ist seit langer Zeit konstant“. Man verkaufe ohnehin nur wenige Fahrzeuge über Internetvermittler, „der Anteil ist minimal“. Und: Die höchsten Rabatte gibt es auf die „nackte“ Basisversion, beim Corsa das Modell 1.2 Selection. Das habe an allen Corsa-Verkäufen nur einen Anteil von 1,8 Prozent. Parkt Opel also, mit Dudenhöffers Worten, „zum Schnäppchen“ um? Der Professor sieht in der hohen Eigenzulassungsquote „eine Gefahr für die zukünftige Ertragsfähigkeit der Marke“. Für den Dataforce-Analysten Kibies ist es für solche Schlussfolgerungen zu früh: „Aufgrund der speziellen Lebenszyklussituation von Astra und Corsa ist es zurzeit nicht möglich, aus der aktuellen Verteilung der Neuzulassungszahlen eine Aussage über die generelle Entwicklung von Opel abzuleiten. Das geht erst, wenn die Nachfolgemodelle inklusive der unterschiedlichen Ausstattungsvarianten und Motorisierungen verfügbar sind. Dann wird sich zeigen, ob Opel Marktanteile bei privaten Haushalten und im Flottenmarkt zurückgewinnen kann." Adam mit KaffeemaschineAuf jeden Fall parkt künftig der Opel Adam bei Tchibo – zur Schnäppchenrate. Dort bekommt man den Kleinwagen in Kaffeefarben ab 89 Euro im Monat oder für 13.990 Euro. Dazu noch eine Kaffeemaschine. Quelle: Opel Der Preisvorteil beim Kaffeeröster beträgt inklusive Kaffeemaschine (199 Euro) etwa 500 Euro. Online-Vermittler bieten vergleichbare Adam etwa 1.000 Euro günstiger an. Als Vorführwagen oder Tageszulassung gibt es den Adam Jam sogar schon für 11.000 Euro. Die Differenz zum Tchibo-Preis reicht dann für 15 Geräte vom Typ „Cafissimo Latte“. Am Autogeschäft mit Tchibo versuchten sich bereits Smart, Seat und Fiat, aber nur kurz. Denn Geld verdienen die Autohersteller nicht zwischen Plastikschüsseln und Bettwäsche. Auch Opel will vorerst nur 750 Adam über Tchibo vertreiben – spricht aber von einer strategischen Partnerschaft. Die soll den „Tchibo-Fans die Marke Opel und ihre Modelle näher bringen“, wie Opel-Marketingchefin Tina Müller erklärt. Ob das klappt? Opel-Chef Neumann hat erkannt, dass Opel vor allem am Image arbeiten muss und will die Marke "jünger, nahbarer, aufregender" machen. Ist das die Botschaft des Adam zwischen Wärmedecke und Kaffeemaschine? |