Mercedes inszenierte die E-Klasse als Technikwunder. Der neue 5er BMW wirkt als Prototyp wie ein Gegenentwurf. Das Infotainment bleibt verschleiert – das Fahren zählt.
Von Stefan Grundhoff Wales – Zweimal im Jahr kann man in Wales ein eigenartiges Schauspiel beobachten. Dann kommt BMW mit verschiedenen Prototypen ins walisische Niemandsland. Wild beklebte Erlkönige brettern auf den immer gleichen Runden über rauen Fahrbahnbelag, enge Sträßchen und fiese Kuppen. Die einzigen Zeugen sind keine Erlkönig-Fotografen, sondern nur ein paar seelenruhig grasende Rinder. Und wir. Weswegen? In diesem Jahr hat BMW Prototypen des kommenden 5ers nach Wales gebracht. Und wir sind ihn gefahren. Zu tun gäbe es für die Erlkönig-Fotografen ohnehin nichts. Erlkönig-Fotos vom neuen 5er hat BMW bereits selbst veröffentlicht. Viel tut sich beim Außen-Design des 5ers vermutlich nicht. Im Innenraum sieht das schon anders aus. Ein Blick unter die schwarzen Tarnmatten zeigt Displays, Schalter und Bedienelemente, wie wir sie aus dem aktuellen 7er BMW kennen. Der neue 5er wird innen ein kleiner 7er, das verrät schon das exakt gleiche Lenkrad. Und der Fahrkomfort. Im Innenraum des neuen 5ers ist vom rauen walisischen Straßenbelag selbst ohne Doppelverglasung kaum etwas zu hören. Die Motoren des neuen 5ersSanft gleitet der 530i-Prototyp über die Hügel. Der Fahrer vermisst hier nur eins: den Sechszylinder. Denn so einer arbeitete beim alten Modell bis Mitte 2013 in einem 530i. Aktuell gibt es das Modell nicht mehr. Beim G30 kommt ein aufgeladener Vierzylinder-Turbo mit zwei Litern Hubraum und 252 PS. Die Modelle 520i, 525i und 530i mit 184, 231 und 252 PS kommen ebenso mit Vierzylinder wie die kleinen Diesel 520d und 525d mit 190 und 231 PS. Wer Sechs- oder gar Achtzylinder will, muss Geld in die Hand nehmen. Da gibt es den 540i mit 326 PS und den M550i xDrive, der mit acht Brennkammern rund 450 PS leisten wird. Die größeren Sechszylinder-Diesel 530d, 540d und M 550d waren bei der Vorgängergeneration gerade in Europa beliebt. Sie werden ein Leistungsspektrum von 258, 313 oder 400 PS nebst einer deutlichen Verbrauchsreduzierung bieten. So fährt der neue 5erDer Vierzylinder im 530i hat beim Klang zwar weniger zu bieten als der alte Sechszylinder, doch der Vortrieb ist kraftvoll genug. Geschaltet wird über eine Achtgang-Automatik, die Handschalter bleiben nur für Basisvarianten im Programm. Schon nach ein paar Kurven in den walisischen Midlands spürt man das geringe Gewicht auf der Vorderachse. Dazu arbeiten schon Standard-Lenkung und -Fahrwerk hervorragend präzise. Noch etwas besser funktioniert das in einem weiteren 5er-Prototypen mit 19-Zöllern und Sportfahrwerk. Besonders Kunden in Deutschland und speziell Großbritannien ordern bisher das straffe Sportfahrwerk und sparen sich die adaptiven Dämpfer, mit denen zwischen verschiedenen Fahrwerksmodi gewählt werden kann. Eine neu konstruierte Doppel-Querlenker-Vorderachse und eine neue Fünflenker-Hinterachse - beide überwiegend aus Aluminium gefertigt - gibt es sowieso für alle Modelle. Vorne müssen die Federbeine so keine Radführungsaufgaben mehr übernehmen und sind dadurch weitgehend von Querkräften befreit. Hört sich gut an und fährt sich genau so. Quelle: BMW Eine Luftfederung wie in der E-Klasse gibt es dagegen für kein Geld der Welt. „Wir brauchen bei solch einem Modell keine Luftfederung“, sagt Fahrwerksentwickler Alexander Meske, „sie ist zu schwer und hat zudem eine niedrige Taktrate.“ Gegenentwurf zur E-Klasse?Während die neue E-Klasse vor allem auf Komfort, Vernetzung und Fahrerassistenz setzt, wirkt der 5er als Prototyp wie ein Gegenentwurf. Auch wenn BMW bei Infotainment und Assistenzsystemen zulegen will, technisch setzt man auf die analoge Grundtugend „Fahrdynamik“. Hatte der Vorgänger mit neuen Fahrwerksmodulen und Komfortausstattungen deutlich zugelegt, speckt der G30 wieder ab. Im Vergleich zum bisherigen F10 sollen rund 100 Kilogramm purzeln. Dabei gibt es im 5er noch nicht mal Carbonteile wie beim größeren 7er. Dafür werden vom Start weg nicht nur Hinterrad- und Allradantrieb, sondern auch eine Allradlenkung sowie verschiedene Lenkungskonfigurationen angeboten. „Insbesondere die mitlenkende Hinterachse bringt zusätzliche Dynamik – gerade auch bei geringen Geschwindigkeiten“, sagt Jos van As, bei BMW als Leiter für Integration seit Jahren Experte für Fahrdynamik. Was wollen die Kunden?Mit der aktuellen Generation des 5ers hat BMW die Oberklasse weltweit dominiert. Pro Jahr wurden bis zu 360.000 Fahrzeuge verkauft. Selbst in diesem Jahr haben die Hauptkonkurrenten Mercedes E-Klasse und Audi A6 weltweit keine echte Chance gegen den alten Bayern. Ob sich das mit einem Fokus auf Fahrdynamik wiederholen lässt? Die viel gelobten variablen Dämpfer wurden beim Vorgänger jedenfalls nur von 16 Prozent der Kunden bestellt. Klar, ähnlich wie Audi A6 und Mercedes E-Klasse sind die meisten Modelle Dienst- und Firmenwagen. Assistenzsysteme, Infotainment und Komfort-Features sind da beliebter als Fahrwerkssysteme. Was BMW hier abliefern wird, verbirgt sich bisher aber noch unter schwarzem Stoff – zumindest noch ein paar Wochen. Die Messepremiere des neue 5er BMW findet auf der North American International Autoshow in Detroit Mitte Januar 2017 statt – ein Jahr nachdem dort die Mercedes E-Klasse gezeigt wurde. Die Kombiversion dürfte im März auf dem Genfer Salon vorgestellt werden, die Langversion für China im April 2017 in Shanghai. Der 5er GT bleibt trotz viel Kritik im Programm und parkt voraussichtlich im Herbst kommenden Jahres auf der IAA. |