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Die Autos der Rallye-Gruppe B: Teil 1 - Von der B-Ware zum Audi quattro

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Zum 70. Geburtstag von Walter Röhrl erinnern wir an seine berühmteste Bühne: Die Rallye-Gruppe B. Teil 1: Die Anfänge - vom Lancia 037 zum Audi Sport quattro.

Traktionsprobleme kannte der Audi quattro nicht. Das machte seine Piloten zum Dauergast auf den Podien - und zum Vorreiter beim Thema Allrad Traktionsprobleme kannte der Audi quattro nicht. Das machte seine Piloten zum Dauergast auf den Podien - und zum Vorreiter beim Thema Allrad Quelle: Audi

Von Arild Eichbaum

Berlin - Im Kaufhaus wird B-Ware meist stehengelassen. Im Rallyesport der 1980er-Jahre ließ die B-Ware ambitionierter Hersteller stattdessen alle anderen stehen. Wilder war Rallye nie zuvor, und wilder sollte Rallye nie wieder werden. Wie konnte es dazu kommen?

Unzufriedenheit gab den Ausschlag, und zwar die der FISA-Führung. Die Fédération International du Sport Automobil war es leid, dass pummelige Familienautos hochgezüchtete Sportwagen auf der Piste nicht nur herausforderten, sondern regelrecht fertigmachten. Das aktuelle Reglement stand der brutalen Aufrüstung von Kleinwagen und Mittelklasse-Limousinen aber nicht entgegen, also musste ein neues her.

Statt der Gruppen 1 bis 6 gab es fortan die Gruppen A bis C. A stand für Tourenwagen in seriennaher Optik, C für die Prototypen. Die Gruppe B war für den Rallyesport gedacht. 200 Homologationsfahrzeuge ohne große Tuningzugeständnisse mussten die Hersteller bauen, um mit einem Modell starten zu dürfen. Wer mehr Dynamik wollte, hatte 20 Evo-Modelle nachzureichen. Auch die durften nicht nach Belieben aufgemotzt werden.

Also: 200 Kraftprotze montieren und 20 Monster hinterherschieben. Da kamen die Hersteller schneller drauf, als es der FISA lieb sein konnte.

Lancia: 29 Podiumsplätze und ein Konstukteurstitel

Lancia Rally 037: 29 Podiumsplätze sprachen für sich. Auch konstruktiv ging Lancia neue Wege Lancia Rally 037: 29 Podiumsplätze sprachen für sich. Auch konstruktiv ging Lancia neue Wege Quelle: Lancia

Manche Hersteller fuhren schon zuvor Rallye, andere sprangen jetzt auf den Zug auf. Nur aus dem Hut zaubern konnte niemand so einen Kracher, weswegen 1983 zunächst etliche Gruppe 4-Wagen in der Gruppe B gemeldet wurden. Lancia zum Beispiel wusste nach diversen Trophäen mit Fulvia und Stratos ganz genau, worauf es ankam. Und trat als Zwischenlösung mit dem im Vorjahr bereits eingesetzten Rally 037 an, der regelkonform Teile der Fahrgastzelle des Beta Montecarlo aufwies.

Auch dessen Mittelmotor hatte Bestand, denn an Siegchancen mit Frontmotor glaubten die wenigsten. Die Aufladung erfolgte nicht per Abgasturbine, sondern mit Riemen per Kompressor. Klar kostete das Prinzip Leistung, doch davon lag wie bei einem guten Sauger in jedem Drehzahlbereich genügend an.

Die anfangs angegebenen 255 bis 280 PS der 960-Kilo-Flunder galten als schwer untertrieben, die bis 325 PS der zweiten Evolutionsstufe ebenfalls. Die Lancia-Ingenieure hatten den Rally 037 nicht nur kraftvoll, sondern auch servicefreundlich konstruiert. So ließen sich bei den Wettbewerben alle wichtigen Komponenten mit nur zwei verschiedenen Schraubengrößen tauschen, um zeitintensive Werkzeugwechsel weitestgehend zu verhindern.

Der mit klassischem Hinterradantrieb versehene 037 enttäuschte nicht. Im Gruppe-B-Debütjahr holte der knapp vier Meter lange Lancia die Konstrukteursmeisterschaft und wurde damit zum letzten Nicht-Allradmodell, das diesen Titel holen konnte. An der Fahrerweltmeisterschaft schrammten die Werkspiloten Walter Röhrl und Markku Alén knapp vorbei, sie standen hinter dem Audi-quattro-Piloten Hannu Mikola auf Platz zwei respektive drei des Podiums.

Fahrdynamisch machte der 037 auch in den Jahren danach von sich reden, denn mit ihm war es möglich, die Allradfraktion gerade auf Asphalt so richtig ins Schwitzen zu bringen. Transpiration stellte sich auch beim Zählen der Podiumsplätze ein: beachtliche 29 waren es zu Gruppe-B-Zeiten.

Opel und Toyota: Kein Turbo, keine Chance

Opel bot mit dem Ascona 400 ein eher konservatives Konzept auf: Saugmotor vorn, Antrieb hinten, Starrachse Opel bot mit dem Ascona 400 ein eher konservatives Konzept auf: Saugmotor vorn, Antrieb hinten, Starrachse Quelle: dpa/Picture Alliance

Deutlich konservativer ging Opel die Gruppe B mit Ascona 400 und Manta 400 an: Saugmotor vorn, Antrieb hinten, Starrachse. Damit waren einige Achtungserfolge möglich, aber für ganz oben fehlten Power und Traktion. Was Toyota nicht davon abhielt, ihre Celica konstruktiv mit dem Manta vergleichbar auszulegen. Starrachse und Hinterradantrieb wurden auch hier beibehalten, der Saugmotor indes nicht.

Mit dem recht anspruchslosen Fahrwerk ließen sich die anspruchsvollen Pisten Afrikas bestens bezwingen. Enge Kurven wie in Monte Carlo gab es nicht, stattdessen Schlaglöcher, Schlamm, Staub und Wasserdurchfahrten. Wenn tatsächlich mal was kaputt ging, war es schnell repariert. Das überaus robuste Wesen des Celica TCT war eine seiner größten Stärken.

400 PS lieferte der standfeste Turbomotor im Vorderwagen, der für diesen Output nicht einmal Vierventiltechnik brauchte. Damit fuhr Toyota zumindest in Afrika auf Augenhöhe mit den europäischen Platzhirschen, sofern die sich überhaupt an die Elfenbeinküste oder nach Kenia wagten. Erstklassiges Handling war dort nicht gefragt, eine satte Spitzengeschwindigkeit schon eher.

Die betrug bei Toyotas Stufenheck-Coupé rund 240 Kilometer pro Stunde, was dem Toyota in den Gruppe-B-Jahren immerhin 13 Podiumsplätze einbrachte - die viertmeisten also. Sechs Siege machten ebenfalls die viertmeisten der Gruppe-B-Geschichte aus.

Der Renault 5 Turbo beerbte die Alpine A110, und begründete einen Gruppe-B-Trend: Übermotorisierte Klein- und Kompaktwagen mit Mittelmotor Der Renault 5 Turbo beerbte die Alpine A110, und begründete einen Gruppe-B-Trend: Übermotorisierte Klein- und Kompaktwagen mit Mittelmotor Quelle: Renault Hätten Opel, oder Nissan beim 240 RS, doch auch ihre Motoren so unter Druck gesetzt. Denn ohne Turbo sahen die zuverlässigen Fahrzeuge aus Rüsselsheim und Yokohama kaum noch einen Stich. Opel freute sich in der Gruppe B über je einmal Gold, Silber und Bronze, während Nissan drei dritte und einen zweiten Platz erkämpfte.

Renault 5 Turbo

An Druck mangelte es dem Renault 5 Turbo nicht. Das als Nachfolger der in den 60ern und 70ern erfolgreichen Alpine A110 kreierte Fahrzeug war durchdacht aufgebaut, dank der geringen Größe äußerst agil und auch bei Privatkunden gefragt. Zwischen 1980 und 1986 verkaufte Renault 4.857 Exemplare.

Als vor Gründung der Gruppe B entstandenes Rallyefahrzeug war der Renault 5 Turbo im Jahr 1981 entsprechend FIA-Regularien für die Rallye-WM in der Gruppe 4 homologiert. Von 1983 bis 1986 brüllte der R5 mit den dicken Backen dann in der Gruppe B. In der Weltmeisterschaft konnte der rasende Rhombus die Rallye Monte Carlo 1981, die Tour de Corse 1982 und die Tour de Corse 1985 gewinnen.

Am Steuer saß in allen drei Rennen Jean Ragnotti. Bei den ersten beiden Triumphen fungierte Jean-Marc Andrié als Copilot, 1985 las Pierre Thimonier vor. Mit Letzterem war Ragnotti 1984 auf Korsika bereits auf Platz drei gefahren. Auch im letzten Gruppe-B-Jahr 1986 ließ sich Renault das Heimspiel nicht nehmen und schickte François Chatriot und Michel Périn auf dem Evomodell Renault 5 Maxi Turbo an den Start. Ergebnis? Silber. Einige Wochen zuvor hatten die Portugiesen Joaquim Moutinho und Edgar Fortes auf einem Renault 5 Turbo bereits die Rallye Portugal gewonnen.

Beachtlich an den Erfolgen des Renault 5 Turbo bei WM-Läufen ist, dass das Fahrzeug mit einem Hubraum von 1.397 cm³ bei einem Turbofaktor von 1,4 der Klasse bis 2.000 cm³ angehörte. Alle anderen Kraftprotze traten in der höheren Klasse an. Das geringe Volumen des leichten Kleinwagens hielt die Ingenieure nicht davon ab, dem Vierzehnhunderter 240 bis 320 PS zu entlocken.

Zwar blieb die Anzahl der Podiumsplätze für den R5 Turbo überschaubar. Dennoch hatte der kleine Franzose das wegweisende Konzept für diesen Sport in den Achtzigerjahren begründet: Einen Klein- oder Kompaktwagen für den Rallyeeinsatz mit Mittelmotor zu versehen anstatt auf einen Sport- oder Mittelklassewagen zurückzugreifen, überzeugte auch Peugeot, Lancia und Austin-Rover. Im Gegensatz zu deren Fahrzeugen – wie auch die von Frontmotoren befeuerten Audi-Boliden – verzichtete der Renault 5 Turbo allerdings auf den Vierradantrieb. So war er zwar ein ernst zu nehmender Gegner auf Asphaltetappen, hatte aber auf unbefestigtem Geläuf Schwierigkeiten.

Die Tücken des quattro

Audi quattro: Das Konzept mit vier angetriebenen Rädern machte den Ingolstädter für kurze Zeit schwer schlagbar, der Sport quattro wurde auch wendig Audi quattro: Das Konzept mit vier angetriebenen Rädern machte den Ingolstädter für kurze Zeit schwer schlagbar, der Sport quattro wurde auch wendig Quelle: Audi

Traktionsprobleme kannte der Audi quattro in all seinen Evolutionsstufen allenfalls vom Hörensagen. Die Schwierigkeiten der Hecktriebler störten den Audi ebensowenig wie die der Fronttriebler. Mit dem neuartigen Antriebskonzept konnte die VW-Tochter den Mitbewerbern unmissverständlich aufzeigen, wer hier bald zum alten Eisen gehören würde.

Stets mit Turbo-Fünfzylinder und Allradantrieb versehen, ließ der quattro Schotter und Schnee schon zu Gruppe-4-Zeiten spritzen. Hatte sich der Staub gelegt, war der Ingolstädter Imageträger schon einige Kurven weiter. Dass es mit der Wendigkeit nicht zum Besten stand, nahm man hin, schließlich war der Finne Mikkola im Gruppe-B-Debütjahr 1983 gerade Weltmeister geworden.

Stig Blomqvist aus Schweden holte sich mit dem Ingolstädter Ballermann im Folgejahr zum ersten und einzigen Mal die Weltmeisterschaft; darüber hinaus jubelte man bei Audi über den zweiten Konstrukteurstitel nach 1982. Dank zahlreicher Erfolge und regelmäßiger Teilnahme an nahezu allen Rennen waren die Besatzungen von quattro A1 bis Sport quattro E2 zu B-Zeiten mit 44 Auftritten Stammgäste auf dem Ehrenpodest.

Problemlos war der Wagen keineswegs. Die ungeheuer komplexe Konstruktion und die vergleichsweise üppigen Abmessungen bereiteten Mechanikern und Fahrern Sorgen. In Haarnadeln zurücksetzen? Wo die kleineren Fahrzeuge einfach durchfuhren, brauchte der Audi schon mal drei Züge. Das ging natürlich nicht, woraufhin Audi auf der Tour de Corse 1984 den in Länge und Radstand deutlich gekürzten Sport quattro präsentierte.

Auch das brachte Probleme. Mit lediglich 220 Zentimetern zwischen den Achsen, deutlich weniger als etwa R5, 205 Turbo 16 oder Metro 6R4, litt die Fahrstabilität. Das Coupé wurde nervös und im Drift kaum beherrschbar. Der vor der Vorderachse positionierte Frontmotor forderte langsam seinen Tribut.

Die neuen Maßstäbe der Rallye-Brachialmobilität kamen nicht mehr aus Bayern, sondern aus Frankreich und Italien. Sie pickten sich aus allen bisherigen Konzepten die Rosinen heraus und ließen es dann so richtig krachen. Und zwar ohne jeden Gruppe 4-Vorgeschmack. Explosiver war die B-Ware nie.

Teil 2: Brutale Mittelmotoren und brutale Unfälle

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