Von MOTOR-TALK-Reporter Michael Specht
Foshan - Audi wagte schon vor 25 Jahren den Schritt nach China. Und das war eine „strategisch wertvolle Entscheidung“, sagt Audi-Chef Rupert Stadler bei der Jubiläumsfeier in Foshan. Audi ist heute in China Marktführer im Premium-Segment, weit vor BMW und Mercedes.
Audi hat früh erkannt, was sich die chinesischen Kunden wünschen - zum Beispiel lange Limousinen. Denn der Chinese verweilt gerne hinten und lässt sich lieber fahren, als dass er selbst am Steuer sitzt – was in den Millionenstädten unter anderem wohl auch an den permanenten Staus liegen dürfte. Schon Ende der 90er-Jahre entwickelten die Ingolstädter daher den A6 mit verlängertem Radstand. Seit 2009 gibt es ebenso den A4 in Größe „L“, die erste Langversion in der Premium-Mittelklasse. BMW und Mercedes folgten dem Prinzip, bauten Dreier, Fünfer und E-Klasse in lang – ausschließlich für den lokalen Markt.
Ein SUV gegen alle Prognosen
Der Audi A6 als Langversion Quelle: Audi
Audi fuhr in China volles Risiko. Als der Hersteller 2003 den A4 nach China brachte, glaubten viele in der Branche, dass Premium erst bei der Oberklasse beginne und der Mittelklässler keine Chance haben werde. Und ausgerechnet im Finanzkrisenjahr 2008 entschloss Audi, in China auf SUV zu setzen – auch das entgegen der Meinung vieler Experten. Doch die Risikobereitschaft wurde belohnt. Seit 2010 baut Audi den Q5, seit 2012 auch den Q3 in China. Beide sind Bestseller in ihrer Klasse.
Ihre Führungsposition in China wollen die Bayern natürlich behalten. Deshalb drücken die Ingolstädter auch mächtig aufs Gas. Erst vor Kurzem hat der Hersteller im Süden Chinas, in Foshan, ein neues Werk errichtet. Dort sollen die A3 Limousine und der A3 Sportback vom Band laufen. Start ist Anfang 2014. „Wir sehen im Premium-Kompaktsegment sehr gute Wachstumschancen“, sagt Stadler. Zusammen mit dem ersten Werk in Changchun kann Audi jährlich bis zu 700.000 Autos im Reich der Mitte bauen.
Bislang verbinden Chinesen die Marke Audi mit „Deutschland“ und „Technik“ - und bald vielleicht auch mit „Grün“. Denn der Autobauer beabsichtigt, den A3 Sportback als Plug-in-Hybrid in China zu fertigen. Der A3 e-tron kann 50 Kilometer abgasfrei durch die City stromern, ohne über Land an Reichweite zu verlieren. Stadler ist sich sicher, dass der chinesische Kunde dies wesentlich besser annehmen wird als ein reines Elektroauto. Schaffen es die Ingolstädter, das Projekt im nächsten Jahr anzuschieben, wären sie wohl der erste Premiumhersteller, der diesen Weg in China geht.
Navi mit „Höhenmesser“
Das neue Audi R&D-Center in Peking Quelle: Audi
Wer in China Erfolg haben möchte, muss sich auf seine Kundschaft einstellen, zum Beispiel mit einem speziellen Navigationssystems. Das Touchpad des Audi-Systems erkennt 43.000 handgeschriebene asiatische Schriftzeichen. Über drei Jahre dauerte die Entwicklung. Derzeit bietet diesen Service kein anderer Autohersteller.
Das Gleiche gilt für die Höhensensorik der Navigation. Denn in Peking und Shanghai verlaufen Straßen und Autobahnkreuze oft über mehreren Etagen. Das Navi erkennt, auf welchem Niveau sich der Fahrer gerade befindet.
Doch trotz aller Bemühungen, die fetten Jahre, besser gesagt, die dicken Zuwachsraten von teilweise über 40 Prozent jährlich dürften auch in China vorbei sein. Das spürt keiner deutlicher als Dietmar Voggenreiter, Geschäftsführer von Audi China. „Der chinesische Markt befindet sich in der Reifephase, wird nun wettbewerbsintensiver“, sagt er. Ein Grund, warum Audi jüngst in Peking sein erstes Forschungs- und Entwicklungszentrum außerhalb von Europa eingeweiht hat, um noch mehr auf die Bedürfnisse der Kunden reagieren zu können. Sei es beim Thema Design, bei den Farben und Materialien, sei es bei der Fahrwerksabstimmung oder der Sitzanlage im Fond.
Nächster Schritt: Let’s go West
Voggenreiter will zudem das Händlernetz kräftig ausbauen. Jede Woche öffnet derzeit ein neuer Audi-Betrieb seine Verkaufsräume. Bis 2020 sollen es 700 sein, heute sind es 309 in 143 Städten. Die Eroberung Die Audi-City in Peking Quelle: Michael Specht
gilt vor allem dem in Sachen Automobil unterversorgten Westen Chinas.
Die Händler sind mit allem ausgestattet, was der chinesische Kunde benötigt: Lounge, Getränke, Essen, Internet, Spielzimmer für die Kinder. Denn im Gegensatz zum deutschen Autofahrer verlässt der Chinese den Hof des Händlers nicht während der Inspektion oder Reparatur. Er bleibt möglichst dicht bei seinem Auto. Werkstatt und Warteraum sind daher oft nur durch eine Glasscheibe getrennt oder der Kunde kann den Fortschritt der Arbeiten am Bildschirm verfolgen.