Update: VW will Ausgaben und Emissionen reduzieren. Der Konzern entwickelt Elektro-Baukasten und Strom-Phaeton und investiert pro Jahr eine Milliarde Euro weniger.
Wolfsburg – Der Diesel-Skandal wird teuer für VW. 6,5 Milliarden Euro hat der Konzern bereits zurückgestellt. Mit diesem Geld sollen die Abgassysteme an weltweit elf Millionen Diesel-Fahrzeugen nachgebessert werden. Hinzu kommen Strafen, Schadensersatz und Anwaltskosten in bislang unbekannter Höhe. In den USA gibt es ein hohes Klagerisiko. GM zahlte für den Zündschloss-Skandal 900 Millionen US-Dollar Strafe. Eine Anwaltskanzlei forderte mit einer Sammelklage sechs bis zehn Milliarden US-Dollar als Ausgleich für den Wertverlust. VW will jetzt die Investitionen um jährlich eine Milliarde Euro senken. Das hat der VW-Vorstand in einer Sondersitzung entschieden. Bereits Ex-Chef Martin Winterkorn hatte ein Sparprogramm angekündigt. Damit wollte VW ursprünglich spätestens von 2018 an rund fünf Milliarden Euro jährlich sparen – dieses Programm will Diess beschleunigen. VW-Sparprogramm: Eine Milliarde Euro pro Jahr für den Diesel-SkandalEigentlich müsste VW die Kosten des Skandals abfangen können. Laut Recherchen des „Spiegels“ verfügte der Konzern am 30. Juni 2015 über 18 Milliarden liquide Mittel sowie Wertpapiere in Höhe von gut 15 Milliarden Euro. Im vierten Quartal 2015 kommen die Erlöse aus dem Verkauf der Anteile an Suzuki und der Leasinggesellschaft Leaseplan hinzu, zusammen weitere drei Milliarden Euro. Etwa zehn Milliarden müsse der Konzern als Puffer behalten – insgesamt blieben also etwa 26 Milliarden Euro Guthaben. Falls diese Summe nicht genügt, kämen eine Kapitalerhöhung oder der Verkauf einer Marke infrage. Zusammen mit einem Sparprogramm errechnet der "Spiegel" 43 bis 86 Milliarden Euro, die der Konzern mobilisieren könnte. Bevor der Konzern aber das Tafelsilber veräußert, kämen zur kurzfristigen Kapitalbeschaffung Kredite infrage. Volkswagen müsse schnell auf die drohenden Kosten reagieren, hatte Müller vor einer Woche gesagt. „Nicht zuletzt, um unser gutes Rating an den Kapitalmärkten zu sichern. Das hat höchste Priorität.“ Dafür spart die Marke jetzt jährlich eine Milliarde Euro. Die Rating-Agentur Standard and Poors hat mittlerweile allerdings die Bonität von VW abgewertet. Damit wird es für VW teurer, diesen Weg zu gehen. Erlöse aus dem bereits von Winterkorn beschlossenen Sparprogramm will VW nicht direkt in die Aufarbeitung des Diesel-Skandals stecken. VW will mit Priorität neue Entwicklungen finanzieren. Die Autos sollen umweltfreundlicher werden und den Ruf des Schummel-Diesels abschütteln. VW-Vorstand Herbert Diess kündigt einen Elektro-Baukasten, mehr elektrische Reichweite und saubere Selbstzünder an. In Europa und Nord-Amerika wird es keine NOx-Speicherkats mehr geben. Alle Fahrzeuge der Marke fahren so bald wie möglich mit SCR-Katalysatoren. In anderen Märkten sei der Diesel-Anteil sehr gering, konkrete Pläne sollen folgen. 2020 kommt der Elektro-PhaetonViel Geld wird in die Entwicklung des neuen VW Phaeton fließen. Einige Medien hatten in den vergangenen Wochen berichtet, dass VW den Wagen aus dem Programm streichen könnte. Jetzt ist klar: Trotz der neuen Sparpolitik wird es weiterhin eine Oberklasselimousine mit VW-Emblem geben. Ursprünglich sollte der neue Phaeton 2017 auf den Markt kommen. Jetzt ist der Marktstart verschoben. Der Vorstand hat „das aktuell laufende Projekt neu aufgesetzt“. Der Phaeton 2 startet deshalb erst 2020. Anders als bislang geplant. VW wird im Phaeton keine Benzin-, Diesel- oder Hybridantriebe anbieten. Der Phaeton kommt ausschließlich als Elektroauto „mit Langstreckentauglichkeit“. Auf Nachfrage von MOTOR-TALK sagte ein Sprecher, dass es für genaue Zahlen noch zu früh sei. Vor einigen Wochen haben die Schwestermarken Audi und Porsche zwei Elektro-Studien vorgestellt. Beide fahren theoretisch mit einer Akkuladung 500 Kilometer weit und lassen sich besonders schnell laden. Audi gibt 50 Minuten Ladedauer an einer Gleichstrom-Ladesäule mit 150 Kilowatt an. Porsche will die Akkus des Mission E mit 800 Volt innerhalb von 15 Minuten zu 80 Prozent aufladen. Der neue Phaeton soll demnach mit dem Tesla Model S konkurrieren. Bisher bietet nur Tesla eine Oberklasse-Limousine mit großer elektrischer Reichweite an. Audi, BMW und Mercedes arbeiten an Plug-in-Hybridfahrzeugen, Elektroautos stehen aktuell nicht zur Debatte. Damit ist VW der erste Hersteller, der einen direkten Konkurrenten für das Model S ankündigt. Elektro-Baukasten und mehr ReichweiteInsgesamt soll die Marke mehr Elektroautos anbieten. Zusätzlich zu Längs- und Querbaukasten soll es einen Standard für Elektroantriebe geben. Der "Modulare Elektrifizierungsbaukasten" dient künftig als Basis für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. VW gibt Reichweiten von 250 bis 300 Kilometer für die Großserie an. Zudem sollen die elektrischen Reichweiten von Plug-in-Hybridfahrzeugen steigen. Teilzeitstromer der Marke fahren aktuell auf dem Prüfstand etwa 50 Kilometer weit rein elektrisch. Mit Baukästen senkt VW die Produktionskosten. Sie erlauben baureihen- und markenübergreifend den Einsatz von Gleichteilen. Früher gab es von einigen Motoren mehr als 100 Versionen. Heute unterscheidet sich bei gleicher Leistung nur noch die Software. Ein Elektrobaukasten könnte den Einstiegspreis von Elektroautos senken und die Technik in kleineren Baureihen verfügbar machen. VW spricht außerdem von einem 48-Volt-Bordnetz für Mild-Hybride sowie sparsameren Diesel-, Benzin- und Erdgasmotoren. Diess will alle Punkte zügig umsetzen. Wo genau die Marke ihre Investitionen kürzen will, ist allerdings nicht bekannt. Vermutlich senkt VW die Kapazitäten in China. Seit 2013 sinkt dort das Wachstum – VW wollte bisher deutlich aufstocken. |