Eine wichtige Woche für VW: Gestern sollte der Konzern die CO2-Schummler benennen. Heute erwarten die US-Behörden Lösungsvorschläge für den Diesel-Rückruf.
Wolfsburg - Mit VW geht es wieder aufwärts. Seit vergangenem Mittwoch liegt der Aktienkurs bei mehr als 100 Euro. Kurz vor dem Wochenende kostet ein Wertpapier etwa 107 Euro. Trotzdem zeichnet der Kurs eine unsaubere Sinuskurve in die Statistik. Denn zwei Monate nach dem Bekanntwerden des Diesel-Skandals gibt es ein unverändert steiles Gefälle zwischen Problemen und Lösungen. Auch wegen des zusätzlichen CO2-Themas. Falscher Verbrauch: VW-CO2-SkandalGestern hätte VW der EU-Kommission mitteilen müssen, bei welchen Fahrzeugen die Verbrauchswerte manipuliert wurden. Das hatte Klimakomissar Miguel Arias Cañete in einem Brief vom 9. November 2015 gefordert. Bisher gibt es jedoch keine konkreten Zahlen. Ungefähr 800.000 Fahrzeuge seien betroffen, gut die Hälfte (430.000) stamme aus dem Modelljahr 2016. VW bat um eine Fristverlängerung. Die Behörde stimmte zu, Cañete werde VW aber zur Auskunft drängen. Zeitgleich sucht VW nach Lösungen für das Diesel-Problem. Nach aktuellem Stand lassen sich alle betroffenen 2,0-Liter-Turbodiesel mit einem Software-Update reparieren. Bei der 1,6-Liter-Version des „EA 189“-Motors müssen zusätzlich Bauteile nachgerüstet werden. Laut Berichten der „Wirtschaftswoche“ handelt es sich um einen Sensor im Luftfilterkasten. Für den 1,2-Liter-Dreizylinder gibt es noch keine Lösung. Genaue Details zu den Maßnahmen werden wir nachreichen, sobald VW die Maßnahmen offiziell bestätigt. Update: Auf Nachfrage bestätigte ein Sprecher den aktuellen Stand zu 1,2- und 2,0-Liter-Motoren. VW habe dem KBA jetzt die Lösung für den 1,6-Liter-TDI vorgestellt. Wie der Motor genau seine Abgaswerte erreichen soll, kommentiert VW erst, wenn das KBA die Maßnahme abgenommen hat. Es handele sich bei dem Nachrüst-Bauteil jedoch nicht um einen Sensor. Frist läuft ab: USA will Pläne für Rückrufe prüfenHeute läuft eine weitere, wichtige Frist ab. VW muss in den USA Vorschläge zum Rückruf von etwa 500.000 Diesel-Pkw vorlegen. Die Behörden dürfen diese Pläne 20 Tage lang prüfen. Danach können sie Strafen anordnen. Mary Nichols, Chefin der Kalifornischen Umweltbehörde CARB, sprach bereits von möglichen Rückkäufen einiger betroffener Fahrzeuge. Nach ihrer Erfahrung funktioniere eine Nachrüstung selten so gut wie geplant. Besonders kritisch sei der Faktor Mensch: „Wenn sich herumspricht, dass die Reparatur die Autos weniger spritzig fahren lässt und dadurch mehr Sprit bezahlt werden muss (…), werden Leute sich dagegen entscheiden.“ In Deutschland überwacht das Kraftfahrtbundesamt die Rückrufe und setzt sie notfalls durch. In den USA ist der Hersteller dafür verantwortlich. Zulassungen werden dort in den „Departments of Motor Vehicles“ (DMV) registriert. Die Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA kümmert sich um Rückrufe. US-Amerikaner können sich auf der Internetseite recalls.gov über Rückrufe informieren, werden aber nicht zwangsläufig benachrichtigt. VW bietet US-Kunden Gutscheine im Wert von 1.000 US-Dollar an, wenn sie sich und ihr Auto beim Händler registrieren. VW erhofft sich davon unter anderem, zu möglichst vielen Fahrzeugen eine Halteradresse zu bekommen. Mittlerweile beobachten die US-Behörden auch den Zulieferer Bosch. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, Bosch habe für die betroffenen Dieselmotoren das Steuergerät geliefert. Es sei jedoch noch zu früh für konkrete Anschuldigungen. Bisher gebe es keine Belege für ein Fehlverhalten. Bosch kommentierte die Anschuldigungen gegenüber Reuters nicht. Erster Rückkauf, ruhiger AktienkursIn Deutschland hat derweil der erste VW-Kunde sein Fahrzeuge zurückgegeben. Laut eines Berichtes von „Focus Online“ bestätigte Rechtsanwalt Markus Klamert, dass ein VW-Händler einen 2014 gekauften VW Tiguan zurückgenommen hat. Insgesamt kommt der Konzern nicht zum Durchatmen. Der Aktien-Anstieg der vergangenen Tage bedeutet vorerst nur, dass die Börse Vertrauen in den Konzern setzt. Seit fast zwei Monaten pendelt der Kurs zwischen 92 und 113 Euro. Nun scheint er sich zu beruhigen. Große Ausschläge gibt es seit einer Woche nicht mehr. Das könnte sich mit der Bekanntgabe von kostspieligen Reparaturmaßnahmen und hohen Strafen jedoch ändern. Vorerst will VW sparen. Nach einer Aufsichtsratssitzung in Wolfsburg kündigte VW-Chef Matthias Müller an, die Sachinvestitionen auf maximal 12 Milliarden Euro zu reduzieren. In den vergangenen Jahren gab VW dafür durchschnittlich eine Milliarde Euro mehr aus. Noch vor einem Jahr hatte Volkswagen bis 2019 im Konzernbereich Automobile insgesamt Ausgaben von 85,6 Milliarden Euro angepeilt, davon 64,3 Milliarden Euro für Sachinvestitionen. Eine vergleichbare Fünf-Jahres-Planung gab VW heute nicht bekannt. Der neue Elektro-Phaeton sei auf unbestimmte Zeit verschoben. „Wir fahren in den kommenden Monaten auf Sicht“, sagte Müller. Die Sparmaßnahmen sollen sich aber nicht Zukunftstechnologien oder Arbeitsplätze gefährden. „Gemeinsam mit den Arbeitnehmer-Vertretern werden wir weiterhin alles dafür tun, um die Stammbelegschaft an Bord zu halten.“ Im VW-Aufsichtsrat wird es bald zwei neue Mitglieder geben: Jörg Hoffmann, Erster Vorsitzender der IG Metall und Johan Järvklo, Vorsitzender der IF Metall bei Scania ersetzen ab heute bzw. dem 22. November 2015 die ehemaligen Mitglieder Berthold Huber und Hartmut Meine. Update Freitag, 20.11.2015, 22:55 Uhr: Der 3,0-Liter-V6-Diesel in den USAVertreter des Konzerns hätten bei einem Treffen eingeräumt, dass Diesel-Fahrzeuge des VW-Konzerns mit 3,0-Liter-Motoren der Modelljahre 2009 bis 2016 mit einer verdächtigen Software ausgestattet seien. Das teilten die Umweltbehörden EPA und CARB am Freitag mit. Bislang war in diesem Fall nur wegen dubioser Ergebnisse bei Emissionstests von Fahrzeugen der Baujahre 2014 bis 2016 ermittelt worden. Die Software ist allerdings eine andere als das bereits bekannte Schummel-Programm ("Defeat Device"). Die zweite verdächtige Software wird "Auxiliary Emissions Control Device" (AECD) genannt und betrifft die Konzernmarken VW, Audi und Porsche. Ob es sich dabei um ein Schummelprogramm handelt, muss sich erst zeigen. VW hatte das bisher abgestritten. Es handele sich um ein Programm, das beim Warmlaufen der Abgasanlage zum Einsatz käme. VW-US-Chef Michael Horn hatte erstmals bei einer Anhörung im US-Kongress am 8. Oktober erwähnt, dass es wegen der AECD-Programme Probleme mit den US-Behörden geben könnte. Die neuen Vorwürfe gegen VW bezögen sich zunächst vor allem auf Fehler im Zertifizierungsverfahren, sagte ein CARB-Sprecher auf Nachfrage. Der deutsche Autobauer habe es versäumt, den US-Behörden den Einbau der strittigen Software vorschriftsgemäß zu melden. Das heiße jedoch nicht, dass dieses Programm der Manipulation dienen müsse. Ob das der Fall sei, werde noch geprüft. Es liege den Behörden kein Schuldeingeständnis von VW dazu vor. |