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UPDATE VW-Zuliefererstreit: VW droht mit Zwangsmaßnahmen - VW stoppt die Golf-Produktion

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Wegen des Zulieferer-Streits geht bei VW stetig weniger. Nach Engpässen im Getriebewerk Kassel muss der Konzern die Produktion seines wichtigsten Modells stoppen.

Produktion des VW Passat in Emden: Durch ein fehlendes Getriebeteil kommt es an mindestens fünf VW-Standorten zu Lieferengpässen. VW prüft nach eigenen Angaben Kurzarbeit Produktion des VW Passat in Emden: Durch ein fehlendes Getriebeteil kommt es an mindestens fünf VW-Standorten zu Lieferengpässen. VW prüft nach eigenen Angaben Kurzarbeit Quelle: dpa/Picture Alliance

Wolfsburg - Volkswagen in Not: Ein Streit mit Zulieferern bringt die Maschinerie bei Europas größtem Autobauer gründlich ins Stocken. Mehr als 20.000 Werkern in Deutschland droht Kurzarbeit, die Produktion läuft nicht mehr rund. Die Hintergründe sind unklar, die Folgen voraussichtlich drastisch - und noch nicht völlig absehbar.

UPDATE: Von Montag bis einschließlich kommende Woche Samstag (27. August), also eine Arbeitswoche, wird das Herz des Konzerns stillstehen. In der Golf-Produktion im Wolfsburger Stammwerk hält der Autobauer für Tage die Bänder an, nichts geht mehr. Die Arbeit auf den Montagelinien und in anderen Teilen der Golf-Produktion wird ruhen, wie die Deutsche Presse-Agentur von VW-Mitarbeitern erfuhr. Im Werk seien am Freitag entsprechende Schreiben ausgehängt worden.

Laut einer internen Mitteilung hat VW seine Lieferpartner bereits über die nahende Zwangspause der Golf-Fertigung vom 22. bis 27. August informiert. Grund sei der Lieferstopp. Der Konzern wolle "bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen" Kurzarbeitergeld für die betroffenen Mitarbeiter beantragen. Zuerst müssten aber teilweise Überstunden abgebaut werden.

Was ist passiert?

Der Hintergrund: Zwei Zulieferunternehmen haben die Lieferungen an den Konzern eingestellt. Der Mutterkonzern beider Firmen ist der Mischkonzern Prevent. Eine der Prevent-Töchter gehört erst seit Mai zum Konzern. Die zweite wurde im November 2015 übernommen. Dabei handelt es sich um die ES Automobilguss im sächsischen Schönheide.

Mit weniger als 400 Mitarbeitern fertigt das traditionsreiche Gießereiunternehmen zum Beispiel Ausgleichgetriebegehäuse für ein VW-Automatikgetriebe. Viel sagen will die Firma nicht: "Unsere Unternehmensgruppe befindet sich in einer juristischen Auseinandersetzung mit Volkswagen und ist in diesem Zusammenhang auch zur Vertraulichkeit verpflichtet", verriet Geschäftsführer Alexander Gerstung der dpa. Mutter Prevent und die Münchner Anwälte der Firma reagierten zunächst nicht auf Anfragen.

Klärung kann noch dauern

Autoterminal neben dem VW-Werk in Emden: Kommen die exakt geplanten Lieferketten eines wichtigen Gleichteils ins Stocken, droht VW ein großes Problem an vielen Standorten Autoterminal neben dem VW-Werk in Emden: Kommen die exakt geplanten Lieferketten eines wichtigen Gleichteils ins Stocken, droht VW ein großes Problem an vielen Standorten Quelle: dpa/Picture Alliance

Es spricht einiges dafür, dass das in Schönheide gegossene Ausgleichgetriebegehäuse der Auslöser für VWs Problem sind. 2014 hatte das mittelständische Unternehmen fast 4 Millionen Euro investiert, einen Teil davon in "die Installation und Inbetriebnahme einer neuen Bearbeitungseinheit zur mechanischen Fertigbearbeitung von Differentialgehäusen der Baureihe MQB 450 von Volkswagen". So steht es im letzten öffentlich verfügbaren Geschäftsbericht des Unternehmens.

Vor Gericht hatte VW bisher Erfolg mit Klagen gegen eine Prevent-Tochter. Sie beliefert VW mit Sitzbezügen. Volkswagen habe einen wirksamen Vollstreckungstitel, sagte ein Gerichtssprecher am Donnerstag. Damit müssten die Sitzbezüge wieder geliefert werden. Bei dem Getriebeteil-Zulieferer sei das aber anders. Dort erließ das Landgericht Braunschweig zwar eine einstweilige Verfügung zugunsten von VW - doch davon haben die Wolfsburger erstmal nichts.

Der Grund: Beim Sitzzulieferer verhandelte das Gericht mündlich und traf eine Entscheidung. Daher ist in diesem Fall nur das Rechtsmittel Berufung vor dem Oberlandesgericht möglich. Bei den Getriebeteilen gab es anfänglich keine mündliche Verhandlung. Das erlaubte einen Widerspruch. Eine mündliche Verhandlung ist erst für Ende August angesetzt, wann ein Urteil fällt, ist offen. Und mindestens solange das so bleibt, ist keine Lieferung zu erwarten.

UPDATE: VW kündigte am Freitag (19. August) an, im Streit alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Am Ende könnte also der Gerichtsvollzieher zur Not mit der Polizei im Schlepptau die dringend benötigten Teile vom Lieferanten holen.

Der Autobauer sei gezwungen, "die zwangsweise Durchsetzung der Belieferung vorzubereiten, und zwar mit den uns zur Verfügung stehenden gesetzlich vorgesehenen Mitteln. Dazu gehören Ordnungsgeld, Ordnungshaft, Beschlagnahme, die über das Gericht beantragt werden", sagte ein VW-Sprecher am Freitag. Allerdings betonte der VW-Sprecher auch, dass der Autobauer die Lage keinesfalls einseitig weiter verschärfen mag. "Parallel versuchen wir weiterhin eine gütliche Einigung mit dem Lieferanten herbeizuführen."

"Just in Sequence" spart - solange es läuft

Ausfälle in der Lieferkette sind für die Autohersteller stets ein großes Problem. Teile werden nach dem sogenannten "Just in Sequence"-Prinzip geliefert: Die Bauteile kommen pünktlich und in der zur Montage nötigen Reihenfolge in der Fertigung an. So haben die Arbeiter sofort das jeweils gebrauchte Teil griffbereit.

Das spart Zeit und Lagerkosten – eigentlich. Fehlen Teile, stockt sofort die gesamte Produktion. Noch schlimmer wird die Situation, wenn es kurzfristig keinen Ersatz gibt – etwa, weil der Autohersteller keinen zweiten Lieferanten für ein Teil im Lieferantenpool hat. Das ist selten, kommt aber vor.

Dass VW in diesem Fall und trotz voller Auftragsbücher zu drastischen Maßnahmen wie Kurzarbeit greift, deutet genau darauf hin. Nach dpa-Informationen hat sich VW bei dem speziellen Getriebeteil für das Erfolgsmodell Golf in weiten Teilen auf nur einen Zulieferer verlassen. Das Prinzip ist in der Branche bekannt als "Single Sourcing" (Einzelquellenbeschaffung). Es ist offensichtlich riskant.

Kommt mein Auto pünktlich?

Zwei Zulieferer befinden sich in einem Rechtstreit mit VW. Beide gehören zum Mischkonzern "Prevent" Zwei Zulieferer befinden sich in einem Rechtstreit mit VW. Beide gehören zum Mischkonzern "Prevent" Quelle: dpa/Picture Alliance

Der niedersächsische Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Olaf Lies hat die beiden Zulieferer attackiert. "Es ist ein unglaubliches und für mich nicht nachvollziehbares Verhalten der Unternehmen", sagte Lies am Donnerstag im Landtag in Hannover. Die Firmen würden VW entgegen vertraglicher Vereinbarungen nicht beliefern. Die Unterbrechung der Lieferkette bei VW sei für den Autobauer eine "schwere Belastung".

Betroffen sind mindestens die Werke Emden (Passat), das Stammwerk in Wolfsburg (Golf), die Produktion in Zwickau (Golf) und das Getriebewerk in Kassel. Auch in Braunschweig prüft VW nach eigenen Angaben Kurzarbeit, zudem soll Hannover betroffen sein. Durch das Baukastensystem verwendet VW in vielen Modellen identische Bauteile – eine Ausweitung ist also wahrscheinlich, wenn der Konzern keine Alternative beschaffen kann.

Wie stark Kunden den Streit zu spüren bekommen werden, ist noch unklar und hängt wesentlich davon ab, wie schnell der Konzern eine Lösung findet. Das gilt auch für die Kosten, die bei VW auflaufen. "Wir haben die ersten Anrufe von Kunden, die sich Sorgen machen, ob ihr Auto pünktlich kommt", sagte VW-Händler Ernst-Robert Nouvertné aus Solingen zur dpa. Nouvertné sitzt zugleich im Vorstand des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK).

Zuletzt waren VW-Werker 2009 stark von Kurzarbeit betroffen. Damals drosselte VW die Produktion drastisch wegen der Absatzkrise infolge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Betroffen waren seinerzeit rund 60.000 Beschäftigte im Stammwerk Wolfsburg sowie in den Fabriken in Emden, Hannover und Zwickau.

Update 16:00 Uhr: Zulieferer wehren sich gegen Vorwürfe

Mittlerweile haben die Zulieferer eine Stellungnahme veröffentlicht. "Für die Krise bei VW und die dadurch entstandene Kurzarbeit sind wir nicht verantwortlich", sagte der Geschäftsführer der ES Automobilguss, Alexander Gerstung, am Freitag einer Mitteilung zufolge.

ES und der Sitzspezialist CarTrim, eine ES-Schwester, verweigern trotz einstweiliger Verfügungen des Landgerichts Braunschweig dem Autobauer die Lieferung von Sitzbezügen und Getriebeteilen. Dennoch sei man an einer Einigung interessiert. "Wir streben nach wie vor eine einvernehmliche Lösung mit VW an und sind offen für entsprechende Vorschläge."

Aus Sicht von ES und CarTrim sei die Lage Folge einer frist- und grundlosen Kündigung von Aufträgen seitens VW. Volkswagen habe keinen Ausgleich für die Kündigungen gewährt. Deswegen "sahen sich CarTrim und ES Automobilguss letztlich zum Lieferstopp gezwungen", heißt es in der Mitteilung. VW erwirkte dagegen in beiden Fällen einstweilige Verfügungen, die die Firmen zu weiteren Lieferungen verpflichten.

Quelle: dpa

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