Was der Golf für uns, das ist für die Brasilianer der Gol, zu deutsch „Tor“. Der Volkswagen schlechthin. Seit 25 Jahren in Produktion, über sieben Millionen verkauft. Bestseller in Südamerika. Zeit, den unbekannten Klassiker zu fahren.
Von MOTOR-TALK-Reporter Michael Specht Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Gol sieht aus wie der brasilianische Polo, aber er ist es nicht. Beide haben die gleiche Größe, beide teilen sich die gleiche Plattform und beide rollen vom selben Band. Aber beide werden parallel angeboten, als eigene Modelle. Nach der ersten Begegnung mit dem Auto kann ich sagen: Die bessere Wahl ist der Gol auf jeden Fall. Schon das Design wirkt schöner, knackiger, einfach moderner als der biedere Polo der alten Generation. Seit wenigen Tagen gibt es den Gol, zu deutsch „Tor“, als Zweitürer. Polo-FeelingIm Gol spüre ich sofort: Mit einem „Billigauto für Schwellenländer“ hat der Gol so viel gemein wie Currywurst mit Rinderfilet. Der kleine Volkswagen zeigt sich gut verarbeitet, hat zwei Airbags und die verwendeten Kunststoffe im Cockpit hinterlassen nicht den Eindruck von Geiz-ist-geil-Hartplastik. Niemand stört sich hier an einer Armaturentafel ohne Soft-Touch-Oberfläche. ESP ist in der Sprache der Brasilianer ebenfalls noch nicht verankert. So fühlt sich der Gol ähnlich an wie ein früherer Polo - ein Auto, das Millionen Menschen glücklich gemacht hat. Schnaps im TankDie Antriebe stammen zwar aus dem Konzernregal, entsprechen in ihrer Auslegung nicht ihren europäischen Pendants. Brasilien ist das Land des Zuckerrohrs. Darum begann VW schon 2003 seine gesamte Südamerika-Palette auf den Betrieb mit Ethanol umzustellen. Der Gol „Total Flex“ war damals der erste Volkswagen in Brasilien, der Zuckerrohrschnaps in jeglicher Mischung verdauen konnte. 55 Prozent MehrverbrauchBei meiner Probefahrt steuerte ich einen Gol 1.6 Total Flex zur Verfügung. Der Vierzylinder leistet 104 PS und gilt in Brasilien bereits als „Big Block“. Denn die Regierung verhängt happige Steuersätze, gestaffelt nach Hubraum. Am günstigsten sind die Motoren bis 1,0 Liter Hubraum. Daher bildet der Gol 1.0 mit 72 PS das Volumenmodell. Die 1,6-Liter-Maschine, gekoppelt mit einem manuellen Fünfganggetriebe, läuft leise, sauber und kultiviert. Leider fehlt im Drehzahlkeller Drehmoment. Und der Gol hat Durst: Der Bordcomputer zeigt zehn Liter Durchschnittsverbrauch an. Daran trägt das Ethanol die Schuld, sein Energiegehalt pro Liter liegt deutlich unter dem von Benzin. Tankt der Gol E22 (hier wird dem Benzin 22 Prozent Ethanol beigemischt) steigt der Verbrauch um neun Prozent. Am liebsten tanken die Brasilianer aber Schnaps pur, also E100. Das kostet am wenigsten, steigert den Durst des Gol entsprechend deftig. Und zwar um 55 Prozent. In Brasilien dominiert VolkswagenNach Deutschland oder Europa wird Volkswagen den Gol nie exportieren. Das hat schon mit dem Fox nicht geklappt, der in Südamerika noch immer verkauft wird. Auch sonst prägen das Straßenbild in Brasilien vor allem Volkswagen-Modelle. VW do Brasil hat einen Marktanteil von 20 Prozent, setzt jährlich rund 700 000 Autos ab. Im Werk Anchieta, etwa 30 Kilometer von Sao Paulo entfernt, läuft neben dem Gol, Polo, Polo Sedan (Stufenheck), dem Pick-up Saveiro sogar noch der alte VW-Bus vom Typ T2 vom Band. VW Gol: Technische DatenDer Testwagen:
Das Volumenmodell:
Quelle: MOTOR-TALK |
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