Von MOTOR-TALK-Reporter Michael Specht
Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Gol sieht aus wie der brasilianische Polo, aber er ist es nicht. Beide haben die gleiche Größe, beide teilen sich die gleiche Plattform und beide rollen vom selben Band.
Aber beide werden parallel angeboten, als eigene Modelle.
VW Gol: Kleiner als ein Golf, günstiger als ein Polo und ein Kassenschlager in Brasilien
Welchen Sinn macht das? „Der Gol fährt zwar im gleichen Segment, beginnt preislich aber knapp unter dem Polo“, sagt Dr. Egon Feichter, Chef von Volkswagen do Brasil. „Dazwischen liegen umgerechnet nur wenige hundert Euro, aber für die Leute ist das mitunter beim Kauf entscheidend.“
Nach der ersten Begegnung mit dem Auto kann ich sagen: Die bessere Wahl ist der Gol auf jeden Fall. Schon das Design wirkt schöner, knackiger, einfach moderner als der biedere Polo der alten Generation. Seit wenigen Tagen gibt es den Gol, zu deutsch „Tor“, als Zweitürer.
Polo-Feeling
Im Gol spüre ich sofort: Mit einem „Billigauto für Schwellenländer“ hat der Gol so viel gemein wie Currywurst mit Rinderfilet. Der kleine Volkswagen zeigt sich gut verarbeitet, hat zwei Airbags und die verwendeten Kunststoffe im Cockpit hinterlassen nicht den Eindruck von Geiz-ist-geil-Hartplastik.
Niemand stört sich hier an einer Armaturentafel ohne Soft-Touch-Oberfläche. ESP ist in der Sprache der Brasilianer ebenfalls noch nicht verankert. So fühlt sich der Gol ähnlich an wie ein früherer Polo - ein Auto, das Millionen Menschen glücklich gemacht hat.
Tacho und Lenkrad im VW Gol kommen mir sehr bekannt vor
Sitze, Platzangebot, all das passt. In den Kofferraum passen 285 Liter. Für sperriges Gepäck können die Sitzlehnen umgeklappt werden.
Schnaps im Tank
Die Antriebe stammen zwar aus dem Konzernregal, entsprechen in ihrer Auslegung nicht ihren europäischen Pendants. Brasilien ist das Land des Zuckerrohrs. Darum begann VW schon 2003 seine gesamte Südamerika-Palette auf den Betrieb mit Ethanol umzustellen.
Der Gol „Total Flex“ war damals der erste Volkswagen in Brasilien, der Zuckerrohrschnaps in jeglicher Mischung verdauen konnte.
55 Prozent Mehrverbrauch
Bei meiner Probefahrt steuerte ich einen Gol 1.6 Total Flex zur Verfügung. Der Vierzylinder leistet 104 PS und gilt in Brasilien bereits als „Big Block“. Denn die Regierung verhängt happige Steuersätze, gestaffelt nach Hubraum. Am günstigsten sind die Motoren bis 1,0 Liter Hubraum. Daher bildet der Gol 1.0 mit 72 PS das Volumenmodell.
Die 1,6-Liter-Maschine, gekoppelt mit einem manuellen Fünfganggetriebe, läuft leise, sauber und kultiviert. Leider fehlt im Drehzahlkeller Drehmoment. Und der Gol hat Durst: Der Bordcomputer zeigt zehn Liter Durchschnittsverbrauch an. Daran trägt das Ethanol die Schuld, sein Energiegehalt pro Liter liegt deutlich unter dem von Benzin.
Tankt der Gol E22 (hier wird dem Benzin 22 Prozent Ethanol beigemischt) steigt der Verbrauch um neun Prozent. Am liebsten tanken die Brasilianer aber Schnaps pur, also E100. Das kostet am wenigsten, steigert den Durst des Gol entsprechend deftig. Und zwar um 55 Prozent.
VW Gol und VW Polo: Gleiche Basis, einige 100 Euro Unterschied
Und noch eine Eigenart hat der reine Alkohol als Treibstoff, der hier so nie funktionieren würde. Der Motor springt bei unter 15 Grad Celsius nicht an. In Brasilien fällt die Temperatur selten unter diesen Wert (die Glücklichen!!), dennoch müssen motorische Maßnahmen getroffen, falls es doch zu einer Kältewelle mit 10 Grad Celsius kommt. Bis 2009 löste VW dieses Problem mit einem kleinen Zusatztank mit E22. Heute haben alle Total-Flex-Modelle beheizte Einspritzdüsen.
In Brasilien dominiert Volkswagen
Nach Deutschland oder Europa wird Volkswagen den Gol nie exportieren. Das hat schon mit dem Fox nicht geklappt, der in Südamerika noch immer verkauft wird. Auch sonst prägen das Straßenbild in Brasilien vor allem Volkswagen-Modelle. VW do Brasil hat einen Marktanteil von 20 Prozent, setzt jährlich rund 700 000 Autos ab. Im Werk Anchieta, etwa 30 Kilometer von Sao Paulo entfernt, läuft neben dem Gol, Polo, Polo Sedan (Stufenheck), dem Pick-up Saveiro sogar noch der alte VW-Bus vom Typ T2 vom Band.
VW Gol: Technische Daten
Der Testwagen:
- Modell: VW Gol 1,6 TotalFex
- Motor: 1,6 Liter Reihenvierzylinder
- Getriebe: Fünfgang manuell
- Leistung: 101 PS (104 PS mit Ethanol)
- Verbrauch: 6,4 Liter Super/100 km
- CO2: 152 g/km
- 0 – 100 km/h: 10,1 Sekunden (9,8 mit Ehtanol)
- Höchstgeschwindigkeit: 188 km/h (190 mit Ethanol)
- Länge x Breite x Höhe: 3,89 m x 1,66 m x 1,46 m
- Kofferraum: 285 Liter
- Preis: Ab 31.890 Real (12.170 Euro)
Das Volumenmodell:
- Modell: VW Gol 1,0 TotalFex
- Motor: 1,0 Liter Reihenvierzylinder
- Getriebe: Fünfgang manuell
- Leistung: 72 PS (76 PS mit Ethanol)
- 0 – 100 km/h: 13,4 Sekunden (12,9 mit Ehtanol)
- Höchstgeschwindigkeit: 163 km/h (165 mit Ethanol)
- Länge x Breite x Höhe: 3,89 m x 1,66 m x 1,46 m
- Kofferraum: 285 Liter
- Preis: Ab 27.990 Real (rund 10.700 Euro)
Quelle: MOTOR-TALK