Volvo will zum Apple der Autohersteller werden. Der XC90 ist ein erster Schritt, der erste Volvo auf neuer SPA-Plattform. Daneben aber ist er auch einfach ein großes SUV.
Von MOTOR-TALK Reporter Peter Ruch Barcelona - Es ist ja auch eine Chance. Nach düsteren Jahren bei Ford (1999-2010) war Volvo reichlich ratlos. Lifestyle und Premium hatten die Amerikaner den Schweden verordnet. In Krisenzeiten verkaufte Ford dann die schwedische Marke ruckzuck an das chinesische Konglomerat Geely. Das Hauptquartier in Göteborg erlebte einen Sturm, erhielt eine neue Führung - und musste sich zuerst einmal Gedanken machen, wie es weitergehen kann. Das Resultat: Bescheiden formuliert will Volvo jetzt sein wie Apple, nur mit Autos statt Handys. Benchmark wollen sie sein, in Sachen Sicherheit, Umweltbewusstsein, Design, Bedienerfreundlichkeit. CEO Hakan Samuelson sucht gar nicht erst den Vergleich mit süddeutschen Premium-Herstellern. Er spricht lieber davon, dass Volvo „anders“ sei, ganz neue Werte auf den Automarkt bringe. Als Beispiel wird dann angeführt, Obacht: dass es im neuen XC90 nur noch acht Knöpfchen gibt für die Bedienung, während ein gerade frisch aufgelegter Konkurrent derer 55 habe. Tablet-InnenraumQuelle: VolvoTatsächlich findet der größte Teil der Bedienung über einen Touchscreen von der Größe eines iPads statt. Ein solches Konzept haben zum Beispiel Tesla oder der französische PSA-Konzern schon länger im Programm. Trotzdem, die Schweden ziehen das mit einer Konsequenz durch, die erstaunt - und von den Kunden sicher eine gewisse Gewöhnungszeit verlangt. Es ist schon gut durchdacht, das System: die Bedienung von Navi oder Klimatisierung erfolgt so intuitiv wie bei einem iPhone, selbstverständlich lassen sich die einzelnen Untermenüs zur Seite oder ganz wegwischen (oder über die Sprachsteuerung aktivieren). Der große Vorteil: Das Cockpit kann sehr sauber gestaltet werden, alles ist ruhig und elegant. Und wunderbar verarbeitet. Zauberformel SPA„SPA“ heisst das Zauberwort bei Volvo, und dabei geht es nicht um wohlige Wellness, sondern um die „Scalable Product Architecture“. Das ist die geistige, technische Schwester des modularen Querbaukastens bei Volkswagen: eine Plattform, auf der sich ein ganzer Konzern aufbauen lässt. Und weil Volvo in Zukunft als Antrieb sowieso nur noch Vierzylinder-Motoren mit Automatik-Getriebe anbieten will, passt „SPA“ für das gesamte schwedische Modellprogramm. Das umfasst beim 90er in Zukunft eine Limousine, einen mächtigen Kombi und ein Crossover. Die kompakteren Motoren eröffnen außerdem mehr Möglichkeiten bei der Gestaltung der Autos. Verantwortlich für das neue Innen- und Außendesign ist seit 2012 der Deutsche Thomas Ingenlath, der von 2000 bis 2005 die Optik von Skoda aufmischte. Von seinen aufregenden Studien blieb beim XC90 nicht viel übrig, der ist eher konservativ gestaltet. Doch so ein „Full-Size“-SUV mit bis zu sieben Sitzplätzen folgt gewissen Bedingungen, es muss ein Klotz sein, das verlangt insbesondere der amerikanische Markt. Klar, dass das Gewicht allem Leichtbau zum Trotz die Zweitonnen-Marke reißt. Skandinavisches Design?Volvo spricht natürlich von „skandinavischem Design“. Dabei gehören Minimalismus und preisgünstige Massenproduktion, in den 50er-Jahren Kernforderungen dieser Bewegung, eher nicht zu den Stärken von Volvo. Statt basisdemokratisch-billig wie ein Ikea-Regal, ist ein Volvo lieber wie eine Stereoanlage von Bang & Olufsen. Auch, wenn die aus Dänemark kommen. Quelle: Volvo Mit seinen sieben vollwertigen Plätzen und dem großzügigen Kofferraum ist der mächtige Schwede sicher funktionell, er will auch noch das SUV sein mit der besten Aerodynamik überhaupt - und das sicherste Auto der Welt. Die Auflistung aller Systeme würde den Rahmen dieser Berichterstattung sprengen, doch die Schweden kommen mit dem XC90 ihrem Ziel, dass im Jahr 2020 keine Menschen mehr in einem Volvo sterben sollen, ein Stückchen näher. Teure TechnikkompetenzPrunkstück der Baureihe ist der T8, ein Plug-in-Hybrid, dessen 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner 320 PS leistet, die noch von einem 80 PS starken Elektromotor begleitet werden. 40 Kilometer will der XC90 rein elektrisch fahren können, und wie immer bei Plug-in-Hybriden sind die offiziellen Verbrauchswerte (2,5 l/100 km) in der Praxis wertlos. Hier zeigt der im Vergleich sehr kleine Hersteller eine erstaunlich hohe technische Kompetenz. Das hat natürlich seinen Preis: ab 76.705 Euro gibt es dieses Modell. Zu dem noch zu schreiben ist, dass die Batterien in den Mitteltunnel verbaut werden, was den Raum für Passagiere und Gepäck nicht einschränkt. Vorläufiges Einstiegsmodell ist der D5 mit Allrad und 225 PS für 53.400 Euro. Später folgt der D4, ein 2,0-Liter-Diesel mit 190 PS und ausschließlich Frontantrieb. Er kommt im Herbst 2015 für weniger als 50.000 Euro zu den Händlern. Und dies als außergewöhnlich komfortables Fahrzeug, als wunderbarer Gleiter. Die Kurvenhatz ist sowieso nicht das Ding dieser mächtigen SUV. Aber Volvo hat es geschafft, dass man solch ein Gerät wieder als erstrebenswert betrachtet - und damit sind die Schweden bereits so ein bisschen in der Nähe von Apple. Auch bei den Preisen: Viel Geld bezahlt man hier für viel Auto. Apple-Handys sind schließlich auch keine Schnäppchen. Mehr von Peter Ruch lest Ihr bei http://www.radical-mag.com Volvo XC90: Alltagstest, technische Daten, Preise Technische Daten: Volvo XC90
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