Das Notrufsystem eCall soll Leben retten, ein Datenmissbrauch ist ausgeschlossen. Das gilt allerdings nicht für die Zusatzfunktionen, die durch eCall ins Auto einziehen.
Berlin - Laut der EU muss ab März 2018 jedes neue Fahrzeugmodell mit dem automatischen Notruf „eCall“ ausgestattet werden. Die Kommission rechnet mit zehn Prozent weniger Unfalltoten durch das System. 25.700 Menschen starben 2014 auf Europas Straßen. Sicherheit als Argument funktioniert bei solchen Maßnahmen gut. Doch welchen Effekt zieht so eine Regelung im Alltag nach sich? Werden Autofahrer mit diesem System künftig permanent überwacht? „Das gesetzliche Notrufsystem ist unter Datenschutzgesichtspunkten im Wesentlichen bedenkenfrei“, sagt Datenschutz-Experte Professor Volker Lüdemann von der Hochschule Osnabrück. Die EU habe ihren ursprünglichen Entwurf überarbeitet und eCall nun als „schlafendes System“ ausgelegt. Das heißt, es wird erst dann aktiviert, wenn die Sensoren im Auto einen Unfall registrieren, beispielsweise durch das Auslösen der Airbags, oder der Fahrer auf den entsprechenden Knopf drückt. Dann übermittelt eCall den festgelegten „Mindestdatensatz“. Der beinhaltet unter anderem: Fahrzeugtyp, Kraftstoffart, Standort, Unfallzeit, Fahrtrichtung und Zahl der Insassen. Jedes Auto wird internetfähigWas Datenschützer hadern lässt, sind die mit dem eCall kombinierten Zusatzdienste, beispielsweise ein privates Notrufsystem. „Mit dem verpflichtenden Einbau der für den Notruf erforderlichen Technik ist künftig jedes europäische Neufahrzeug internet- und telematikfähig“, sagt Lüdemann. Quelle: dpa/Picture Alliance Der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Alexander Dix, betont, dass das System der EU und die privaten Zusatzdienste rechtlich streng voneinander getrennt sind. Während der gesetzlich vorgeschriebene eCall klar geregelt ist, verlangt die EU-Verordnung für die Zusatzdienste eine Einwilligung des Nutzers. Und: Private Notrufdienste, die fast jeder Autohersteller anbietet, sind in der Regel stets mit dem Internet verbunden. Doch wird dies dem Verbraucher entsprechend erklärt? Nach Ansicht von Lüdemann können Zusatzsysteme, eingebettet ins moderne Bordsystem mit zahlreichen Sensoren, unbegrenzt Daten über das Fahrzeug und das Fahrverhalten sammeln. Daten von enormen Wert. Lüdemann schätzt, dass 2020 weltweit 100 Milliarden Euro mit dem vernetzten Auto umgesetzt werden. Missbrauch durch VersicherungenEin mögliches Interesse an den gesammelten Daten könnten laut Dix Kfz-Versicherungen haben. Diese könnten die Fahrzeugdaten nutzen, um ein Profil des Fahrers zu erstellen. Fährt er aggressiv oder defensiv? Schnell oder langsam? Mit dieser Argumentation könnte die Versicherung von Rasern einen höheren Tarif fordern - und andere Fahrer für ihr Fahrverhalten belohnen. In den USA sorgte ein solches Szenario bereits vor Jahren für Ärger. Damals wollte General Motors Daten aus dem eigenen System Onstar Kfz-Versicherungen zur Verfügung stellen. GM musste den Plan verwerfen, generell alle GPS- und Fahrzeugdaten aus Onstar zu speichern. In Deutschland dürfen per Gesetz nur Daten erhoben werden, wenn der Kunde weiß, welche Daten gesammelt werden, für welchen Zweck und an wen sie übermittelt werden. Die Verbraucherzentrale NRW bemängelt jedoch, dass die Aufklärung diesbezüglich „zu wünschen übrig lässt“. Der Kunde ist sich oft gar nicht im Klaren, was er unterschreibt und welche Folgen das hat. Zudem wünschen sich die Verbraucherschützer, dass derartige Systeme datensparsam ausgelegt werden, so wenig Daten wie möglich sammeln und erst vom Nutzer aktiviert werden müssen - anstatt die ganze Zeit aktiv zu sein. "Private Taste" für Opel OnstarWenn Opel in den nächsten Wochen das System Onstar nach Deutschland bringt, wird es über eine „Private Taste“ verfügen. Dadurch kann der Fahrer mit einem simplen Knopfdruck die Ortung des Fahrzeugs deaktivieren; nur das schlafende System für den gesetzlichen Notruf ist dann noch aktiv. Bei BMW gibt es so etwas bislang nicht. Hier entscheidet sich der Kunde mit dem Kaufvertrag dafür, ob er die sogenannten „Teleservices“ nutzen möchte oder nicht. Gibt er sein Einverständnis, speichert BMW Serviceinformationen über Verschleißteile, Fahrzeugzustandsinformationen, Batterieladezustand sowie Daten zur Identifizierung und Lokalisierung des Fahrzeugs im Pannenfall. So steht es im "Aktivierungsantrag". Diese Daten können an Servicepartner zur Kontaktaufnahme und Terminvereinbarung weitergegeben werden. Welche Daten für welche Dienste gespeichert werden, steht in den AGB. Möchte der Kunde diesen Service nicht mehr nutzen, muss er schriftlich eine Deaktivierung der eingebauten SIM-Karte beantragen. Dann entfällt im Moment auch noch der intelligente Notruf. Spätestens ab 2018 muss in diesem Fall der gesetzliche Notruf greifen. „Viele Verbraucher unterschätzen ihren eigenen werbewirtschaftlichen Wert und gehen mit ihren Daten zu unaufmerksam um“, sagte eine Sprecherin der Verbraucherzentrale zu MOTOR-TALK. Der Autoclub Europa (ACE) wünscht sich hinsichtlich solcher Dienste eine bessere Aufklärung für die Kunden. Denn beim Autokauf liege die Priorität nicht auf Paragrafen rund um den Datenschutz. |