Beatty/Nevada/Vereinigte Staaten - Für Männer wie Moritz Freudenberger und Jürgen Gehrig ist der 230 Kilometer lange Glutofen im amerikanischen Westen so etwas wie der Sommersitz. Denn die beiden Audi-Ingenieure sind Automobilentwickler und kommen seit Jahren in das Tal des Todes, um die Standfestigkeit von Motorkühlung und Klimaanlagen zu testen. „Was unter diesen Bedingungen hält, geht auch sonst nirgends auf der Welt kaputt“, lautet der Tenor der Tester. Egal ob Audi oder Mercedes, Ford oder Toyota, Kia oder Land Rover – um den Hitzetest im Death Valley kommt keiner herum. Entsprechend lebendig geht es in den Sommerwochen im Tal des Todes zu.
Zweite Heimat Death Valley
In dieser Kneipe treffen sich Auto-Ingenieure aus aller Welt Quelle: Foto © SP-X/Benjamin Bessinger
Sonne, Staub und Hitze machen durstig. Deshalb hat auch Ruth gut zu tun. Die resolute Dame ist die Chefin im Sourdough-Saloon von Beatty, der ersten und einzigen Stadt am Rande des Death Valley. Weil das die einzige Kneipe im Umkreis von mehreren Hundert Kilometern ist und weil sich fast alle Pkw-Hersteller während ihrer Testwochen in und um Beatty einmieten, wird dieser Saloon für ein paar Wochen im Juli und August zum Nabel der Autowelt und ihr Tresen zur zweiten Heimat der Tester.
„50, 100 Kollegen sind in der Hochsaison immer im Saloon“, erzählt Maximilian Braun aus der Testcrew von BMW. Über die Jahre sind bei den Testern in Beatty tiefe Freundschaften gewachsen, und der Konkurrenzkampf ist unter den Kollegen schnell vergessen. „Mit manchen Firmen stimmen wir sogar unsere Terminpläne ab“, sagt BMW-Mann Klauer. Erstens, damit es für alle Platz in den wenigen Hotelbetten und Mietappartements hat. Und zweitens, damit es auch in diesem Jahr zum gemeinsamen Barbecue oder dem Fußballturnier auf dem staubigen Hartplatz reicht.
Souvenirs für den Saloon
An der Wand hängt ein Rolls-Royce-Kühlergrill Quelle: Foto © SP-X/Benjamin Bessinger
Während Autos da plötzlich zur Nebensache werden, man den Kollegen ihre Geheimnisse lässt und keiner hinter den Prototypen der anderen her schnüffelt, ist in Beatty ein ganz anderer Wettbewerb unter den weitgereisten Testern entbrannt. Sie alle eifern um das skurrilste Souvenir im Sourdough-Saloon. Denn irgendwann waren es die Ingenieure leid, wie in so vielen Western-Kneipen einfach nur Dollarscheine mit ihren Autogrammen an die Bretterwand zu tackern und haben stattdessen Radkappen und andere Ersatzteile da gelassen. So findet man deshalb rund um den Tresen der Tester allerlei Fahrzeugteile, aus denen man mittlerweile wahrscheinlich ein komplettes Auto nachbauen könnte.
So ist Ruth über die Jahre zur Chefin einer stattlichen Devotionalien-Sammlung geworden. Man sieht ganze Motorabdeckungen, komplette Räder, den kompletten Kühlergrill eines Bentley oder die Spoiler von Sport-Modellen. Die Jungs von Mercedes haben sogar die komplette Frontmaske eines SLK an die Decke gehängt. „Und wir hatten nichts Besseres zu tun, als die Scheinwerferreinigungsanlage wieder in Betrieb zu nehmen und eine Fernbedienung hinter die Theke zu legen“, erinnert sich BMW-Mann Klauer. „Das war ein feuchtes Hallo, als die Stuttgarter Kollegen zurückkamen.“
Vom Prototypen abmontiert
Über die Jahre sind bei den Testern in Beatty tiefe Freundschaften gewachsen Quelle: Foto © SP-X/Benjamin Bessinger
Solche Basteleien sind mittlerweile üblich unter den Testern: „Das Freizeitangebot in Beatty ist eher beschränkt und der Feierabend kann schon mal etwas länger werden. Anfangs haben die Tester dafür heimlich ihre Prototypen gefleddert und Teile abmontiert, die sie eigentlich noch benötigt hätten", erzählt Jeff Grauer, der bei Ford in Detroit die Sportmodelle der SVT-Division testet, und erklärt damit, wie der aus Carbon gebackene Frontspoiler eines Mustangs an die Wand des Saloons kam. „Doch mittlerweile machen wir uns den gesamten Winter über Gedanken, was wir im Sommer mit nach Beatty nehmen könnten“, verrät BMW-Mann Klauer.
Auch Audi-Mann Freudenberger sitzt derweil in Ingolstadt schon wieder auf gepackten Koffern und hat sein Flugticket in der Tasche: „Bald geht es wieder los“, sagt der Ingenieur aus Neckarsulm. Mit welchem Prototypen er dort herumfahren wird, darf er natürlich nicht verraten. Aber das ist nicht das einzige Geheimnis, das ihn auf seiner Reise begleitet. „Wir haben uns natürlich auch wieder ein besonders Souvenir für den Saloon ausgedacht.“
Quelle: spx