Für Donald Trump steht fest: „Amerika zuerst“. Doch seine Politik provoziert Konflikte mit wichtigen Wirtschaftspartnern. Wo das enden kann, zeigt die „Chicken Tax“.
Washington/New York - Der „Hühnerkrieg“ ist lange vorbei, doch seine Folgen spürt die Wirtschaft bis heute. Ein Handelsstreit um Billighühnchen, den sich Amerika in den 1960er-Jahren mit Frankreich und Deutschland lieferte. Er hat noch immer starke Auswirkungen auf den US-Markt für Pick-ups und Transporter. Die „Chicken Tax“ gilt als skurrile Fußnote der Wirtschaftsgeschichte. Sie vergilt Importhürden für Hühner mit Strafzöllen auf bestimmte Autos. Doch angesichts des handelspolitischen Säbelrasselns von US-Präsident Donald Trump könnte sie dieser Tage kaum aktueller sein. Chicken Tax: Strafzoll auf NutzfahrzeugeRückblick: Ab 1960 erobern billige Hühnchen aus den USA die europäischen Märkte. Aus der Delikatesse Geflügel wurde eine Speise für jeden. Landwirte auch in Deutschland fürchten um ihre Existenz. Um die heimische Branche zu schützen, reagieren Frankreich und die Bundesrepublik mit hohen Einfuhrzöllen. Doch die USA schlagen zurück, indem sie andere Handelsbarrieren für landwirtschaftliche Produkte hochziehen. Um sich im Wahlkampf die Unterstützung der Autogewerkschaft zu sichern, erhebt US-Präsident Lyndon B. Johnson die 25-prozentige Hühnchen-Steuer auch für leichte Nutzfahrzeuge aus dem Ausland. Das traf die Handelsgegner – damals war der VW Bus der Exportschlager aus Deutschland. So wurde der Markt für die Pritschenwagen und Kleinlaster zu einer „Made in America“-Domäne. Während auf Pick-up-Trucks beim Import ein Viertel ihres Warenwerts aufgeschlagen wird, gilt für Pkw nur ein Einfuhrzoll von 2,5 Prozent. Die Konsequenzen für die US-Käufer: weniger Auswahl wegen geringeren Wettbewerbs. Experten bemängeln, dass die US-Hersteller ihr Innovationsstreben schleifen ließen, worunter die Produktqualität leide. Auf der anderen Seite hat die Hühnchen-Steuer US-Jobs geschützt und geschaffen. Die großen japanischen Autokonzerne bauten Fabriken in den USA, um dem Strafzoll auszuweichen. Umweg um die Hühnchen-Steuer: Viele Stunden ArbeitAllerdings kam es zu einigen bizarren Umgehungsmanövern. Die erste Maßnahme: Die betroffenen Fahrzeuge wurden grob zerlegt eingeführt und dann in den USA wieder zusammengebaut. Fahrgestell und Ladefläche kamen separat über die Grenze, erst in den USA wurden daraus wieder Pick-ups. 1980 schob die US-Regierung dem jedoch einen Riegel vor. Ab jetzt war Fantasie gefragt: Subaru verpasste seinem Pritschenwagen Brat zwei nach hinten gerichtete Plastiksitze mit Panoramablick auf der Ladefläche, um ihn so als Pkw einführen zu können. Später importierte Ford den Transit Connect mit Rücksitzen und Fenstern. Die wurden dann im Heimatland wieder ausgebaut, um den Fahrzeugtyp ändern zu können. Das gab aber Ärger mit den US-Zollbehörden. Daimler begegnet der Steuer ebenfalls kreativ. Die Stuttgarter verkaufen den Sprinter in den USA. Die Transporter werden im Düsseldorfer Werk fertig gebaut - dann aber in größere Teile zerlegt, verschifft und in einem Werk im US-Bundesstaat North Carolina wieder zusammenmontiert. Das einzige Teil aus US-Produktion: die Batterie. Das sogenannte „Semi-Knocked-Down“-Verfahren ist aufwändig. Wirtschaftlicher wäre es für Daimler, vor Ort zu fertigen. In North Charleston im US-Bundesstaat South Carolina baut Daimler deshalb für rund 500 Millionen US-Dollar ein neues Sprinter-Werk. Produktionsstart: 2019. Die Chicken Tax war ein wichtiger Grund für den Werksbau. „Ich konnte es nicht glauben. Erst bauen und dann wieder auseinanderbauen, das hat mich wirklich beschäftigt - und die Kosten“, sagte Spartenchef Volker Mornhinweg Ende 2016 dem Branchenblatt „Automotive News“. Noch teurer: Einfuhrzölle bis zu 35 Prozent auf FahrzeugeDoch sollte US-Präsident Trump Ernst machen mit seinen Strafzöllen auf US-Importe, so könnte die Hühnchen-Steuer für die Autobranche bald zur Randnotiz werden. Die Drohkulisse sieht Einfuhrsteuern von 35 Prozent vor. Bislang ist schwer einzuschätzen, ob Trump blufft oder nicht. Jüngst ordnete er per Dekret eine Untersuchung der US-Handelsbeziehungen an, die „unfairen“ Praktiken auf den Grund gehen soll. Gegen deutsche Stahlkocher wie Salzgitter oder Dillinger Hütte hat US-Handelsminister Wilbur Ross bereits Maßnahmen wegen angeblichen Preis-Dumpings eingeleitet. Die USA hat nicht nur mit der Chicken Tax bewiesen, dass hohe Steuern möglich sind. So erheben die USA 350 Prozent auf unverarbeiteten Tabak. Für Kindernahrung gilt ein Importzoll von knapp 15 Prozent, für Datteln werden fast 30 Prozent fällig - und für Arbeitsschuhe 37,5 Prozent. Quelle: dpa |