Ein VW-Top-Manager hat die Diesel-Affäre bisher überstanden: Audi-Chef Rupert Stadler. Wusste er wirklich nichts von der Schummel-Software? Das könnte sich bald zeigen.
Wir haben diesen Artikel vom 12. November 2015 passend zu den aktuellen Entwicklungen um Rupert Stadler überarbeitet. Ingolstadt - Am 23. September 2015, fünf Tage nach dem großen Knall legte Martin Winterkorn sein Amt als VW-Vorstandsvorsitzender nieder. Mit ihm werden wenig später Heinz-Jakob Neußer, Wolfgang Hatz und Ulrich Hackenberg, die Entwicklungsvorstände von VW, Porsche und Audi "von ihren Aufgaben entbunden". Nur einer kann sich damals halten. Rupert Stadler, Nachfolger von Martin Winterkorn als Audi-Chef bleibt im Amt - bis heute: Stadler folgte am 1. Januar 2007 als Audi-Vorstandsvorsitzender auf Winterkorn, als der zur Muttermarke wechselte. Stadler gehört seit 2010 zum Vorstand der Volkswagen AG. Neben Stadler sitzen sieben weitere Personen im VW-Vorstand. Doch Stadler ist der letzte Markenchef im Vorstand, der zu Zeiten des Skandalmotors „EA 189“ bereits sein aktuelles Amt ausübte. Der Konzern stellte die Motorenbaureihe 2007 vor und begann 2008 mit der Serienproduktion. VW-Nutzfahrzeuge-Chef Andreas Renschler ist seit dem 1. Februar 2015 Teil des VW-Vorstandes. Vorher arbeitete er bei Mitsubishi und Daimler. VW-Markenchef Herbert Diess wechselte erst am 1. Juli 2015 von BMW zu VW. Beide gelten bei VW als entlastet, da sie erst kurz vor dem Skandal von anderen Marken kamen. Ex-Porsche-Chef Matthias Müller folgte am 25. September 2015 auf Winterkorn. Audi: Nur zwei Prozent Wachstum, aber viele Verkäufe in den USAAugenscheinlich läuft es gut für Stadler. Weltweit verkaufte die Marke 2015 erstmals mehr als 1,8 Millionen Fahrzeuge, der Umsatz stieg um 8,6 Prozent, den Gewinn verhagelte nur die Abgas-Affäre selbst. In den USA stieg das Interesse im Monat nach Bekanntwerden des Skandals sogar. In China schwächelte die Marke 2015 im Vergleich zum Vorjahr zwar. Doch das liegt daran, dass Audi dort im Oktober 2014 den A3 einführte. Einziger Makel: Audi wächst langsamer als BMW und Mercedes. Stadler nutzt den Abgas-Skandal als Rückenwind für zukünftige Elektro-Autos seiner Marke. 2018 soll die Großserie mit einem elektrischen SUV starten. Weitere Autos sollen kurz darauf folgen. Bei der Preisverleihung zum „Goldenen Lenkrad“ in Berlin 2015 klang er optimistisch: „Wir haben stürmische Wochen hinter uns und alles auf den Kopf gestellt. Was heute hier vorfährt, passt“, sagte er der Online-Ausgabe der „Welt“. Stadlers Vertrag läuft noch bis 2019. Bisher gab es keinen Hinweis darauf, dass er ihn nicht erfüllt. Dabei gelten für ihn die gleichen Regeln wie für Winterkorn: Als Markenvorstand hätte er von den Manipulationen an Motoren und Prüfstandsfahrten wissen müssen. Die Entwicklung des Skandalmotors bei VW und die Abstimmung für Audi-Modelle fanden während seiner Amtszeit statt. Insgesamt sind etwa 2,1 Millionen Audi betroffen. Nach offiziellen Angaben hatte Winterkorn keine Kenntnis von den Manipulationen. Er übernahm die Verantwortung und verließ den Konzern. Amnestie für Mitwisser: Kronzeugenprogramm von VWWer genau von der Betrugssoftware gewusst hat, wer sie beauftragt und installiert hat, das ist offiziell noch nicht bekannt. Warum sie bei der Feinabstimmung bei den Schwestermarken nicht auffiel, ebenfalls nicht. Anfang Oktober 2015 kündigte VW-Chef Müller bei einer Betriebsversammlung eine Art Kronzeugenprogramm an. Im November 2015 veröffentlichte VW einen Brief von Herbert Diess im firmeninternen Netzwerk, der zur Kooperation aufruft. Dieser Brief liegt MOTOR-TALK in Auszügen vor. Diess bittet darin die Mitarbeiter, sich „umgehend, aber spätestens bis zum 30. November 2015“ zu melden und bei der Aufklärung des Skandals zu helfen. Wer „vollständig und wahrheitsgemäß über die (…) Umstände“ berichte, der habe „seitens des Unternehmens weder arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie Kündigungen, noch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu befürchten.“ Diess weist darauf hin, dass „Versetzungen oder das Ändern von Verantwortungsbereichen“ jedoch nicht ausgeschlossen sind. Zudem könne das Unternehmen die Ermittlungen von Behörden nicht beeinflussen, lediglich auf eine Kooperationsbereitschaft hinweisen. Ein VW-Sprecher sagte auf Nachfrage von MOTOR-TALK, dass gleiche Angebote für die Mitarbeiter aller anderen betroffenen Marken gelten. Was wird aus Stadler?Wie die Sache für Stadler ausgeht, den ersten Mann der Audi-AG? Durch die Kronzeugen-Regelung, die bereits Anfang Dezember 2015 endete, wurde er offenbar nicht belastet. Doch mittlerweile wurden die internen VW-Ermittler der US-Anwaltskanzlei Jones Day auf den Audi-Chef aufmerksam. Neben Stefan Knirsch, dem Nachfolger von Ulrich Hackenberg als Entwicklungsvorstand bei Audi, haben sie auch Rupert Stadler in den Fokus ihrer Ermittlungen genommen. Seine Position ist damit erneut unsicher. Wußte Stadler entgegen bisheriger Kenntnisse etwas, dann dürfte auch er sehr bald seine Position aufgeben müssen. Wusste er nichts, und davon ist bis heute auszugehen, dann stellt das seine Führungsfähigkeit als Vorstandsvorsitzender bei einer technisch aufgeladenen Marke wie Audi dennoch in Frage. |