One-hit Wonder oder echter Trend? Autos ohne Online-Shop verkaufen geht nicht, sagt eine renommierte Unternehmensberatung. Hersteller müssen neue Konkurrenz ernstnehmen.
München - Ist Online-Shopping nicht ziemlich 2010? Keineswegs, sagen die Unternehmensberater von Roland Berger: Der Online-Handel mit Neuwagen werde sich bis 2020 im Volumen verdoppeln. Kunden würden zunehmend positive Erfahrungen mit Bestellungen im Internet auf den Autokauf übertragen. Immerhin: Wer seinen Neuwagen online kauft, dürfte dabei kaum in Berührung mit überlasteten und unterbezahlten Paketboten kommen. Fast jeder Autokauf beginnt bereits im Internet. 97 Prozent der Autokäufer suchen online nach einem neuen Auto, ermittelten die Berater. Am Ende steht zwar meist noch der Schritt zum Händler, aber: Die Zufriedenheit mit dem traditionellen Autohandel ist überschaubar, wie die Umfrage herausfand. 56 Prozent der Befragten finden es schrecklich, mit dem Händler über den Preis verhandeln zu müssen, weniger als ein Prozent halten den derzeitig üblichen Autokaufprozess für eine „ideale Kundenerfahrung“. Logische Konsequenz: 44 Prozent der Befragten würden ein Auto durchaus online kaufen. 10 Prozent vom Neuwagen-PrivatmarktQuelle: dpa/Picture AllianceIn der Natur der Sache liegt, dass es dabei überwiegend um Neuwagen geht. Bei diesen Fahrzeugen beträgt der Privatkundenanteil nur noch knapp mehr als ein Drittel: Private Autokäufer kaufen also pro Jahr in Deutschland etwas mehr als eine Million Neuwagen. Immerhin 10 Prozent davon wurden 2014 bereits online gehandelt, etwa 110.000. Für 2020 rechnet Roland Berger mit einem Volumen dieses Marktes von etwa 250.000 Fahrzeugen. Etwa 60.000 Neuwagen verkauften 2014 klassische Online-Marktplätze wie mobile.de und Autoscout24. Diese Anbieter versuchen in den letzten Jahren, im Neuwagengeschäft Fuß zu fassen. Die Autohersteller selbst erreichen online bisher kaum einen relevanten Marktanteil. Nur der Nischenhersteller Tesla setzt konsequent auf den Online-Handel. Volvo, Mercedes und BMW haben dies angekündigt, bisher aber damit keine großen Stückzahlen erzielt. Großes Potenzial sieht Roland Berger vor allem im qualitativ höherwertigen Online-Autohandel. Die derzeitigen Anbieter seien überwiegend auf den „Schnäppchenjäger“ fokussiert, der auf der Suche nach dem besten Preis auf Beratung und Service verzichte. "Laut unserer Umfrage gehören zu dieser Gruppe derzeit noch rund 55 Prozent der Onlinekäufer", sagt Philipp Grosse Kleimann von Roland Berger. Niemand bildet den gesamten Prozess abWer mehr persönliche Betreuung und Service wünscht, auch nach dem eigentlichen Kauf, findet online bisher nur wenig passende Angebote. Dabei seien gerade diese Käufer bereit, „für entsprechenden Mehrwert auch höhere Preise zu bezahlen“, so die Unternehmensberater. Die großen Autohandels-Portale wissen das natürlich: „Marktanteile können die gewinnen, die sich auf Glaubwürdigkeit, Transparenz und Service orientieren“, sagt etwa Malte Krüger, Geschäftsführer von mobile.de. Bisher jedoch bildet kein Online-Portal den kompletten Autokauf auf seiner Plattform ab. Bei Beratung und Sonderwünschen oder auch nach dem Kauf sind die Angebote lückenhaft, echte Kundenbindung kann so kaum entstehen. "Oft wird die 'Einkaufsreise des Kunden' zum Beispiel durch nicht integrierte Lösungen oder einen fehlenden Link zwischen der Online- und der Offlinewelt unterbrochen", sagt Grosse Kleimann. Quelle: Screenshot/mobile.de In diese Lücke könnten die Autohersteller stoßen, denn ihre Händlernetze besitzen, zumindest offline, bereits die nötige Kompetenz. Allerdings: Diese Anbieter haben im Online-Handel bisher den größten Nachholbedarf. Einen solchen Komplett-Service bietet zum Beispiel das kalifornische Start-up „Roadster.com“ an. Hier trifft eine intuitive Benutzeroberfläche auf das Versprechen: 15 Minuten Zeitaufwand, der beste Preis, dann kommt das Auto direkt nach Hause. Andere kleine Anbieter konzentrieren sich zum Beispiel auf Probefahrten oder bringen das Auto in die Werkstatt. Wehe, die Riesen kommenFür die Unternehmensberater ist klar: Sollte ein finanzstarkes Schwergewicht wie Amazon, Google oder Alibaba Ernst machen mit dem Versuch, all diese Dienstleistungen in einer „innovativen Nutzererfahrung“ zu vereinen, würde das den heutigen Autohandel empfindlich treffen. Denn die Kundenströme folgen dem Weg des geringsten Ärgernisses. Das lehrte bereits Amazon den Einzelhandel sowie Airbnb die Hotelbranche. Der stationäre Autohandel und die etablierten Marktplätze tun gut daran, sich deshalb dem Online-Markt weiter zu öffnen und dort attraktiver und moderner zu werden: „dem Onlinehandel gehört auch beim Neuwagenkauf die Zukunft," sagt Grosse Kleimann. |