Es ist das meistdiskutierte Auto unserer Zeit. Jetzt konnten wir das Tesla Model S testen. Zehn Punkte sprechen gegen den Tesla, aber einer absolut dafür.
Berlin – Die Zukunft fährt elektrisch, ausschließlich. So lautet das Credo des Internet-Milliardärs und Tesla-Gründers Elon Musk. Sein fahrender Beweis heißt Model S. In den USA, der Heimat von Tesla und dem Vorzeige-Elektroautomarkt Kalifornien, verkauft Tesla vom Model S mehr Fahrzeuge als Mercedes von der S-Klasse. Das zeigt, wie manche Kunden nach so einem Auto lechzen. Und, dass die Technik funktioniert. Auch die MOTOR-TALK-Redaktion packte das Tesla-Fieber. Doch bei aller Begeisterung gibt es Dinge, über die wir reden müssen. Zehn Punkte, die gegen das Model S sprechen. Und einer dafür. Deine LadezeitQuelle: MOTOR-TALK Ohne Starkstrom-Anschluss (400 Volt) in der Garage zieht sich die Ladezeit hin wie die Physikstunde bei Herrn Ziedenstecker. Wir zapften nur an Schutzkontakt-Steckdosen (230 Volt, 16 Ampere). Das bedeutet laut Display-Anzeige rund 16 Kilometer Idealreichweite pro Stunde. Mehr ist physikalisch nicht möglich. Die Grundlage für die Berechnung ist ein theoretischer Verbrauch von knapp 200 Wattstunden pro Kilometer. Laut Normverbrauch zieht der Wagen 236 Wattstunden. Im milden Berliner Winter lag der Verbrauch bei 250 bis 320 Wattstunden pro Kilometer. Das bedeutet: Für eine Strecke von 100 Kilometern hing der Tesla zehn Stunden am Kabel. Das Model S lud bei den ersten Versuchen gar nicht – das Kabel unseres Testwagens war defekt. Entsprechend rüsten die Besitzer eines Teslas nach dem Erwerb des Stromers ihre Garage auf. Bereits vor Längerem hat Tesla eine Wallbox angekündigt. Doch bislang gibt es nur eine im Zubehör. Die Verteilung Deiner SuperchargerSchneller lädt das Model S an den Tesla-eigenen Superchargern. Mit 120 Kilowatt Gleichstrom meldet der Akku nach 40 Minuten, dass er fast voll ist (rund 80 Prozent). Die Ladesäulen sind kostenlos und so im Land aufgestellt, dass Tesla-Fahrer sie für Ladestopps auf Reisen nutzen können. Doof nur, dass es bislang noch große Lücken im Norden und Osten Deutschlands gibt. In vielen deutschen Städten fehlen sie völlig. Zudem kostet die passende Hardware im Basis-Modell mit 60-kWh-Akku 2.100 Euro Aufpreis. Was passiert, wenn man einen Tesla leer fährt? Wir haben es getestet. Dein PreisTesla rechnet auf der Homepage vor, dass Model-S-Besitzer an der Steckdose viel Geld sparen. Laden statt Tanken, keine KFZ-Steuer – trotzdem kostet die Limousine als Basismodell mit 385 PS mindestens 71.740 Euro. Nominell fährt das Model S in der Oberklasse, bietet im Innenraum aber ähnlich viel Raum wie BMW 5er und Mercedes E-Klasse. Deshalb ähnelt der Basispreis denen von Mercedes E500 und BMW 550i. Quelle: MOTOR-TALK Rund 70 Prozent der gut 800 im vergangenen Jahr verkauften Tesla Model S sind auf Firmen zugelassen. Ein kleineres „Model 3“ ist angekündigt. Deine QualitätDie Qualität passt nicht zum Preis. Das Leder knautscht in den Sitzecken, die Verkleidung der Lenkstockschalter klappert, Armaturenbrett und Türverkleidungen fühlen sich rappelig an, das Holz im Cockpit ist beklebtes Plastik und die Türen fallen nicht satt ins Schloss. Da geht noch mehr, Tesla. Unser Testwagen kostete 100.000 Euro. Erfahrung im Bau von Luxusautos gehört nicht zu den Stärken der Amerikaner. Dein DisplayTouchscreens sind hip und cool, die Schaltflächen im Tesla sind groß und übersichtlich. Doch manchmal ist ein Schalter souveräner und schneller als jedes Slide-and-touch-Menü. Zum Beispiel am Dachhimmel, um das Schiebedach zu öffnen. Deine Abhängigkeit vom InternetQuelle: MOTOR-TALK Der Kontakt zum Internet funktioniert nicht überall in Deutschland. Wer sich auf das Mobilfunknetz verlässt, der fährt nicht nur im Berliner Speckgürtel oft durch graues Karomuster – mehr zeigt das Navigationssystem ohne Signal nicht an. Dein LichtEin Model S fährt ohne Scheinwerferreinigungsanlage. Deshalb leuchten die Xenon-Brenner nur mit 25 statt 35 Watt. Das liegt an den amerikanischen Gesetzen: Die USA erlauben nur eine vergleichsweise geringe Leuchtweite. Die Konkurrenz experimentiert derweil mit LEDs und Lasern. Deine Fehler im DetailÄrgerlich sind die vielen kleinen Defizite. Beim Rangieren knarzen die (selten genutzten) Beläge auf den Bremsscheiben, die Kurvendynamik liegt mit 2,1 Tonnen und einem mäßigen Fahrwerk auf dem Niveau der 2000er-Jahre. Deine HeizungIm Stand heizt der Tesla gut. Was schon alles sagt, denn im Winter reicht es nur für mäßige Wärme. Der Fahrtwind pfeift durch die Türdichtungen und kühlt den Innenraum ab. Fällt die Außentemperatur unter 0° C, wird es vorn nie richtig warm. Im Fond bleibt es kalt. Quelle: MOTOR-TALK Selbst auf mittlerer Lüfterstufe beschlugen bei Regenfahrten mit mehreren Personen alle Seitenscheiben. Wer die Heizung höher dreht (wir hatten meist 24° C eingestellt) reduziert damit die Reichweite. Da hilft auch keine Sitzheizung auf allen Plätzen der ersten beiden Reihen. In der optionalen dritten Sitzreihe kommt klimatisierte oder warme Luft gar nicht an. Einen Sonnenschutz gibt es nicht. Dein Ikonen-StatusTesla ist wie eine Religion. Jedes kritische Wort von Autotestern wird angezweifelt. Auch, weil die Elektroautos eine gute Antwort auf viele Fragen zur Verfügbarkeit von Erdöl sind. Kaum jemand protestiert, wenn ein VW Golf in einem Test schlecht abschneidet. Doch nach einem Reichweitentest der Fachzeitschrift „Auto Motor und Sport“ forderten die Nutzer des Tesla-Fahrer-und-Freunde-Forums einen Nachtest. Elon Musk macht das Auto zum Kult. Aber das Model S ist ein echtes Auto mit echten Problemen. Epilog: Warum das Tesla Model S trotzdem eins der besten Autos der Welt istTrotz alledem: Das Model S beeindruckt, im konkreten Fall die gesamte MOTOR-TALK-Redaktion. Sein immer zur Verfügung stehendes Drehmoment macht mehr an als jeder Verbrenner. Das Auto fährt souverän wie ein Audi S8 und bleibt dabei beinahe so leise wie eine Mercedes S-Klasse. Vieles ist gut durchdacht, manches funktioniert schon besser als bei der Konkurrenz. 250 Kilometer Reichweite im Alltag bei Temperaturen um den Gefrierpunkt sind ein guter, ein alltagstauglicher Wert. Das Model S fährt nicht wie ein Elektro-Experiment. Die erste Eigenentwicklung des Herstellers zeigt allen etablierten Herstellern, wie ein Teil der Zukunft funktioniert. Das Auto funktioniert wie ein Smartphone und wird über Updates stets besser. Wenn fest eingebaute Navis der Konkurrenz längst alt und überholt sind, wirkt das Elektroauto aus Palo Alto noch frisch und modern. Tesla liefert nicht die Reichweite, die wir Marktforschern zufolge brauchen. Im Model S steckt das, was aktuell machbar ist. Zusätzlich liefert Tesla eine schnelle und kostenlose Stromversorgung für Langstrecken. Andere Hersteller bieten nicht einmal dreiphasiges Laden an. Das macht das Model S zu Recht zu einer Ikone seiner Zeit, zu einer großartigen Limousine. Mit Macken, klar, aber ernsthaft betrachtet ohne Konkurrenz. In weniger als zehn Jahren wird Tesla gewaltige Schritte machen, wenn sich die Marke hält und Musk intelligent investiert. In Fahrwerk, Verarbeitung, Licht und Qualität. Tesla Model S P85: Technische Daten
Lest hier, warum das Tesla beim Model S statt mit maximal 772 PS "nur" noch maximal 539 PS angibt. |